ASIN/ISBN: 3518392379 |
Copfland.
Auf dem Cover ist eine „NYPD-Blue“-mäßige Szene abgebildet: Ein Cop steht breitbeinig, leicht in den Knien, hinter einem Auto, visiert irgendwem jenseits des Umschlages an, neben ihm „sein Partner“. Der hat sich hinter der weißen Tür des Polizeiwagens verbarrikadiert, den linken Arm aufs Dach gestützt, Hand ums Funkgerät. Es sieht aus, als wolle er eine Granate werfen. Sein Blick geht über die Schulter, in Richtung seines Kollegens. Das Blaulicht sticht mit einem azurnen Licht-Stachel in seinen Kopf. Im Hintergrund rauscht der verwaschene Schemen eines Autos vorbei. „Feuer frei!“ denke ich und kaufe und dann fängt das Ding auch noch an zu riechen! Aber der Reihe nach.
Zunächst mal: Das Cover ist darauf aus, nach oberflächlicher Action lechzende Leser wie mich zu ködern. In dem Buch wird nicht geballert! Nur zwei Mal auf 268 Seiten. Wobei das eine Mal nicht zählt, weil der Cop – Triphammer – das ist die Hauptperson, so verwirrt und nervös ist, dass er seine Waffe einfach mit voller Wucht auf den Boden schmeißt – und da ich das Buch unbedingt weiterempfehlen kann, werde ich diesen Punkt nicht weiter ausführen. Dafür kann ich aber ein bisschen was über Triphammer sagen. Er ist der Grund, warum das Buch riecht: Nach den säuerlich-schweißigen Ausdünstungen eines Alkis und vielleicht nach Old Spice.
Triphammer ist ende vierzig, allein erziehender Vater eines Sohnes, der demnächst die High-School verlässt. Er ist Anwärter auf eine Gehaltserhöhung wenn er denn endlich das Lieutenant-Examen packen würde (das er schon einmal vergeigt hat) und neuerdings ist er mit Judy zusammen. Das ist eine junge Dozentin im Fachbereich Filmwissenschaft. Das ist die Geschichte: Triphammer plaudert aus seinem Leben. Darüber, warum er nach mehr als zwanzig Dienst-Jahren immer noch das macht, was eigentlich nur eine Zwischenstation sein sollte; Warum er so versessen darauf ist, seinem Sohn ein guter Vater zu sein – und warum das so schwer ist; Von seinen zahlreichen Affären; Wie er Judy vor einem prügelnden Studenten in Sicherheit brachte und schließlich mit ihr im Bett landete; Und das er sich fragt, was eine gebildete, junge, gut aussehende Frau von einem Typen wie ihm will, der sich wegen seiner Hämorriden unters Messer legen muss. Das Buch ist so lebendig und glaubwürdig geschrieben, dass man Triphammer getrost als erste „In Biblio“ Geburt dem Einwohnermeldeamt melden könnte.
Triphammer spricht in der ersten Person, im Präsens, zum Leser. Etwas, was ich nicht mag. Genauso wenig wie ich Filme mag, die ausschließlich mit subjektiver, verwackelter Handkamera gedreht sind. Aber im Fall von Triphammer ist es keine Effekthascherei: Es ist rührend zu sehen, wie er sich, nachdem er Judy kennen gelernt hat, um eine bessere Sprache bemüht. Dabei benutzt er beispielsweise Fremdworte falsch – und man fragt sich gespannt, wie das mit dem ungebildeten Cop, dem Landei Triphammer und mit der großbürgerlichen New Yorkerin Judith nur enden soll? Es liegt in der Natur der Sache, dass die Sprache kein bisschen künstlerisch, im Sinne von „voller treffender Metaphern“, „Sinn für Rhythmus“, oder dergleichen ist. Der erste Satz des Buches geht so: „Draußen ist es knapp unter Null, der Schnee weht wie bescheuert und wir empfangen die fernmündliche Meldung eines Vaters, der sich um seinen zwölfjährigen Sohn Sorgen macht.“ In diesem Ton geht’s weiter. Umgangssprache und der gestelzte Jargon des kleinen Angestellten („Ich bin seit 1982 im Bereich Verkauf für die Firma Krause und Klopotschki tätig“) bzw. Beamten verweben sich hier zu einer authentischen Erzählstimme – die Triphammers Bemühungen „ein besserer Mensch zu werden“ verdeutlicht und gleichzeitig seine Ängste reflektiert, als versoffener, sentimentaler Provinz-Cop zu enden.
Das Buch wurde von Harry Rowohlt übersetzt.