Lektor?

  • Für wie wichtig erachtet ihr es einen Lektor einzubeziehen bevor ihr eure Manuskripte an Verlage schickt? Ich belästigte 6 renommierte literarische Verlage ( Suhrkamp,Kiwi usw.) mit meinem Manuskript und es wurde von allen abgelehnt. Bevor ich mich nun etwas neuem widme, würde es mich interessieren ob ihr mit Lektoren zusammen arbeitet und ob diese auf Provisionsbasis bezahlt werden bzw. wieviel es überhaupt kostet einen Lektor zu Rate zu ziehen. Danke :strauss Ach ja, würde es evtl. auch etwas bringen mein Manuskript an kleinere Verlage im Umfeld zu schicken? Wer hat damit Erfahrungen? Im Vorraus schon mal vielen Dank :strauss

  • Hallo, thorshe276.


    Die Verlage beschäftigen Lektoren. Deren Aufgabe besteht in der Hauptsache in der dramaturgischen und sprachlichen Arbeit am Manuskript, gemeinsam mit dem Autor. Nebenbei sind sie Seelsorger und Mittelsmann zwischen Verlag und Autor. Für manch einen Autor sind sie zudem Ersatzehefrau, Freundeskreis und über eine lange Zeit ausschließliches soziales Umfeld.


    Es kann Sinn machen, vor dem Versand eines Manuskripts einen freiberuflichen Lektor einzuschalten, wenn man weiß, daß es stilistische und/oder inhaltliche Schwächen gibt, die man alleine nicht ausgebügelt kriegt. Es ist aber auch möglich, daß das Manuskript dadurch nicht besser wird, man ist dann nur ärmer. Ein Lektor kann kein Wunder vollbringen, aber wenn Du ihn beauftragst, wird er auch tätig werden - kaum einer von denen wird Dir sagen, daß seine Arbeit sinnlos ist. Mit anderen Worten: Es kann sein, daß es weiterhin Ablehnungen hagelt. Manch ein Lektoratsservice ist sehr teuer, es gibt Literaturagenturen mit "vorgeschaltetem" Lektoratsservice, der in Anspruch genommen werden kann, ohne daß sicher ist, daß die Agentur im Anschluß das Manuskript vertritt.


    Es hängt vom Zustand Deines Manuskripts ab. Die Verlage erwarten keine orthographisch und grammatikalisch absolut einwandfreien Manuskripte, dafür gibt es ja Lektorat und Korrektorat. Viele freie Lektorate korrigieren nur und nehmen keinen dramaturgischen Einfluß.


    Zusammengefaßt: Ich würd's nicht tun. Eine häßliche Ente wird auch durch einen freien Lektor nur ausnahmsweise zum Schwan, aber wenn ein Schwan im häßlichen Ei steckt, wird es der Verlagslektor möglicherweise finden. Nach meiner Erfahrung ist es hilfreicher, das Projekt mit anderen (Autoren) zu diskutieren und von Leuten gegenlesen zu lassen, die nicht dem unmittelbaren Dunstkreis entstammen. Im Anschluß kann man immer noch einen freiberuflichen Lektor mit dem Feinschliff beauftragen, wenn man zu viel Geld hat.


    Kleine(re) Verlage? Du wirst schneller zum Veröffentlichungserfolg kommen. Aber Vorsicht: Der Markt quillt über vor schwarzen Schafen. Und große Erwartungen darf man nicht haben, wenn der Roman beim Hinterhofverlag erscheint. Die Presse wird sich nicht interessieren, die Buchhandlungen werden es nicht ins Sortiment nehmen. Dafür kennt man jeden Leser persönlich.

  • Hallo Thorshe,


    ich entnehme deiner Frage, dass du den Verlagen dein Manuskript in voller Länge und ohne vorherige Absprache - sprich: unverlangt - geschickt hast. Richtig?
    Das ist der sicherste Weg, sich eine Absage (oder gar keine Reaktion) einzufangen, fürchte ich.
    Es wäre besser, wenn du vorher mal mit den betreffenden Verlagslektoren Kontakt aufnimmst und höflich anfragst, ob sie an deinem Manuskript interessiert sind und in welcher Form sie es haben wollen: Leseprobe, Exposé, ganzes MS und Exposé ...


    Ach ja: jemanden mal lektorierend drüberblicken zu lassen ist nicht verkehrt, wenn du dir nicht sicher bist, ob formal alles okay ist. (Rechtschreibung, Grammatik ...) und ob die Sache "an sich" stimmt. (Dramaturgisch usw.)


    HTH!


    Liebe Grüße


    Susanne

  • Zitat

    Original von Tom


    Zusammengefaßt: Ich würd's nicht tun.


    Hallo Tom,
    aber ist nicht Dein "Radio Nights" von textkraft gecoacht worden? Oder so? (steht jedenfalls in Peter Roentgens Coaching-Liste)?
    Oder würdest Du das einfach nicht als "Lektorat" bezeichnen, und es gibt also nur eine Begriffs-Verwirrung?


    Sabine

  • Hallo, Sabine.


    Nein, "Radio Nights" ist nicht "von Textkraft gecoacht" worden. Wenn Hans-Peter das schreibt, betreibt er Etikettenschwindel, aber das kann ich mir kaum vorstellen. Ich habe das Projekt - jedenfalls über die ersten drei Fünftel - den Autoren des ProjektPhoenix (Judith, Iris, Mareen Göbel und u.a. Hans-Peter) vorgestellt, die es kommentiert und teilweise korrigiert haben. Viele dieser Anmerkungen habe ich umgesetzt. Insofern haben diese Autoren - das kann man auch im Rubrum des Buches nachlesen - betreuend mitgewirkt, aber erstens gab es "Textkraft" zu dieser Zeit noch überhaupt nicht und zweitens war das auch kein Coaching.

  • Ergänzung: "ProjektPhoenix" war (ist?) eine abgeschlossene Autorengruppe, gegründet vor allem von 42ern aus der Besprechungsliste. Mareen Göbel hat die Teilnehmer handverlesen, und wir haben gemeinsam an allen Texten gearbeitet; jeder Autor hat seine aktuellen, laufenden Projekte vorgestellt. Es fand also ein fortwährender Austausch in alle Richtungen statt. Niemand war "Coach" und niemand war "Gecoachter". Ich habe Projekte der anderen Autoren kommentiert wie die das mit meinen getan haben. Diese Arbeitsweise kann ich auch sehr empfehlen, vor allem für die ersten Werke - vorausgesetzt, man findet Zugang zu einer solchen Gruppe. Ich habe mich irgendwann aus dem Projekt verabschiedet; "Idiotentest" habe ich nur einigen wenigen befreundeten Autoren in der Entstehungsphase zum Lesen gegeben, mein aktuelles Projekt kennen vier Autoren, aber auch nur teilweise. Hier ging es mir lediglich um einen allgemeinen Eindruck. Arbeit am Text mache ich jetzt fast ausschließlich mit meinem Lektor.

  • noch ein wort zu den freien lektoren:
    ich halte den einsatz für problematisch, denn wenn ein lektor seine aufgaben wirklich ernst nimmt, muss er auch ein entsprechendes honorar verlangen, das aber kaum ein autor investieren will oder kann. wenn der lektor aber wenig bezahlt bekommt, wird sich sein einsatz auf die intelligente anwendung des duden korrektors beschränken und die eine oder andere formulierungsoptimierung vorschlagen. aber inhaltliche fehler wird er nur anmerken, wenn dies ein wirklich dicker klops ist.
    gruss
    herby

  • Hallo Thorsche,


    ein freier Lektor will Geld verdienen, schön blöd wäre er, er würde in die Hand beißen, die ihn füttert.


    Was Gerdom schreibt habe ich die Tage noch im Internet in einer Diskussionsrunde mitverfolgt. Könnte das auf Montsegur stattgefunden haben? Für mich ist dieses Prozedre nur logisch.


    Toms Vorschlag wird oft praktiziert. Nur bekommen wir es so selten bis gar nicht mit, weil, sollte es nicht per Mailinglisten ablaufen, in geschlossenen Foren gearbeitet wird.


    Sinnvoll sehe ich den Einsatz von freien Lektoren, sollte ein Autor vorhaben das Buch selbst herauszubringen, oder in einem Verlag zu publizieren, der sich keine Lektoren leisten kann. Und ich persönlich würde beides nicht tun.

  • Noch eine Ergänzung, @Torshe:


    Die hier bereits erwähnte Unternehmung Textkraft bietet "Coaching" an, durchleuchtet Manuskriptprojekte und diskutiert Verbesserungsmöglichkeiten mit dem Autor - und vieles mehr, soweit ich gehört habe. Einfach mal die Site durchstöbern. Ich halte das für hilfreicher als die Beauftragung eines freien Lektors - zumal u.a. Judith Rau an "Textkraft" beteiligt ist, die einen sehr guten Blick für derlei hat. Vielleicht ist das eine Alternative.

  • Zitat

    Original von Charly


    ein freier Lektor will Geld verdienen, schön blöd wäre er, er würde in die Hand beißen, die ihn füttert.


    Schön Blöd, wenn man die richtige Hand nicht erkennen kann.


    Ich arbeite als freier Lektor (im Fachbuchbereich), biete diese Dienstleistung aber nur Verlagen an. Dabei habe ich nicht das Gefühl, dass ich mich von Verlagen füttern lasse. Ich übernehme ein Projekt und dann gibt es zwei Möglichkeiten:


    - ich cancel es so früh als möglich, weil Autor und Manuskript nicht geeignet erscheinen. Verdient habe ich an einem solchen Projekt nichts, denn Verlage zahlen nur für abgeschlossene Projekte, oder für Projekte, die weit gediehen sind.


    - ich beende das Projekt und sorge dafür, dass das Manuskript (nicht der Autor!) druckreif werden. Dann stelle ich meine Arbeit in Rechnung - und habe sie bisher auch immer bezahlt bekommen. Die Hand führe ich dabei immer noch selber zum Mund.


    Wenn mich, wie kürzlich geschehen, ein Autor aufsucht, und um ein Lektorat bittet, damit sein Manuskript "vorlagereif" wird, dann bekommt er eine Absage. Es ist nicht seriös, so etwas zu übernehmen. Der Verlag macht das sowieso nochmal. In einigen Fällen biete ich eine "Manuskriptberatung" an. Darin sind enthalten: Manuskriptbeurteilung, Hinweise zur Manuskriptverbesserung (teilweise exemplarisch vorgemacht, den Rest muss Autor/Autorin selber machen), Tipps für Expose und Anschreiben (teilweise vorformuliert) und auf Wunsch auch eine Verlagsauswahl, die für dieses Manuskript in Frage kommt. Für diese Manuskriptberatung berechne ich ebenfalls etwas, aber so wenig, dass ich nicht Gefahr laufe, so etwas zu oft zu machen. Ich werbe auch nicht dafür und mache mehr Absagen (wenn mir Autor & Manuskript auf den ersten Blick schon nicht veröffentlichungswürdig erscheinen oder ich mangelnde Kompetenz bei mir vermuten muss) als Zusagen. Das ist aber alles auf den Fachbuchbereich gemünzt.


    Für Belletristik kann ich mich nur Toms Rat anschließen: Eine überschaubare Gruppe texterfahrener Menschen suchen, die bereit sind, über das Manuskript zu diskutieren.


    Grüße aus Lauda


    Horst-Dieter


    PS: Ich habe auch schon mal ein Lektorat für ein BOD Projekt übernommen. Das mach ich aber bestimmt nicht nochmal. Ein Autor, der als Verleger auftritt (oder mindestens genauso schlimm, eine Autorin) sind ein ganz fragwürdiges Kaliber.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich sehe die Problematik bei den freien Berufen (also auch bei den freiberuflichen Lektoren) darin, dass es zu viel davon gibt. Davon wiederum zu wenige die Geld verdienen.
    Google: Lektorat = 966.000 mögliche Seiten!
    Die Gefahr an ein (freies) Lektorat zu geraten, bei dem auf Deibel-komm-raus lektoriert wird, ist da, und sie ist groß. Darunter verstehe ich, dass die Arbeit des Lektors durchaus seine Berechtigung haben mag, aber dass das Manuskript nichts taugt, es aber trotzdem auftragsgemäß abgearbeitet wird; obwohl dem Lektor nach dem ersten Überblick klar sein muss, dass alles für die Katz ist.
    Und die Klientel solcher Manuskriptprüfer ist nun mal der unerfahrene Schreibanfänger oder besser gesagt Manuskriptverkäufer.
    Natürlich gibt es ehrliche dieser Art.
    Aber es gibt auch solche, die Geld brauchen. Nehmen wir doch einmal Rechtsanwälte und die Abmahnwelle im Internet als Beispiel ...

  • Es ist einfach so, daß sich in den vergangenen Jahren ein enormer Markt entwickelt hat, der von den Träumen der Möchtegernautoren getragen wird. Ob das fragwürdige Lektoratsservices sind oder Verlage, die diesen Namen nicht verdienen ("Verlag" kommt von "vorlegen" - damit ist die Kohle gemeint, die der Verlag investiert), bis hin zu Agenturen, die Einstiegsgebühren verlangen und dann nichts verkaufen. Oder diese Jungs, die alle eingesandten Gedichte veröffentlichen und dann wohlklingende Anthologien an die Autoren verkaufen. Vom sprunghaft angwachsenen Markt von Literatur für Autoren ganz zu schweigen. Es ist ein lukratives Geschäft und längst keine Nische mehr. Man kann als vermeintlicher Debütant eine Menge Geld loswerden, ohne den allergeringsten Nutzen. Schlimmstenfalls hockt man auf 500 lieblos gestalteten Exemplaren des eigenen Erstlings, die man teuer bezahlt hat, und zwar mehrfach.


    In diesem dichterwerdenden Dschungel ist es außerordentlich schwer geworden, weiße Schafe zu entdecken. Davon abgesehen: Wenn ich einen Unternehmensberater beauftrage, wird der beraten, koste es, was es wolle, auch wenn offensichtlich ist, daß die Bude so oder so untergehen wird (gemeint ist die beauftragende).


  • Das ist graue Theorie. Wenn ich einem Verleger ein Manuskript empfehle, das nichts taugt und nachher nicht gekauft wird, dann bekomme ich keinen Auftrag mehr. So einfach ist das. Wenn ich auf langfristige Zusammenarbeit und neue Aufträge Wert lege, dann kann ich mir solch ein unseriöses Gebaren nicht leisten.


    Und man kann die Seiten bei Google nicht 1:1 umrechnen auf freie Lektoren. Ich kenne die Situation im Bereich Belletristik nicht, aber für den Sachbuchbereich gibt es definitiv zu wenig gute Lektoren.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Tom
    Davon abgesehen: Wenn ich einen Unternehmensberater beauftrage, wird der beraten, koste es, was es wolle, auch wenn offensichtlich ist, daß die Bude so oder so untergehen wird (gemeint ist die beauftragende).


    Wer sagt denn auch, dass man jemandem einen Auftrag gibt (ob Lektor oder Unternehmensberater) ohne sich vorher ein Bild zu machen, mit wem man sich da einlöst? Diese kritiklose Annahme alles dessen, was einem angeboten wird, kann nur zu schwerem Fehlverhalten führen.


    Wenn Unternehmer sich soviel Mühe geben würden bei der Auswahl eines Beraters wie bei der Auswahl eines Autos, ihrer Kleidung oder ihrer Geliebten, dann gäbe es auch weniger Enttäsuchungen bei der Zusammenarbeit mit dem Berater.


    Horst-Dieter


    PS: Obwohl, das mit der Geliebten nehme ich lieber zurück. Da machen sicher auch viele gewaltige Fehler :baby

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Wollte nur mal kurz ein Dankeschön da lassen. Beim nächsten Versuch werde ich wohl wirklich meine Angst überwinden und die Verlagslektoren anrufen, bevor ich sie mit meinem Skript belästige.Ansonsten entsprachen alle Antworten dem, was ich mir eh schon dachte. Nur weiß ich jetzt, das ich nicht der einzige bin, der so denkt :) Und damit kann mir meine Freundin auch nicht länger auf den berühmten Senkel treten. Also, vielen Dank ihr alten Hasen :anbet