Matias Faldbakken: "The Cocka Hola Company"

  • Beim Dreh zum neuesten Pornofilm „The Cocka Hola Company“ der DESIREVOLUTION-Unternehmensgruppe kommt es zu einem Zwischenfall: Obwohl gemäß § 10 der DESIREVOLUTION-Konventionen verboten, schnappt sich Darsteller TipTop den Schwanz des Kollegen Casco und führt ihn sich oral ein. Der Dreh wird trotz verhunztem Cum-Shot beendet, und nun harren die beiden, die irgendwie – obwohl sie es nie zugeben würden – Spaß an der Sache hatten, dem nächsten Infomeeting, wo die schriftliche Bewertung des neuesten DESIREVOLUTION-Werkes durch den hauseigenen Pornoideologen Ritmeester, der in einer selbstgewählten Eremittage ausschließlich Magermilch, Weißbrot, Zigaretten, Pornofilme und obskure Zeitschriften konsumiert, vorgetragen werden wird. Diesem Infomeeting sehen auch Simpel, Projektchef von DESIREVOLUTION, Motha, seine Frau, selbst Darstellerin in diversen Filmen, Speedo, der vertraglich verpflichtete Zwangsalkoholiker und Laufbursche, Eisenmann, der „Requisiteur“ und hauptberufliche Drogenbeschaffer, sowie einige andere aus der Belegschaft der originellen Unternehmung entgegen. DESIREVOLUTION ist in Wirklichkeit das Dach für eine Vielzahl von subversiven Aktivitäten, in der Hauptsache ausgeführt vom zutiefst misanthropen Simpel, der Tag und Nacht an Aktionen wie „Fuck up the Neighbourhood“, „Unschuldige mobben“ und „Hilfsarbeiter hört niemand schreien“ arbeitet. Ach ja, und da ist auch noch der verhaltensgestörte Nachwuchs von Simpel und Motha, ein autistischer Siebenjähriger namens Lonyl, der alles und jeden mit seinem schwarzen Filzstift bemalt, seine Lehrer in den Wahnsinn treibt und außer Carpaccio nichts ißt, wenn er nicht gerade stundenlang auf dem Sofa hüpft.


    Diese überschaubare, aber extrem wilde Protagonistenschar treibt Faldbakken durch besagtes Infomeeting, Pornodrehs, Schüler-Adventsfeiern und Analytikersitzungen. Es gibt nichts, das nicht geschehen könnte, tatsächlich geschieht weit mehr, als man erwarten würde: Das Unmögliche ist Prinzip. Dieser sehr anarchistische, überaus fröhliche, rasante und originelle Roman erzählt ausschließlich vom permanenten Tabubruch, spart nichts aus und verlangt seinem Leser einiges ab. Die unkonventionelle Erzählweise mit ihren Perspektiv- und Zeitenwechseln, Stilbrüchen und zuweilen sogar verstörenden Einschüben tut das Ihrige. Ein Genuß sind die haarsträubenden Dialoge, die Listen mit Pornotiteln und Namen von subversiven Aktionen, die lautsprachlich wiedergegeben Äußerungen des ständig hackedichten Speedo – und einiges andere mehr.


    Das Buch hat Matias Faldbakken in Norwegen zuerst unter dem Pseudonym „Abo Rasul“ veröffentlicht. Nach dem großen Erfolg publizierte es der umtriebige „Blumenbar“-Verlag in Deutschland, bis Heyne aufmerksam wurde. Inzwischen gilt das anarchische Werk als „Kult“, und das hat in gewisser Hinsicht auch seine Berechtigung. Allerdings gibt es ein „Aber“: Der extrem amüsante Wahnwitz ist in sich zwar schlüssig, und insbesondere die spießerfeindlichen, genaugenommen solidarfeindlichen Vorträge von Simpel („Zustimmung ist der Satan“) sind pfiffig und unterhaltsam, aber irgendwie hinterläßt die Lektüre eine gewisse Leere. Irgendeine Prämisse oder Botschaft mag sich jeder Leser selbst zurechtpfriemeln. Davon abgesehen allerdings macht „The Cocka Hola Company“ wirklich großen Spaß. Ein vergleichbares Buch habe ich bisher jedenfalls noch nicht gelesen.


    ASIN/ISBN: 3453400526

  • hallo tom,


    beim lesen deiner rezension ist mir die frage gekommen ob du nicht mal
    den ultimativen original-deutschen pop-roman schreiben willst? das genre scheint mir in deutschland beinahe unbesetzt und du wärst prädestiniert dafür. der plot sollte etwas spezifisch deutsches haben, zb:






    einige grüße,
    michael

  • Zitat

    Original von Michael Höfler
    ich würde gerne, aber wann bitte? ich träume davon die 5000 euro sofortrente bei der goldenen 1 zu gewinnen. dann würde ich sofort meinen job knicken und sowas anfangen.


    ciao,
    michael


    Hallo Michael,


    wenn du das Buch geschrieben hast, brauchst du auf die Sofortrente nicht mehr warten.


    Aufmunternde Grüße


    Horst-Dieter


    PS: Vielleicht als Gedicht? Das wäre dann eine Sensastion

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich denke, ich werde mir das Buch mal holen/Kaufen/klauen oder ausleihen und nicht wieder abgeben. Wobei ob irgendeine Bibliothek dieses Buch führt?
    Übrigens denke ich, wenn jemand vorhat ein Popbuch zu schreiben dann geht das sicher nach hinten los.


    Lieben Gruß
    Robert

  • Na, die - wieheißtsejetztnocheinmal - Deutsche Nationalbibliothek (Leipzig, Frankfurt, Berlin) muss es haben (und hat es auch). Ansonsten mal beim Karlsruher Virtuellen Katalog schauen (KVK), Autornamen eingeben ... Das Buch findet sich fast überall. Aber von klauen will ich nichts hören!


    Viele Grüße


    Kirsten
    (Die BIBLIOTHEKARIN)

  • Zitat

    Original von Feldulme
    Ich denke, ich werde mir das Buch mal holen/Kaufen/klauen oder ausleihen und nicht wieder abgeben. Wobei ob irgendeine Bibliothek dieses Buch führt?


    Robert


    Wieder ein Name mehr auf meiner Liste Wem ich keine Bücher leihe :achsel


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • hallo tom,


    ich fand's insgesamt gar nicht mal so gut:


    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++


    Pornographisches Stückwerk
    Beim Dreh eines Hetero-Pornos verirrt sich das beste Stück eines der beiden männlichen Darsteller im Mund seines Kollegen. Als Ersterer dann auch noch drehbuchungemäß abspritzt, sind die Verantwortlichen der Produktionsfirma Desirevolution gar nicht amüsiert. Danach passiert im Grunde herzlich wenig, außer dass sich zwischen den beiden Akteuren ganz langsam eine unerwünschte Romanze anbahnt. Die weitere Handlung besteht aus Episoden, die zwar chronologisch, aber ohne größeren Rahmen oder gar Spannungsbogen aufeinanderfolgen. Sie schildern das Aufbegehren von einem guten Dutzend von Leuten, die mit der Firma zu tun haben, gegen die bürgerliche Gesellschaft. Eine runde Geschichte wird das Ganze erst im letzten Drittel, wo Firmengründer Speedo die Motive dieses Menschenverachtungsprojekts erklärt.


    Die Verlogenheit der Gesellschaft lässt die Truppe wirtschaftlich existieren. Da wäre zum Beispiel Lonyl, der verhaltensgestörte sechsjährige Sohn des Mitgründers der Firma, der alles vollkritzelt, was ihm in den Weg kommt und beim Elternabend ein Pornovideo in das Vorführgerät schmuggelt. Sein Vater Speedo tätowiert der kulturbürgerlichen Frau von Lonyls Schulpsychiater das Wort "Fascination" auf den Bauch, nachdem er sie mit Schlafmitteln betäubt hat. Seine Familie zieht alle paar Wochen innerhalb eines Wohnblocks um, nachdem sie die nächste Attacke wider das Prinzip "gute Nachbarschaft" durchgezogen hat.


    Beim Lesen frug ich mich relativ bald, warum diesem Buch im Feuilleton (FAZ, SZ, etc.) ein so großer Ruf vorauseilt. Es gibt, zugegeben einiges amüsantes, aber es kostete mich mindestens genausoviel an Disziplin, um das Werk zuende zu lesen. Warum? Zum einen war mir das Konzept und die Sprache zu nahe an Hunter S. Thompson's "Fear and Loathing in Las Vegas" gebaut, wobei ich mir nie wirklich vorstellen konnte, dass "Hola Company" in Norwegen spielen soll. Auf der anderen Seite ist dieser Roman erzähltechnisch meilenweit von F & L in Las Vegas entfernt. Zuerst ist die Erzählweise sehr skizzenhaft, teilweise sogar rudimentär. Dann wechseln die Perspektiven öfter, ohne dass die Erzählstimme sich ändern würde. Das Ganze dient wahrscheinlich nur dem Vojeurismus, zum Beispiel wenn man in Ich-Perspektive aus Sicht des Laufburschen der Firma liest, wie dieser Typ verfolgt wird, nachdem er für die Truppe ein Päckchen Koks organisiert hat. Dazu passen weitere merkwürdige Stilelemente wie Dialoge im Spiegelstrichformat oder eine sehr wechselhafte Sprachrhythmik. Letzteres mag zum Teil durch schlechter Übersetzung erklärbar sein. Dann wird vieles erklärt statt erzählt und ich wurde auch der Figuren schnell überdrüssig. Diese sind doch recht eindimensional geraten und zeigen kaum mal spießige Züge, was sie etwas realistischer machen würde. Der permanent breitgetretene Schweinkram und das krawallige Aufbegehren gegen die Gesellschaft entartet schnell zum monotonen Selbstzweck, der diesen Roman mitnichten über 460 Seiten trägt.


    Dieses Werk ist zuerst auf deutsch im kleinen Blumenbar-Verlag erschienen und dann als Taschenbuch bei Heyne. Ich hätte es nicht unbedingt lesen müssen.