Lesungen

  • Hallo, ihr Lieben!
    Mich würde - aus gegebenem Anlass - mal interessieren: Wie war das mit eurer ersten Lesung. Habt ihr Tipps? Erinnert ihr euch mit Freude oder Grausen daran zurück? Mögt ihr Lesungen?


    Liebe Grüße
    Kirsten

  • Hallo Kirsten,


    Die erste Lesung..... :rolleyes
    Schon ein paar Jährchen her, aber noch immer gut in Erinnerung.


    Der Kopf hatte die Farbe einer 4 Tage alten Blutblase, die Zunge wurde bei jedem Wort größer und war schon bald nur noch ein großer trockener Klumpen (ich frage mich heute noch, ob man mich überhaupt verstanden hat) und ich war vieeeel zu schnell fertig. (Ich definiere das als Lesezeitparadoxon)


    Eigentlich der richtige Zeitpunkt, um zu beschließen sich so etwas nie wieder anzutun.


    Der Knackpunkt kam bei mir bei einer Lesung, bei der ich ohne meine heißgeliebten Textzettel Lyrik auswendig vortragen sollte....
    "Frühling" hieß das gute Stück und ich schaffte auf Anhieb die ersten vier Zeilen, dann steckte ich fest. Also Konzentration und noch einmal.... die komplette erste Strophe.... dann wieder weg. Das Publikum schaute schon etwas genervt... ich auch.... Also sage ich "Wenn ihr denkt, dass ich jetzt aufgeben, muß ich euch leider enttäuschen. Ich hole den Text." Gesagt getan. Dann habe ich in aller Ruhe still den Text für mich abgelesen (ca 30 weitere Sekunden Schweigen), den Kopf gehoben, einmal den Blick über das gesamte Publikum streifen lassen und angefangen: "FRÜHLING" (Und genau an dieser Stelle hatte ich dann das Publikum 100%ig auf meiner Seite.


    Was habe ich daraus gelernt? Wenn man dem Publikum nichts vorspielt, einfach natürlich ist und ehrlich, dann hat man die besten Karten, dann können kleine "Pannen" genau das Gegenteil werden - kleine sympatische Einschübe.
    Und immer etwas zu Trinken in der Nähe haben (am liebsten trockenen Rotwein, aber zur Not auch einfach Wasser).
    Und mit dem Lesezeitparadoxon? Ich nehme mir vor, immer so langsam zu sein, dass ich selber denke ich schlafe gleich ein. Zwischen Texten warte ich, bis ich denke "Nun ist aber lange genug!" und dann zähle ich in Gedanken noch bis 10.


    Insgesamt kann ich sagen, dass ich jetzt sehr gerne Lesungen mache und den Leuten meine Art und Weise gefällt. Und Lampenfieber gehört immer noch dazu. ;)


    Lieber Gruß
    Jörg

  • Hallo Kirsten,


    schöner Zufall, dass du gerade das Thema "Lesungen" anschneidest, während es mich selbst ziemlich beschäftigt (auch aus gegebenem Anlaß). Ich bin, was Lesungen angeht, jemand, der noch eifrig dabei ist, Erfahrungen zu sammeln. :baby


    Meine erste Lesung hatte ich in einer Berufsschule vor angehenden Friseurinnen, weil ich deren Deutschlehrerin kannte (ist schon Jahre her, ich glaube, ich hatte damals noch kaum veröffentlicht). Es lief richtig gut, alle hörten zu, stellten viele spannende Fragen - und ich ging mit einem prima Gefühl wieder nach Hause.
    Was ich damals schon begriffen habe (und seit ich für Kinder schreibe und lese, bestätigt sich das) ist, dass Schullesungen eigentlich eine sichere Bank für den Autor sind: Alles ist besser als Unterricht. Einzige Voraussetzung ist vermutlich, dass man nicht gähnend langweilig schreibt und liest. ;)


    Bei Lesungen für Erwachsene habe ich bisher meist im Team gelesen, also gemeinsam mit anderen Autoren - das hilft bei mir enorm gegen Lampenfieber, wenn ich nicht allein für die Veranstaltung verantwortlich bin. Und was mir auch hilft, ist gute Vorbereitung - ich lese die jeweiligen Texte laut zu Hause, stoppe die Zeit, streiche ggf. auch mal einzelne Sätze oder kleine Passagen mit Stolperfallen heraus (wer sagt denn, dass ich bei einer Lesung den Originalbuchtext vortragen muss ... :D).


    Mein bisheriges Fazit: Ich lese ausgesprochen gern und habe noch keine negativen Erfahrungen gemacht, außer dass vielleicht mal mehr Publikum wünschenswert gewesen wäre.


    Liebe Grüße,
    Claudi


    PS: Auf ein paar gute Tipps von den Leseprofis hier bin ich sehr gespannt!

  • ...bevor ich mir hier die Finger wund tippe: im aktuellen TextArtMagazin ist mein Bericht über die LangeLeseNacht 2005 drin, mit allem pipapo wie es organisiert wurde und vor allem: was wir hätten besser machen müssen.
    Grüße
    Silke - die besten Lesungen sind übrigens solche, wie Tom sie macht: ganz locker, sich auch mal verhaspeln dürfen und ganz charmant mit dem Publikum sprechen

  • Hallo, Silke.


    Zitat

    die besten Lesungen sind übrigens solche, wie Tom sie macht: ganz locker, sich auch mal verhaspeln dürfen und ganz charmant mit dem Publikum sprechen


    8o


    Das sind sicher nicht die besten Lesungen, die Tom macht, aber trotzdem lieben Dank für das Kompliment! :]


    Ich habe lange, lange Zeit ein Problem mit Lesungen gehabt, weil ich selbst nie zu welchen gegangen bin und einfach nicht verstanden habe, warum Leute zu sowas marschieren. Um ehrlich zu sein, ich verstehe es immer noch nicht, jedenfalls nicht in gänze.


    "Meine" 42er haben mich zu den ersten Lesungen verdonnert. Ich war jedes Mal ganz schrecklich aufgeregt, obwohl ich nur zehn Minuten von insgesamt zwei Stunden zu bestreiten hatte. Deshalb ging ich es nach dem Motto an: Es möglichst schnell hinter mich bringen, damit das Publikum erstens nicht merkt, was für Scheiße ich lese (ergo geschrieben habe) und wie scheiße ich es auch noch vortrage. Irgendwie schien es damals auch ein wenig zur Textauswahl zu passen, sehr rasant zu lesen - und ich meine: sehr rasant - weshalb es so lala funktionierte.


    Meine erste Buchpremiere vor zwei Jahren war dann sowas wie ein Wendepunkt. Ich habe nächtelang kaum schlafen können, natürlich nicht nur wegen der Lesung, sondern auch, weil ich nicht wußte, wieviele Leute kommen würden, ob es Spaß machen würde, was die Leute von meinem Buch halten würden. Ich habe damals zwar nicht so super gelesen, aber ganz viel mit dem Publikum geplaudert, Scherze gemacht undsoweiter. Es war ein schöner Abend. Natürlich habe ich die Texte passend ausgewählt, zusammen mit meinem Lektor, und sie auch vorher geprobt, mehrfach. Aber das war nicht so wichtig. Weil mir damals ein wenig mehr verständlich wurde, warum die Leute zu Lesungen gehen. Sie wollen natürlich die (prominenten, in anderen Fällen) Gesichter zu ihren Lieblingsbüchern sehen, vielleicht sogar kennenlernen (allerdings scheinen mir Lesungsbesucher besonders schüchterne Menschen zu sein). Sie wollen unterhalten werden. Die Texte kennen sie häufig schon. Sie wollen das, was lesen für sie selbst bedeutet, gemeinschaftlich erleben. Ganz oft aber ist es schlicht eine Form von Unterstützung für die Literatur. Im Vergleich zu anderen Veranstaltungen sind und bleiben Lesungen eher etwas fad und langweilig.


    Wie auch immer. Es ist wichtig, mit dem Publikum zu kommunizieren, es einzubeziehen, sich nicht als etwas Besonderes aufzuführen oder zu gebährden. Inzwischen habe ich einige Lesungen gemacht, meistens solo, und inzwischen macht es mir sogar Spaß. Das liegt erstens daran, daß das schriftstellerische Selbstbewußtsein etwas größer geworden ist; die latente Angst, als Scharlatan entlarvt zu werden, der eigentlich überhaupt nichts kann, ist ein bißchen zurückgegangen. Und zweitens ist es einfach sehr, sehr erfreulich, ein Publikum zum Lachen, zum Klatschen zu bringen. Entgegen dem, was ich früher gesagt habe: Das ist eine wichtige Form von Feedback. Man lernt darüberhinaus immer sehr nette Leute kennen.


    In Lindau habe ich mit Selim Özdogan gelesen. Der Mann ist ein Profi, was den Vortrag anbetrifft, aber er scheint sich als Bestandteil des Kunstwerks zu verstehen. Das kann man natürlich, aber ich sehe das anders. Ich bin ein Schreibling, der seine Texte an den Mann bringen will, und der von positiver Resonanz lebt. Deshalb versuche ich, locker, auf unaufdringliche Art cool und entspannt zu sein. Viel mit dem Publikum zu reden, auch mit den Augen.


    Letztes Jahr etwa um diese Zeit habe ich in der Stadtbibliothek Eisenhüttenstadt gelesen. War zwar nicht so viel Publikum, ist mir aber in sehr positiver Erinnerung geblieben - nicht nur wegen der Gespräche danach, sondern wegen der vielen gerührten Gesichter, in die ich blicken konnte, als ich am Ende des "Radio Nights"-Vortrags überraschend meine Weihnachtsgeschichte "Der wahre Weihnachtsmann" vorgetragen hatte - die, die ich mit den 42ern schon zweimal in Unna gelesen habe.

  • Na denn, zu dem Thema kann ich mich auch äußern. Zunächst einmal gebe ich Silke und Tom gleichzeitig Recht. Die Art, wie Tom seine Lesung in Lindau gehalten hat, war schwer in Ordnung, für die Umstände und Gegebenheiten. Sehr charmant war er, der Tom, aber obwohl ich ihn zum ersten mal gehört habe, bin ich davon überzeugt, dass er es wesentlich besser könnte.
    Ich habe bereits viele Lesungen hinter mehr, die meisten mit meinen eigenen Texten aber ich wurde auch engagiert, um Büchervorstellungen zu präsentieren. Was heißt, von der Moderation bis hin zum Vorlesen aus dem jeweiligen buch, Interview mit dem Autor usw.
    Abgesehen davon, dass mir solche Events unwahrscheinlichen Spass machen kenne ich seltsamerweise kein Lampenfieber (auch wenn mir das immer wieder mal unterstellt wird, da ich die Angewohnheit habe, kurz davor sehr ruhig zu sein und auch gerne meine Ruhe habe).
    Aber wenn ich dann vor das Publikum trete, weiß ich was ich will, was das Publikum möchte und dann lege ich los.
    Ganz sicher hat mir meine (sehr frühe) Schauspielerfahrung dabei geholfen, so zu werden und vor allem, das gebe ich gerne zu, ich genieße das Bad in der Menge.
    Durch die Leseerfahrung kann ich aber eines mit Sicherheit behaupten: Das Publikum will unterhalten werden, wenn möglich auch mal lachen. Wenn die Texte dies nicht vermögen, muss der Vortragende dazu beitragen und ein wenig Entertainer sein. In der Beziehung hatte Tom es in Lindau gut, seine Texte brachten, bei aller Ernsthaftigkeit des Prologs z.B., die Menschen zum Lachen und er selber trug durch seine Art dann ebenfalls dazu bei.
    Ansonsten rate ich allen, keine Angst vor dem Publikum zu haben, denn wer zu einer Lesung geht, vor allem wenn er dafür Eintritt bezahlt hat, weiß meistens, wer sein Gastgeber (Autor) ist und damit hat man doch eigentlich schon die halbe Miete.

  • Zitat

    Original von Tom


    Stellst Du mal einen Scan irgendwo in den Vereinsbereich?


    ..können vor lachen, erinnerst Du Dich an die super Scans von der LeseNacht? Leider hat sich technisch noch nichts geändert...aber ich will mal schauen, ob ichs hinkriege - oder kann jemand anders??? Wenn, dann dürfen wir ohnehin erst im Januar, von wegen aktuelles Heft und so

  • Hallo,
    gestern ist mir irgendwie die Realität dazwischen gekommen. Immer wenn ich an den Computer wollte, kam was dazwischen.
    Danke erst einmal für die Tipps und Erfahrungsberichte. Ich werde sie bald anwenden können. :D
    Vor Jahren habe ich ja schon einmal eine „Lesung“ gemacht, allerdings war das im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhaus, und ich meine mich zu erinnern, dass es mir gefallen hat. Dieses Mal fühle ich mich anders, weil ich nun „veröffentlicht“ bin. Also bin ich am Lesungsberichte studieren und habe mir alles Mögliche gemerkt, was zu tun und lassen ist. Wenigstens widersprechen sich die Tipps nicht. Vor etwa zwei Wochen dann die erste „Probelesung“ – ich weigere mich, sie als Premiere zu betrachten -, bei der einiges schief gelaufen ist. Nie wieder werde ich mich einem Moderator so ausliefern. Natürlich hatte ich mir auch vorgenommen ins Publikum zu schauen, ich halte das auch immer noch für eine gute Idee, nur: jedes Mal, wenn ich das versucht habe, ist mir die Brille die Nase runter gesaust. Ich hatte die Wahl zwischen oberlehrerhaft darüber schauen, oder nichts sehen, weil der Brillenrand im Blickfeld war. Na ja, eigentlich habe ich vor Aufregung eh nichts gesehen. Vielleicht sollte ich mir die Brille mit Leukoplast fest kleben? Gerüchten zufolge hatte ich rote Flecken im Gesicht. Aber zu schnell war ich nicht, das hatte ich geübt. Da die Option, mit der Papiertüte auf dem Kopf zu lesen, nicht realistisch ist, werde ich wohl mit einigen eurer Tipps anfreunden. 8) Außerdem will ich mich gut unterhalten und das Publikum will das wahrscheinlich auch, also sollte ich Spaß an der Sache haben.


    Zitat

    Und zweitens ist es einfach sehr, sehr erfreulich, ein Publikum zum Lachen, zum Klatschen zu bringen.


    Die Wirkung dessen sehen, was man geschrieben hat. Irgendwie gehört das ja auch dazu. Ich schreibe ja nicht, um Buchstaben aufs Papier zu bringen, ich will erzählen und dazu braucht es jemanden, der zuhört.



    Liebe Grüße
    Kirsten


    P.S. Jetzt habe ich schon so viel von Toms Lesungen gehört, ich hoffe doch, dass ich auch einmal eine miterlebe.
    P.S.P.S. Ich bin wirklich gespannt, wann ich mich nicht mehr für einen Scharlatan halte. :D

  • Zitat

    Original von Silke Porath
    - oder kann jemand anders??? Wenn, dann dürfen wir ohnehin erst im Januar, von wegen aktuelles Heft und so


    Schick mir eins per Post, ich scanne es ein, schrumpfe die Dateien auf Bildschirmausgabe und stelle sie ins Vereinsheim. Einverstanden?
    Wenn du die Adresse brauchst, schick mir 'ne PN. Sie steht aber auch im Impressum meiner Site (Link am Fußende jeder Seite).

  • Lesungen sind so 'ne Sache. Die Leute gehen ja nicht so sehr dahin, weil sie wollen, daß man ihnen etwas vorliest, sie möchten den Menschen hinter den Buchseiten kennenlernen.


    Bei Lesungen erzähle ich gerne über meine Bücher und meine Arbeit als Autor, was man dabei so erlebt, mache auch gerne eine Fragestunde bzw. Diskussionsrunde daraus. Das eigentliche Lesen sollte m.A.n. nicht die ganze Zeit in Anspruch nehmen. Gut, die Leute möchten mir auch zuhören, weil sie wissen wollen, wie ich gemeint habe, was da auf dem Papier steht, wie das in meinem Kopf geklungen hat.
    Fatalerweise ist das jedesmal ein bißchen anders. Man steigt eben nicht zweimal in denselben Fluß.


    Die beste Lesung, die ich je erlebt habe, was der Lindauer Literaturschmaus mit Tilman Röhrig -- das war phantastisch. Tilman ist ausgebildeter Schauspieler, er versteht es, seine Romane in Kurzform zu inszenieren. Das ist unterhaltsam und mitreißend, auch und gerade wenn es um dramatische Ereignisse geht.

  • Zitat

    Original von Iris
    Die beste Lesung, die ich je erlebt habe, was der Lindauer Literaturschmaus mit Tilman Röhrig -- das war phantastisch. Tilman ist ausgebildeter Schauspieler, er versteht es, seine Romane in Kurzform zu inszenieren. Das ist unterhaltsam und mitreißend, auch und gerade wenn es um dramatische Ereignisse geht.


    Das Tilman Röhrig gut ist, habe ich schon öfter gehört. Ich habe auch schon überlegt, ob ich nicht ein paar Stündlein "besser vortragen lernen" nehme. :D


    LG
    Kirsten

  • Zitat

    Original von Iris
    Die beste Lesung, die ich je erlebt habe, was der Lindauer Literaturschmaus mit Tilman Röhrig -- das war phantastisch. Tilman ist ausgebildeter Schauspieler


    Hat jemand schon mal Rafik Schami erlebt? Der stellt sich wirklich in die Mitte (früher) bzw aufs Podium(heute, weil zuviele Zuhörer) und erzählt. Wie das Araber so machen. Die haben das halt im Blut, wie wir alle wissen.


    Allerdings hat er das sich erst in Deutschland nach und nach beigebracht, wie er selbst sagt. Auf jeden Fall faszinierend ein dickes Buch wie "die dunkle Seite der Liebe" an einem Abend erzählt zu bekommen. Ist natürlich eine ganz eigene Version von dem Buch.


    Hans Peter