Dystopieromanen gegenüber bin ich skeptisch, wahrscheinlich weil ich das Thema gerne vermeide. Doch T.C. Boyle extrapoliert in "Blue Skies" kaum über die Gegenwart hinaus, erzählt nahe an den Figuren und ihren Beziehungen und das so gut, teils brilliant, wie in den Romanen, die ich vor zwanzig Jahren von ihm gelesen habe ("Wassermusik", "Grün ist die Hoffnung"). Sehr kurz gesagt, wenn das Problemgemengelage auf der Welt das psychische Ergehen in Zukunft nicht stärker beeinträchtigt als in dieser Fiktion, beruhigt mich diese Lektüre fast. Sicher ist dies so gewollt, anderes wäre schwer lesbar, und Boyle probiert es erst gar nicht. Anders gesagt: eine Geschichte, die, so wie sie gebaut ist, weitgehend funktioniert*, aber dem Anspruch einer Dystopie mit wenigstens einigen damit einhergehenden Konflikten überhaupt nicht genügt. Wo auch immer dieser Anspruch herkommt (Marketing?). Interessanterweise scheinen die Rezensionen in den großen Zeitungen diesen Anspruch als ganz gut erfüllt zu betrachten.
* Man könnte kritisieren, dass manche inneren Konflikte etwas im Unklaren bleiben, v.a. bei Cat; der Figur, die sich von der ignoranten Hedonistin zur sensiblen Zeitgenossin entwickelt. Und ein paar Längen in der Erzählung.