Dieses Buch ist mir, in einer schon etwas angegilbten Ausgabe, durch das Stöbern in einem öffentlichen Bücherschrank in die Hände gefallen. Die Luchterhand-Fassung stammt von 1980, als Lizenzausgabe des Verlags Der Morgen (DDR) von 1979. Irgendwo (vielleicht bei Hanns-Josef Ortheil in einem seiner Bücher über autobiographisches Schreiben?) war mir dieser Name und dieses Buch schon einmal untergekommen. Nicht unbedingt selbstverständlich, hat dieses Buch die nun fast 40 Jahre seit seiner Erstveröffentlichung überdauert: Es wird immer noch verlegt, heute bei Suhrkamp.
Im Sommer 1976 bekommt die in der DDR lebende österreichische Schriftstellerin Maxie Wander die niederschmetternde Diagnose Krebs.
Hier setzt auch der erste der drei Teile des Buches ein, vom Text auf dem Buchdeckel abgesehen, unkommentiert: mit ihrem Einzug in die Frauenklinik der Charité. Der uninformierte Leser weiß nicht viel von ihr, abgesehen von den paar genannten Eckdaten. „1933 in Wien geboren“, heißt es da, „lebte seit 1958 mit ihrem Mann, dem österreichischen Schriftsteller Fred Wander, in der DDR“. Tagebuchaufzeichnungen, anders als Lebenserinnerungen, und Briefe sind so: lückenhaft, sprunghaft, unvollständig. Der Leser des Buches, in dem diese Tagebucheinträge und Briefe veröffentlicht sind, kennt die Frau nicht, um die es da geht, aber das ist auch nicht weiter schlimm. Eine Frau ist das, deren Leben durch eine Krankheit auf den Kopf gestellt wird. Maxie Wander beschreibt ihre Klinikaufenthalte, die Verhältnisse auf der Frauenstation, hält Eindrücke über ihre Mitpatientinnen fest, hadert mit Ärzten und dem Krankenhaussystem, dem der Kranke letztendlich ausgeliefert ist. Eine öffentliche Anklage ist das nicht, höchstens eine stille Klage.
Der zweite Teil greift zurück auf Jahre davor, gesunde Jahre, aber auch die nicht frei von Leid und Verlust. So schreibt Maxie Wander über den Tod ihrer Tochter, die 1968 an den Folgen eines Unfalls starb.
Der dritte Teil setzt nach der Behandlung der primären Krebserkrankung ein. Nun weiß man mehr über sie als nur, dass sie krank ist und mit der Krankheit ringt. Der Mensch ist inzwischen klar hervorgetreten. Man meint fast, sie zu kennen.
Es seien „keine Offenbarungen“, schreibt Fred Wander im Vorwort. Offenbarungen nicht, aber es gibt kleine funkelnde Momente, Erkenntnisse, Einsichten, ermutigende, aufrüttelnde, auch bittere. Sie schreibt von der Familie, auch über das Schreiben, das Ringen damit. Man spürt die Zerrissenheit, ihre Ängste, ihren Zorn, auch ihren Kampfgeist und ihren Mut – und zuletzt auch ihre Einsicht in die bittere Wahrheit. „Weiterleben“, schreibt sie, „so reduziert, das ist nicht einfach.“
Erst 44-jährig, stirbt Maxie Wander 1977 in Potsdam. Die Veröffentlichung ihres Buches „Guten Morgen, du Schöne“ (Protokolle von Frauen), hat sie nur um wenige Monate überlebt.
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