Wilhelm Meinhold: Die Hexe von Coserow - Eine Novelle

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    Auf der Insel Usedom lebt während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges der Pfarrer Abraham Schweidler mit seiner Tochter Maria. Das Mädchen wächst Mutterlos auf und wird vom Vater erzogen und gebildet. Zuletzt spricht und vesteht sie besser Latein als ihr Vater und Lehrer. Schweigler ist ein gradliniger, aber auch jähzorniger Mann. Als der Hauptmann des säcularisirten Klosters zu Pudagla, Wittich von Appelmann, sich nicht um die langsam verkommenden Kirchen und Gemeinden kümmert, wettert Schweidler gegen den Hauptmann von der Kanzel herab. Das er ab da einen Todfeind hat, bedachte Schweigler nicht. In der Folge lässt Wittich des Pfarrers Felder verwüsten und droht jedem, der ihm helfen will. Da die Direktheit des Pfarrers auch in der Gemeinde nicht gut ankam, gibt es wenige, die in der Dunkelheit der Nacht weniges zum Überleben bringen.


    Maria entdeckt zufällig eine Bernsteinader. Mit Hilfe des heimlich geborgenen und über Hamburg verkauften Bernsteins haben die beiden jetzt Mittel, besser zu leben. Schweidler lässt das Haus und die Kirche ausbessern, stellt Bedienstete und vor allem Wächter an, die die Felder des Nachts vor den Übergriffen Wittichs schützen. Dieser plötzliche Reichtum schürt Neid und der Hauptmann hat nun noch stärker das Ziel, den Pfarrer zu vernichten. Er schürt den Aberglauben, dass dieser plötzliche Reichtum nicht von ungefähr komme, sondern der Satan seine Hand im Spiel haben müsse. Vorerst schürt er aber im Geheimen.


    Da kündigt man an, dass der schwedische König, zu dessem Herschaftsbereich damals Usedom zählte, auf der Insel landen würde. Der Pfarrer arbeitet daraufhin ein lateinisches Gedicht für den König aus, das die Tochterauswendig lernen muss und bei der Landung vortragen soll. Zu der Landung kommt es aber nicht, der König fährt vorbei. Wittich macht sich aber dabei vor allen lächerlich und so wächst der Hass weiter. Da die beiden nun ständig beobachtet werden, folgt man Marie, als sie eines Nachts alleine, ohne Schutz des Vaters das Haus verlässt, um neuen Bernstein zu holen. Allerdings wird sie nicht nur von den Schergen des Hauptmanns verfolgt. Der junge Adlige Rüdiger von Neuenkirchen hatte sich in das Mädchen verguckt und ebenfalls auf die Lauer gelegt. Zum Schutz vor der Kälte der Nacht hatte er sich einen Wolfspelz umgelegt. Marie rezitierte während der Arbeit an der Bernsteinader aus dem lateinischen Gedicht des Vaters. Der Adlige kommt hervor und für die anderen Lauscher ist es klar: Das Mädchen hat durch Beschwörungen den Leibhaftigen vorgeholt. Nun ist die Situation nicht mehr zu retten. Am nächsten Tag werden Tochter und Vater verhaftet und verhört, zuletzt auch die Folter angewandt, um das Mädchen zu einem Geständnis zu bewegen. Der junge Verehrer kann nicht zu Hilfe eilen, weil vom eigenen Vater, der gegen diese Verbindung ist, eingesperrt.


    Wie sich dann doch noch alles entwickelt und zu einem guten Ende kommt, soll hier nicht verraten werden. Die Lektüre dieser Novelle lohnt sich allemal, schon allein der Sprache wegen, die der Autor – ein Pfarrer von der Insel Usedom aus dem 19. Jahrhundert – der Zeit des Dreißigjährigen Krieges nachempfunden hat. Allerdings keineswegs so trocken, wie es aus den alten Protokollen und Schriften zu uns herüber kommt. Überhaupt hat er trotz des manchmal umständlichen Satzbaus und der ungewohnten Erzählweise geschafft, Spannung aufzubauen. Und Humor. Wie die Spione des Hauptmanns beim Auftauchen des Adligen im Wolfspelz reagierten lässt sich trotz der kargen Sprache bildhaft vorstellen.


    Zitat


    Die arme Dirne schrie vor Entsetzen laut auf bei seinem Anblick; aber noch größer war das Entsetzen von Claus Jwing und seiner Sippschaft, welche jetzt den Erzfeind der Menschen in lebendiger Gestalt zu erblicken glaubten, und nicht geblieben wären, wenn man ihnen auch die ganze Welt mit allen ihren Schätzen versprochen hätte. So flohen sie schnell und ungehalten mit klappernden Zähnen und athemlos durch Rusch und Busch davon. …


    Die 50 Seiten der Novelle sind schnell gelesen. Wen’s interessiert findet im anschließenden Nachwort von Winfried Freund noch ausführliche Informationen zum Autor und zum Stoff. Diese Novelle, 1825 geschrieben, konnte zunächst nicht veröffentlicht werden. Niemand wollte sie oder lehnte sie wegen der positiven Darstellung Gustav Adolfs ab. Später baute der Autor diese Novelle zu einem Roman aus: Maria Schweidler, die Bernsteinhexe. Dieser Roman wurde vom Autor als auf tatsächliche Quellen beruhender und nur von ihm herausgegebener Fall angeboten, fand Auszugsweise Veröffentlichung in einer Novellenzeitung und konnte dann durch Förderung des preußischen Königs Friedrich Wilhelms IV. als Roman erscheinen. Es war von Anfang an ein Bestseller. Kurz nach dem ersten Erscheinen gab es bereits englische Übersetzungen. Als Meinhold im Vorwort der 2. Auflage bekannt gab, dass er der Verfasser sei und alles nur erfunden habe, ging das Geschrei los und manch einer wollte ihn der Lüge bezichtigen, nicht weil er sich anfänglich als Herausgeber aufgespielt habe, sondern weil er nun behaupten würde, es sei von ihm, obwohl doch authentisch. Dem Erfolg des Romans tat das keinen Abbruch. Der Roman erscheint bis heute in unzähligen Auflagen.


    Ich kenne diesen Roman nicht und weiß auch nicht, ob ich ihn lesen werde, aber die Novelle hat mir außerordentlich gut gefallen. Ich habe sie dieses Jahr auf Usedom in einer Buchhandlung in die Hand genommen und nach Lesen der ersten Seite gleich gekauft. Bereut habe ich es nicht. Der Hinstorff Verlag hat eine schöne und überraschenderweise trotzdem preiswerte Ausgabe gemacht, die ich allen empfehle, die gerne Novellen lesen, selbst wenn sie ein wenig altertümlich daher kommen.

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    ASIN/ISBN: 3831335559


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    Emanuel von Bodmann