Ich bin gerade dabei, einige Klassiker nachzuholen, will mich auch gar nicht erdreisten, hier Thomas Manns "Buddenbrooks" zu rezensieren, aber vorsichtig die Frage aufwerfen, warum es sich denn um ein Meisterwerk handle, so hier welche diese Meinung teilen.
Die Geschichte ist essentiell die des Niedergangs einer Kaufmannsfamilie. Ich habe mir sagen lassen, dass dieser Niedergang prototypisch für viele Familien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei. Außerdem seien die Charaktere stellvertretend für zahlreiche, die nicht mehr in die damalige Zeit passten.
Nun je. Die einzige Figur, die ich richtig gut fand, war Antonia. Sie allein trug mich durch die ersten Hälfte der >700 Seiten. Nach ihrer zweiten Scheidung aber passiert nichts mehr mit ihr außer dass sie ihren Bruder Thomas (schien mir als semi-skrupulöser Geschäftsmann eher durchschnittlich) zum Erfolg drängt. Sie hätte sich wenigstens einen jungen Liebhaber zulegen können. Dann gibt es ihren Bruder Christian, den ewig selbstmitleidigen Hypochonder, der leider in seiner Selbstsucht keinen Bruch zeigt.
Weiterhin scheitern die Figuren (außer vielleicht Antonia) weniger an sich selbst als an Krankheiten (Thomas, dessen Vater, Sohn Johann).
Und dann das etwas seltsame religiös angehauchte Ende, das über die jahrzehntelange Haushälterin bewerkstelligt wirkt. Das ging für mich nicht auf, da zu unvorbereitet. "Wir werden uns wiedersehen" scheint mir außerdem nicht ganz stimmig, wo vorher nicht allzuviel Harmonie da war.
Einige Passagen sind wirklich spannend, in anderen wird bis zur schmerzgrenze außerzählt, was man eh schon kapiert hat.
Sprachlich fand ich, soweit ich mich erinnere, den "Zauberberg" kunstvoller (obwohl mir da die Inhalte noch deutlich mehr fehlten). "Tod in Venedig" fand ich vor 20 Jahren brillant, wahrscheinlich auch wegen der Kürze der Erzählungen. Erzählerisch beherrscht Thomas Mann sein Handwerk natürlich auch in den "Buddenbrooks" formidabel, und ihm gelingen hervorragende lebendige Beschreibungen.
Insgesamt und schlussendlich sicher ein sehr guter bis sehr guter Roman, aber Meisterwerk?