Krimis von Asa Larsson

  • Ich möchte hier kein einzelnen Buch samt Inhalt vorstellen, sondern Euch eine (nicht mehr so) neue Krimiautorin aus Schweden empfehlen, und zwar jeden ihrer Romane, der bisher ins Deutsche übersetzt worden ist.


    Am besten sollte man sie in der Reihenfolge ihres Erscheinens lesen, ich stelle die Bücher nachher als Link hier ein.


    An sich gibt es ja inzwischen inflationär viele skandinavische Krimiautoren, der "Skandinavienkrimi" ist meines Wissens schon zu einem Subgenre geworden.
    Und nahezu jeder neue Autor / jede Autorin wird als "die" Neuentdeckung gefeiert, ob sich die Entdeckung immer so lohnt, bleibt dahingestellt.


    Bei Asa Larsson lohnt sie sich allerdings!
    Ihre Krimis spielen im schwedischen Lappland, in der Stadt Kiruna. Im Zentrum stehen zwei Ermittlerfiguren: die psychisch labile junge Wirtschaftsanwältin Rebecka Martinsson und die Polizistin Anna Maria Mella. Die erste beiden Krimis spielen im Milieu der Freikirche, der dritte behandelt im weitesten Sinne das Thema Wirtschaftskriminalität.


    Was diese Krimis ausmacht, ist allerdings nicht nur die Handlung, sondern vor allem Larssons Stil. Die Autorin kommt mit wenigen Strichen aus, skizziert in ihren Sätzen manchmal fast mehr, als dass sie wirklich erzählen würde. Vieles wird vermittelt, ohne ausgesprochen zu werden, Stimmungen klingen an, werden aber nicht in epischer Breite ausgeführt.
    Asa Larsson wechselt zwischen verschiedenen personalen Erzählperspektiven und zwischen den Erzählzeiten, den Faden verliert man dennoch nicht.


    Es ist vor allem diese Art des Erzählens, die mich an den Romanen fasziniert. Und es ist die lineare Weiterentwicklung ihrer beiden Figuren. Eigentlich ist das die einzige Krimireihe, die ich (und da wird es vermutlich nicht nur mir so gehen) mehr wegen der Erzählweise der Autorin und wegen der Atmosphäre, die sie entwickelt, lese als um der Krimihandlung Willen, allein das hebt diese Serie für mich aus der Reihe der nordischen Krimis hervor.


    Insgesamt sechs Romane hat Larsson mit den beiden Ermittlerinnen geplant, vier sind davon auf Deutsch veröffentlicht, man kann aber davon ausgehen, dass alle sechs ins Deutsche übersetzt werden.


    Liebe Grüße
    Anja


    In der Reihenfolge ihres Erscheinens
    Als Taschenbuch

    ASIN/ISBN: 3442736005

    ASIN/ISBN: 3442736412

    ASIN/ISBN: 3570009890


    Als Hardcover:

    ASIN/ISBN: 3570010848

  • Zitat

    Original von Anja
    …Und es ist die lineare Weiterentwicklung ihrer beiden Figuren.…


    Das wäre ein Grund für mich, die Bücher zu lesen. Bislang hat mich das immer gelangweilt, wenn die Kommissare, Ermittler oder sonstigen Protagonisten in immer wieder neuen Büchern ohne eine Entwicklungstendenz (oder ohne ausreichende) dargestellt werden. Ganz großes Feindbild für mich die »Inspektor Jury Reihe« (Martha Grimes) - da habe ich den dritten Roman schon nicht mehr zu Ende gelesen. Und nach wie vor unerreicht für mich in dieser Hinsicht ist Dorothy Peters, die ihren Lord Peter vom ersten Buch an auf Entwicklung ihrer Hauptperson setzte.


    Diese Rezi klingt so, als ob es da endlich mal etwas anderes gibt.


    Besten Dank für diese Rezension.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • ASIN/ISBN: 3442736005


    In der schwedischen Stadt Kiruna in der Provinz Lappland liegt in einer Kirche ein überregional bekannter christlicher Aktivist tot vor dem Altar. Er wurde niedergeschlagen, mit zahlreichen Messerstichen getötet und außerdem hat man ihm die Augen ausgestochen und die Hände abgeschnitten. Viktor Strandgård hatte ein Nahtoderlebnis und machte aus dieser Ehrfahrung eine Bewegung, die drei freikirchliche Gemeinden in Kiruna zu einer zusammenschweißte. Außerdem erlangt erregt er über eine Buchveröffentlichung auch international Aufsehen. Die Schwester des Toten, Sana, ruft ihre ehemalige Freundin Rebecka Martinsson aus Stockholm und bittet sie um Hilfe. Zwar arbeitet die inzwischen als Steueranwältin in einer Nobelkanzlei in Stockholm, doch der Ruf aus der Heimat lässt sie nicht kalt - wider Willen fährt die in sich längst nicht gefestigte Frau nach Kiruna und muss sich dabei nicht nur den Problemen der Freundin stellen sondern auch ihrer eigenen, längst nicht bewältigten Vergangenheit.


    Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella ist hochschwanger und eigentlich zum Schreibtischdienst verdonnert, doch holt ihre Vertretung, der Kollege Sven-Erik Stålnacke sie schnell zu diesem Fall hinzu, weil er glaubt, alleine nicht damit fertig zu werden. Das liegt nicht nur an der Gemeinde, die sich abschottet und wenig hilfsbereit ist sondern auch an dem stellvertretenden Oberstaatsanwalt Carl von Post. Der schießt sich schnell auf die Schwester des Ermordeten ein und die sitzt dann auch bald in Untersuchungshaft.
    Rebecka hat bald mit den drei Pastoren zu tun und kann herausbekommen, dass die auch in finanzieller Hinsicht einigen Dreck am Stecken haben. Als sie sich dann näher mit den Kinder beschäftigt, deren Fürsorge sie auf Bitten von Sana übernommen hat, kommt ihr noch ein weiterer Verdacht. Zuletzt verkriecht sie sich mit den Kindern in einer Hütte und kann doch nicht verhindern, dass plötzlich alle am Mord beteiligten sich in eben dieser Hütte einfinden. Draußen heult der Schneesturm und drinnen hat sie eine Situation, die kaum noch einen Ausweg lässt.


    Das Buch ist spannend geschrieben, ohne Zweifel. Der knappe Stil der Autorin, der Weitschweifigkeit vermeidet und viel Spielraum für das Mitempfinden des Lesers lässt ist angenehm zu konsumieren. Das ist auch wohl der Grund, dass die (teilweise) wirre Perspektivwahl – es gibt Sprünge der Perspektive manchmal von Absatz zu Absatz – nicht allzu störend wirken. Gelegentlich ist es mir etwas ärgerlich aufgefallen, aber meistens war das der Lektüre nicht abträglich. Etwas mehr zu denken gab mir, dass immer wieder Abschnitte im Präsens eingefügt wurden. Anfangs dachte ich, es wäre nur immer der einleitende Absatz zu den Kapiteln – die mit Zitaten aus dem Anfang der Genesis überschrieben waren (Und es ward Abend, und es ward Morgen, das war der erste Tag) – aber es kommt auch mitten im Kapitel vor oder am Ende. Eine eindeutige Erzählperspektive sollte damit auch nicht herausgestellt werden, denn fast allen Perspektiven wurden solche Präsens-Abschnitte zugeordnet. Ein Problem der Übersetzung dürfte es auch nicht sein, denn bei einer renommierte Übersetzerin wie Gabriele Haefs kann man von einer solchen Nachlässigkeit keinesfalls ausgehen.


    Die Personen waren gut gezeichnet. Die Hauptprotagonisten, die Steueranwälting Rebecka Martinsson, die eher unfreiwillig in die Ermittlerrolle fällt, ist einerseits labil, andererseits couragiert genug, um sich nicht von anderen unter Druck setzen zu lassen. Das fällt schon gleich beim ersten Kontakt mit dem arroganten Staatsanwalt von Post auf. Nachdem, was man bisher von ihr gelesen hatte, müsste sie eigentlich klein beigeben. Tatsächlich lässt sie diesen aber nach einer kurzen Atempause ziemlich routiniert alt aussehen. Plötzlich bekommt die offene Situation mit ihrem Chef, die zuvor beschrieben wurde, ein anderes Bild. Stark sind überhaupt die Frauen in diesem Roman. Auch die schwangere Polizistin lässt sich nicht unter Druck setzen sondern geht ihre eigenen Wege. Die Männer dagegen sind die Ekel (Staatsanwalt), die Tölpel (Chef, der seine Zuneigung zu Rebecke hinter Alkohol und Ruppigkeit versteckt), die zaghaften (Sven-Erik, der die schwangere Kollegin vertritt), die korrupten (die drei Pastoren). Die Klischees werden bis hart an die Grenze bedient (Staatsanwalt, Journalisten die sich als Paparazzi aufführen), überschreiten diese aber niemals.


    Wer Krimis liebt wird die Lektüre dieses Romans nicht bereuen. Die von mir geschilderten sprachlichen Absonderlichkeiten stören höchstens auf solche Details achtende Leser der Autorenzunft (oder Literaturwissenschaftler).

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    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


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    Emanuel von Bodmann


  • Hallo Horst-Dieter,


    "Sonnensturm" ist meines Wissens das erste aus der Reihe. Geplant hat sie sieben oder acht. Ich habe bisher vier gelesen und ich finde, sie unterscheidet sich vor allem in ihrer Erzähltechnik deutlich von anderen Krimiautoren.


    Ich mag die Art ihres Schreibens. Schön, wenn Dir ihre Texte auch gefallen.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Zitat

    Original von Anja
    Hallo Horst-Dieter,


    "Sonnensturm" ist meines Wissens das erste aus der Reihe. Geplant hat sie sieben oder acht. Ich habe bisher vier gelesen und ich finde, sie unterscheidet sich vor allem in ihrer Erzähltechnik deutlich von anderen Krimiautoren.



    Anja


    Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Perspektivsprünge und der uneinheitliche Einsatz der Präsensabschnitte Technik sind oder nicht eher Unsicherheiten einer Anfängerin. Was die »Aufbereitung der Handlung« - also die Dramaturgie - anbelangt, da gebe ich dir aber recht.


    Horst-Dieter

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    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • ASIN/ISBN: 3442738628


    Den zweiten Roman habe ich ausgelassen und gleich den dritten gelesen. Anschlussprobleme gab es nicht, weil zu Beginn die Entwicklung von Rebecka Martinsson über ihre Krankengeschichte eingeführt wird. Beachtlich, wie es die Autorin mit wenigen kurzen Sätzen fertig bringt, ihre psychischen Zustand zu beschreiben nur über die Schwierigkeiten, vom Auto zu ihrer Wohnung zu kommen.


    Sie hat von einer Wirtschaftsanwältin zur stellvertretenden Staatsanwältin in Kiruna gewechselt. Ein Mordfall an einer Frau, die tot in einem Anglerhäuschen im Winter auf dem See gefunden wird, leitet diesen Krimi ein. Das es nicht ein einfacher Mord ist, kristallisiert sich schon bald heraus. Es geht um Aktiengeschäfte und um Schürfrechte in Afrika. Eigentlich hätte das schnell erzählt werden können, doch die Autorin lässt es sich nicht nehmen, sämtliche personale Perspektiven auch in umfangreichen Rückblenden darzustellen. So bewegt sich der Leser nicht nur in der Vorstellung von Rebecka Martinsson und der Kommissarin Anna-Maria Mella, von Mauri Kallis, dem Gründer und Leiter von Kallis Mining, sondern auch noch zahlreicher handlungstragender Figuren und Nebenfiguren. Manchmal vergisst man beim Lesen, dass man einen Krimi liest - und das sind nicht die schlechtesten Stellen in diesem Buch.


    Das Buch beginnt mit einem kurzen Verweis auf die vorherigen Bücher (»Können Sie sich erinnern?« … dann fünf Zeilen Zusammenfassung und … »Das hier ist das dritte Buch«). Dann die Krankengeschichte von Rebecka Martinsson vom 12. 9.2003 bis zum 27.9.2003. Später kommt noch ein Einschub vom November, der die Entlassung aus der psychiatrischen Klinik beschreibt.


    Der eigentliche Roman beginnt mit dem 15. März 2005 und der Situation, dass der Eisangler Leif Pudas nur in Unterhose bekleidet zum pinkeln nach draußen geht. Das war ein Fehler, denn kaum hat er gepinkelt ist seine Hütte weg und er steht fast nackt draußen in eisiger Kälte und hat nicht viel Zeit zu überlegen, denn sonst würde er erfrieren. Das führt ihn zum ersten Mordopfer in einer anderen Anglerhütte und von da ab bauen sich die Ermittlungen bis zum Abschluss am 21. März 2005 auf. Nicht viel Handlung vom Mord bis zum Abschluss aber durch die vielen Rückblendung und das Aufarbeiten der Einzelschicksale dann doch ein dicker Roman.


    Das Ende ist wie beim ersten Roman ein richtiger Showdown, hektisch, brutal, atemlos und auch etwas verschwommen. Die vielen Perspektivwechsel erinnern ebenfalls an Filmtechniken so dass ich fast glaube, dass sich die Autorin, eine ehemalige Steueranwältin, eher am Kino als an anderer Literatur orientiert.


    Jedenfalls ein lesenswerter Roman, einer von denen, die sich von der »üblichen Ware« unterscheidet.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann