Warum schreibt ihr?

  • Zitat

    Original von Pampelmuse
    Darum geht`s doch. Nicht um das -ob-
    sondern um das - wie und was MACHEN die Betreffenden mit ihren Abgründen und Kellern.


    Wie wäre es mit für sich behalten? So mancher erzählt selbst seinen Nachbarn kaum etwas Intimes, in Büchern aber glaubt jeder, der solch ein Machwerk dahinschludert, so richtig auspacken zu können und alles auf den Tisch zu bringen.
    Das ist fast immer nur für den Autor selbst und vielleicht noch seine Familie interessant. Ist ja schön, wenn das Aufschreiben einem therapeutischem Nutzen dient. Aber man muss es deshalb nicht zwischen Buchdeckel pressen.

  • Hallo Maren


    Therapeutischer Nutzen - klar, so ist das wohl.
    Wenn sie gefragt werden, die Autoren, dann geben sie das auch meistens zu. Und dann sagen sie oft auch noch, dass sie anderen Betroffenen mit ihren Berichten helfen wollen.
    Lass sie doch. Sie tun es freiwillig. Die, die es lesen, tun das auch freiwillig und vielleicht hilft es ja wirklich irgendjemandem bei irgendetwas.
    Geld wird auch auf noch wesentlich unaktzeptablere Weise verdient.


    Gruß
    barbara

  • Zitat

    Original von Maren
    Das ist fast immer nur für den Autor selbst und vielleicht noch seine Familie interessant. Ist ja schön, wenn das Aufschreiben einem therapeutischem Nutzen dient. Aber man muss es deshalb nicht zwischen Buchdeckel pressen.


    Na ja, von vielen fiktiven Geschichten lässt sich dasselbe behaupten. Das hat meiner Meinung nach weniger damit zu tun, ob die Thematik authentisch oder fiktiv ist, sondern viel mehr mit der Qualität des Geschriebenen. Und auch das Schreiben von fiktiven Geschichten kann einen therapeutischen Nutzen haben. ;)


    Gruß
    Sabine

  • Hallo Maren,


    kann es sein, dass Du Dich weniger über die Autoren bestimmter Bücher ärgerst als vor allem über die Käufer?
    Frau Kampusch hat ihr Buch meiner Einschätzung nach weniger aus therapeutischen Zwecken geschrieben als vor allem, weil ihr schlaue PR-Berater das empfohlen haben. Ich vermute es, ich weiß es nicht. Und ich vermute auch, dass diese PR-Berater, sollte sie welche haben, ihr geraten haben, nur soviel von sich preiszugeben, wie sie vertreten kann.
    Ich habe das Buch zwar nicht gelesen und werde es auch nicht lesen, aber gerade hier würde ich meinen, dass die Autorin keine Selbstentblößung betrieben haben dürfte. Dafür ist sie meiner Einschätzung nach zu klug. Das Buch bedient eine ganz bestimmte Leserschicht.
    Ob man so etwas verlegen sollte oder nicht, ist eine andere Frage. Aus finanzieller Sicht war das Buch weder für sie noch für ihren Verleger ein Fehler :).
    Und solange überall die Quote entscheidet, werden wir weder an Büchern noch an Castingshows viel ändern können.
    Immerhin kann sich ja jeder einzelne entscheiden, ein Buch nicht zu kaufen und den Fernseher ausgeschaltet zu lassen :). Problematisch wird es für mich erst bei Gewaltverherrlichung, Rassismus oder ähnlichen Themen.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Zitat

    Original von Anja
    Frau Kampusch hat ihr Buch meiner Einschätzung nach weniger aus therapeutischen Zwecken geschrieben als vor allem, weil ihr schlaue PR-Berater das empfohlen haben.


    In mehr als einer der Amazon-Rezensionen steht, dass es wohl ein (oder mehrere) Ghostwriter verfasst hat. Ob das stimmt weiß ich nicht, ich finde es nur halt widerlich, dass Leute diese Schicksalsdinger lesen, um sich daran aufzugeilen. Wahrscheinlich die gleichen, die auch bei Autounfällen, etc. nur im Weg herunstehen und unbedingt gucken wollen. Je schlimmer und schrecklicher, desto lieber.
    Aber die Rechnung geht ja auf, ist genug Medieninteresse vorher oder durch das Buch vorhanden, verkauft es sich auch, alles andere bringt der unbekannte Autor dann ja meist selbst heraus. Wobei sich da dann zeigt, dass es eben nur interessant ist, wenn es ein besonders tragisches Schicksal ist.


    Mit Schicksalen lässt sich eben Kasse machen; sieht man auch bei den Castingshows, da ist kaum mehr ein Kandidat ohne entsprechend zurechtgezimmertes Schicksal dabei. Von "Unser Haus muss verkauft werden, wenn ich nicht gewinne" angefangen.

  • Zitat

    Maren schrieb....


    Mit Schicksalen lässt sich eben Kasse machen; sieht man auch bei den Castingshows, da ist kaum mehr ein Kandidat ohne entsprechend zurechtgezimmertes Schicksal dabei. Von "Unser Haus muss verkauft werden, wenn ich nicht gewinne" angefangen.


    Das ist verallgemeinernd. Sicher gibt es zurechtgezimmerte Schicksale, die auf die Tränendrüse drücken und Kasse machen sollen. Aber das trifft doch nicht auf alle Geschichten zu. Den Unterschied spürt man....


    Zitat

    Zitat von Maren....


    Wie wäre es mit für sich behalten? So mancher erzählt selbst seinen Nachbarn kaum etwas Intimes, in Büchern aber glaubt jeder, der solch ein Machwerk dahinschludert, so richtig auspacken zu können und alles auf den Tisch zu bringen. Das ist fast immer nur für den Autor selbst und vielleicht noch seine Familie interessant. Ist ja schön, wenn das Aufschreiben einem therapeutischem Nutzen dient. Aber man muss es deshalb nicht zwischen Buchdeckel pressen.


    Warum macht dich das so wütend?


    LG
    Petra

  • Hi Anja,


    Zitat

    Frau Kampusch hat ihr Buch meiner Einschätzung nach weniger aus therapeutischen Zwecken geschrieben als vor allem, weil ihr schlaue PR-Berater das empfohlen haben. Ich vermute es, ich weiß es nicht. Und ich vermute auch, dass diese PR-Berater, sollte sie welche haben, ihr geraten haben, nur soviel von sich preiszugeben, wie sie vertreten kann.


    ... ich stimme dir völlig zu, nur mit einem kleinen Unterschied. Erstens hat sie das Buch nicht selbst geschrieben, sondern schreiben lassen, die Ghostwriterinnen heißen: Heike Gronemeier und Corinna Milborn,
    und zweitens denke ich, sie hat darin gerade soviel von sich preisgegeben, als sie wollte, nicht als sie könnte. Und das ist bekanntlich nicht allzuviel, wie die ständige juristische Wiederaufwärmung dieser undurchsichtigen Causa beweist.


    Manuela :)

  • Hallo Petra,


    ich sehe zwar keine Castingshows, aber soweit ich weiß, sind die meisten "Schicksale", zumindest bei Realityshows, erfunden. Dieselben Kandidaten treten mit verschiedenen Biographien in verschiedenen Shows auf. Und ich könnte mir zumindest vorstellen, dass das bei Castingshows ähnlich ist.


    Manuela: Dass die Autoren der Kampusch-Biographie bekannt sind, wusste ich bisher gar nicht. Ich halte das Buch übrigens für einen kalkulierten Bestseller.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Barbara, wir sind uns einig.
    Habe grade beim Surfen auf einer Sportseite gesehen: Claudia Pechstein hat ihre Autobiographie herausgebracht - und schreibt darin auch von ihrem "Abgrund", kurz vor dem Selbstmord gestanden zu haben. Wer mit den Namen nichts anfangen kann: Die Dame ist eine der erfolgreichsten Eisschnellläuferinnen aller Zeiten und wird des Dopings bezichtigt. Ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt.
    Aber plötzlich ist alles weg - Ruhm, Geld, Haus, Partner. Wie geht man nun damit um? Jemand, der in der Wirtschaftskrise, etwa "dank" Lehman, ebenfalls alles verloren hat, hat womöglich ähnliche Gedanken gehabt. Wenn der nun so ein Buch liest, so kann ihn das durchaus erleichtern, nach dem Motto: Siehst du, auch Promis bleiben nicht verschont (ich will nicht schon wieder mit Enke anfangen). Deswegen meine ich: Solche Bücher sind legitim.
    Ich halte es für legitim, dass man sich das von der Seele schreibt. Und es ist mich sogar legitim, dass man damit Geld verdienen will. Allerdings wird das den wenigsten gelingen, wenn sie nicht prominent UND spektakulär sind.
    Ich bekomme im Monat geschätzte drei bis fünf Vermittlungs-Angebote von (unbekannten) Leuten, die ihr Leben der Öffentlichkeit präsentieren wollen. Oft spannende Leben, aber wer will's wissen?
    Es gibt nur wenige nicht prominente Ausnahmen - ich denke an Anna Wimschneiders "Herbstmilch" oder besondere Krankheitsgeschichten oder weil jemand das Klosterleben satt hat, wo alles in zwei Koffer passt oder dergl. - bei denen das anders ist.


    Ich jedenfalls sehe (Auto)-Biographien als eine Sache von Angebot und Nachfrage. Jemanden, der Autobiographien lesen mag, von wem und warum auch immer: Soll er. Der Markt reguliert das. Und das ist gut so ...