Darf man heute so noch schreiben?

  • Hallo Bernd,


    Zitat: Ich glaub' bei diesen Ausführungen ist soeben meine linke Hemisphäre flöten gegangen


    das tut mir Leid, das wollte ich nicht! :)
    Tja, ich wollte eigentlich nur zum Ausdruck bringen, daß es mit unser Tätigkeit des Denkens zusammenhängt, wenn wir heute andere Lesegewohnheiten haben - und das habe ich eben begründen wollen.


    Ganz bestimmt wollte ich keine Diskussion über das linke/rechte Gehirn-Thema starten. :rolleyes Ich weiß darüber nur recht vage Bescheid, so daß ich mich einer richtigen Diskussion nicht stellen könnte - aber ich weiß eben, daß bestimmte Klänge, Bildfolgen etc. denen wir ständig ausgesetzt sind, die Aktivierung meist brachliegender Gehirnregionen auslösen können.


    Doch was soll's! Ich könnte mir eben vorstellen, daß wir zerebrale Ursachen dafür finden können, andere denken eher an soziologische Ursachen, wieder andere sehen die Veränderungen in der Verlagslandschaft als möglichen Grund ... Tatsache ist wohl, daß wir uns heute neuen Bedingungen stellen müssen, und selbst, wenn wir genauso elegant wie Kafka oder James Joyce schreiben würden, hätten wir wohl keinen Erfolg mit einem solchen Stil, auch wenn ihre Werke noch immer gelesen werden.


    lg Merovee


    PS.: wie geht das denn genau mit dem Einfügen von Zitaten? Ich weiß, welcher Knopf zuständig ist, aber wie muß ich das machen???

  • Zitat

    Original von Horst DieterWer denkt heute noch an den ersten deutschen Literaturnobelpreisträger Paul Heyse?


    Ich.


    Wegen folgender Anekdote:
    Mein Vater sollte Abitur machen (in den 50er Jahren). In Deutsch auch, denn man hatte ja noch keine Auswahlmöglichkeiten. Sein Deutschlehrer hieß Heyse (Vorname unbekannt). Herr Heyse war – auch Ende der Achtziger, ich konnte mich selbst davon überzeugen, denn ich hatte meinen Griechisch.Kurs an der Uni bei ihm – durchaus ein kleiner Sadist, wenn es zu seinen Beziehungen zu den Schülern kam. Mein Vater wiederum war ein aufmüpfiger Rebell, der damals gerne provozierte. Also wählte er als Abiturthema Paul Heyse. Mit dem Erfolg, dass Lehrer Heyse explodierte, mein Vater aber coll antowrten konnte, dass Paul Heyse doch immerhin Literaturnobelpreisträger gewesen sei.


    So geht's. Wer hat denn mal was von ihm gelesen? Ist vielleicht gar nicht so schlecht?


    Zur Frage, ob man heute noch so schreiben darf: ICh denke, eigentlich nicht. Das heißt nicht, dass heute "solches" nicht gelesen wird. Ich lese ältere Texte sehr gerne, z.B. gerade Marie von Ebner-Eschenbach, die auf den ersten Blick auch sehr antiquiert wirkt, aber auf den zweiten, nämöich thematisch, sehr modern. Und die Frage, ob man heute seine Romane sehr ausschweifend beginnen kann, ist ja auch eine Frage, was man unter ausschweifend versteht: Fange ich bei Adam und Eva an (Zeugung oder gar noch vorher - das ist doch eine Familiensaga und davon gibt's genug :D) :D oder beschreibe ich jeden Fetzen Tapete in einem Zimmer (wie Thomas Mann, und der wird immer noch als DER Autor gesehen). Ich denke, man kann alles machen, amn darf nur nicht langweilen. Letzteres finde ich eher langweilig. Genauso habe ich mich auch nie für Karl May begeistern können als Jugendliche. Aber wer weiß, vielleicht jetzt? Und vor allem: Ich denke, dass es eventuell gerade in dieser Hinsicht eine Verschiebung der Interessen geben könnte, dass nämlich auch gerade Bücher dafür stehen könnten, dass man sich langsam in etwas hineinversetzt, nicht schnell wie im Film oder vor allem in Computer-Spielen. Insofern finde ich Deine Frage geradezu zukunftsweisend.


    Gruß,
    Karen

  • Zitat

    Original von Karen


    So geht's. Wer hat denn mal was von ihm gelesen? Ist vielleicht gar nicht so schlecht?



    Karen


    Nein und das weiter oben bereits genannte Hörbuch ist ein guter Einstieg. Wer lieber lesen will, kann zu einem Reclam Bändchen greifen


    ASIN/ISBN: 315008301X


    sonst ist kaum auf dem Buchmarkt etwas zu finden. Da muss man schon zu Booklooker oder ebay oder in Antiquariaten suchen. Aufbau hat vor ein paar Jahren eine gute Anthologie als Taschenbuch herausgegeben, die aber ebenfalls nicht auf Interesse stieß und dann verramscht wurde. Selbst in Anthologien wie "Deutsche Novellen aus tausend Jahren" oder so ähnlich wird Heyse inzwischen ausgespart, obwohl das nicht berechtigt ist. Verschweigen darf man allerdings auch nicht, dass die Werke der letzten Lebensjahre von Heyse nicht mehr das hergaben, was der Autor in den Jahrzehnten zuvor geschaffen hatte. Aber die Gefahr, an so etwas zu geraten ist sehr gering.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann