Juli Zeh: Spieltrieb

  • Metapherngewitter


    Die (vermeintlich) hyperintelligente Ada ist fünfzehn, hat zwei Klassen übersprungen, mußte aber die Schule wechseln, und jetzt ist sie am Bonner Ernst-Bloch-Gymnasium gelandet, wie auch Alev, der volljährige, hypersmarte Halbägypter, dessen Eloquenz einen jeden sofort in den Bann schlägt, und auch größer gewachsene Menschen kleiner erscheinen läßt, wie Zeh nicht müde wird, zu behaupten. Die beiden arrangieren sich auf obskure Art, irgendwo zwischen Verachtung, Respekt, Freundschaft und Abhängigkeit, und ihre selbstgesetzte Aufgabe wird das Spiel um die Vernichtung des freundlichen, polnischstämmigen Lehrers Szymon Smutek. Ada liefert die Geschosse, Alev schießt, und all das nur, weil die Langeweile des wertefreien Daseins kaum angemessene Beschäftigungen bietet für zwei so außerordentliche Sonderlinge, Archetypen einer Generation, wie Juli Zeh uns weiszumachen versucht.


    Denn der fast sechshundert Seiten starke Schmöker ist letztlich nur eines, nämlich eine metaphernüberfrachtete Selbstdarstellung der Autorin. Die Figuren funktionieren nicht und sind hanebüchen unglaubwürdig, die Handlung wird daherbehauptet, während Dialoge und szenische Darstellungen nur marginal belegen, was nach Autorinnenmeinung geschieht. Damit auch jene verstehen, denen die sperrige, überlastete Sprache so sehr im Weg steht, wie der "breitbeinige Donnerstag dem Freitag", liefert sie am Ende ein mehrseitiges Plädoyer der Protagonistin, in dem zum zigsten Mal unterstrichen wird, was der totale Werteverlust zur Folge hat, haben wird: Eine Spaß- und Spielgesellschaft ohne Tabus. Das mag auch alles noch angehen, aber die zehsche Sprache verklebt diese philosophische und inhaltlich durchaus intelligente Collage zu einem ungenießbaren, breiigen Monster, das ausschließlich Widerwillen auslöst.


    ASIN/ISBN: 3442733693

  • hi tom,


    danke für diese rezis. von juli zeh habe ich gottlob noch nichts längeres gelesen. aber was ich ausschnittsweise zb aus dem buch "man schreibt deutsh" (stefan gärtner) und ihren diversen kolumnen kenne, finde ich ebenfalls granz "grässlich", wie literaturentertainer MRR sagen würde.


    nach diesem erfolg scheint sie die lizenz zum schreiben - über alles und überall -zu haben. für mich ist sie im moment die größte nervensäge des öffentlichen lebens. hinweg mit ihr und dem feuilleton, welches sie hochgelobt hat.


    viele grüße,
    michael

  • Ich lese das grade, die Figuren finde ich auch extrem seltsam motiviert, die Handlung interessiert mich im Grunde nicht, aber in die Sprache könnte ich mich reinsetzen. Ein Genuss, ich tippe mir ständig Sätze ins Handy. Wo nimmt die Frau so einen Erfindungsreichtum her? Sicher, ein Teil der Metaphern geht auch in die Hose, aber den Großteil finde ich schon ziemlich ... eloquent.

  • 2006!

    Ich habe den dazugehörigen Film vor anderthalb Jahren angefangen zu schauen und mitten drin abgebrochen. Trotz toller Spieler, wegen derer ich den Film erworben hatte, hat es mich und auch die anderen die dabei waren, nicht gepackt… ich hab ihn noch will jemand?

  • Ich bewundere Juli Zeh sehr, für ihren Umgang mit Sprache, für ihr anschauliches und wohlgeplantes und durchdachtes Erzählen, aber zu diesem Buch hat sich meine Meinung nicht geändert. Ich hatte es nach "Unterleuten" noch einmal angefasst, aber alsbald wieder weggelegt.

  • Ja, das stimmt, auf die Dauer wird's anstrengend. Ich bin jetzt in der Mitte. Aber ich finde manche (sprachlichen) Wendungen so genial, dass ich mich weiter durch den Text fräse. Unterleuten und Über Menschen habe ich auch gelesen, die waren "glatter" und trotzdem noch außergewöhnlich. Es ist ja ziemlich viel Nominalisierung in ihrem Stil. Ich frage mich, ob es einen solchen Stil begünstigt, wenn man sich jahrelang durch Gesetzestexte quälen musste ;-) .

  • Da steckt fraglos eine Menge Genialität drin, obwohl ich manch ein Wortbild als massiv zu dick aufgetragen empfand (siehe Beispiel in der Rezension). Aber Juli Zeh hat m.E. inzwischen gelernt, das der Erzählung selbst unterzuordnen, was ihr damals noch nicht so gut gelungen ist. Wobei natürlich die Besonderheit dieses Plots - sie erzählt immerhin von hochintelligenten und im Wortsinn asozialen Menschen - da auch eine gewisse Rolle spielte.