ASIN/ISBN: 3596156963 |
Guten Gewissens beiseite legen.
Das Buch endet mit dem Satz: „Wie gut, dass wir offenbar keine anderen Sorgen haben“ – das fand ich beruhigend. Denn so ist das Buch nicht ärgerlich, sondern einfach nur langweilig.
In 23 Kapiteln beleuchtet Illies unser Gewissen und lässt uns eine „Reise in unser inneres Absurdistan“ antreten, „in dem uns die Gewissensbisse lustvoll quälen“. So zumindest der Klappentext. Von der „Mülltrennung“ bist zum „Modebewusstsein“, vom „Abweisen des Rosenverkäufers“ bis zum „egoistischen Sex“ behandelt er Gründe deretwegen wir ein Schlechtes Gewissen haben oder haben könnten. Im Anschluss folgt jeweils eine Übung, die uns immun machen soll gegen den speziellen Gewissensbiss. Das ist manchmal erhellend. Zum Beispiel wenn er ausführt, dass wir Deutschen mit einem exzellent funktionierenden schlechten Gewissen ausgestattet sind. Aber: „Wenn es dereinst in jedem deutschen Eiscafé Venezia einen Eisbecher Mussolini und in der Pizzeria San Marco Tagliatelle Berlusconi gibt, die wir ganz selbstverständlich bestellen, dann werden wir noch immer zusammenzucken, wenn jemand Reichstag sagt.“ Seine anschließende Übungsempfehlung zu einem entkrampfteren Deutschlandverhältnis: „ Heute gehen wir in das feinste italienische Restaurant unserer Stadt, ziehen uns Bundeswehrkleidung an, stellen uns mit unserer Familie vor das Buffet mit den gemischten Vorspeisen und singen die drei Strophen des Deutschlandliedes.“ Gegen schlechtes Gewissen durch ungesunde Ernähung empfiehlt er: „ Wir schneiden aus einem Lehrbuch für Zahnmedizin die übelsten Farbfotos von Paradontose und Zahnfäule aus und kleben diese über die Etiketten des Nutella-Glases und der Colaflasche.“
Das waren in meinen Augen die lustigsten Passagen. Mal abgesehen von der Formulierung „möglichst nicht zielorientiert, sondern ergebnisoffen zu streicheln“ – um unseren Liebespartner nicht unter Druck zu setzen. Ansonsten fehlt dem Buch die satirische Schärfe, vielleicht nutzt sie sich auch einfach nur ab.
Die Sprache klingt meist geschwätzig – wahrscheinlich das, was man als „angenehmen Plauderton“ bezeichnet, mich aber an Wachsjacken tragende BWL-Studenten erinnert, die sich bei einem Glas Chablis darüber unterhalten, ob sie sich den Namen ihrer Putzfrauen merken können oder wie sie vermeiden, dem Taxi-Fahrer seinen sozial unterprivilegierten Status deutlich zu machen. Auch zwei Themen des Buches. Genervt hat das ständige „wir“ und „man“: „Wenn man das Gefühl hat …“, „Hat man unter der Woche …“ – wobei das konzeptionell wohl den Fibelcharakter, das „Übungsbuch“, tragen soll.
Fazit: Eine lustige Idee, unser überempfindliches Gewissen durch spezielle Übungen abzuhärten. Leider sind die Textumsetzungen – bis auf wenige Ausnahmen – genauso banal wie der Alltag, in dem uns unser schlechtes Gewissen zu schaffen macht.
Empfehlung: Ein super Geschenk für Leute, die sich für die schlimme Unordnung entschuldigen, wenn die drei Ausgaben der „Schöner Wohnen“ nicht auf Stoß liegen.