Flug 2039 von Chuck Palahniuk

  • Da ich grade zu faul bin, mir selbst Gedanken zu machen, schreibe ich vom Schreiber des Klappentextes ab:


    In 39.000 Fuß Flughöhe diktiert Tender Brenson seine Lebensgeschichte der Blackbox eines Flugzeugs. Bis zu diesem Moment schien Brenson ein normales Leben zu führen.
    Tagsüber arbeitete er als Hausdiener, nachts übte er sich in telefonischer Seelsorge.
    Doch Brenson hat ein ganz besonderes Schicksal:
    Er ist der letzte Überlebende einer strenggläubigen, kultischen Gemeinde, deren Anhänger alle auf merkwürdige Art gestorben sind.
    Und auch Brensons Stunden sind gezählt, denn über den australischen Outbacks wird das Kerosin des Fluges 2039 verbraucht sein.


    "Obwohl ich niemals Bücher bespreche und mich nur selten zu einem äußere, hoffe ich, dass der nächste Roman von Chuck so wunderbar wird wie dieser." (Don DeLillo)


    Zum Autor:


    Chuck Palahniuk ist französisch-russischer Abstammung und 1962 geboren. Palahniuk hat mit seinen Romanen inzwischen Kultstatus erreicht und sich - seit dem sensationellen Erfolg von "Fight Club" - in die Riege amerikanischer Bestsellerautoren geschrieben. Der Autor lebt in Portland, Oregon.


    Meine Meinung:


    Besser als Don DeLillo könnte ich´ s nicht formulieren!


    Kleine Kostprobe:


    "Hast du vor, das Sandwich ganz allein zu essen?"
    Ich sage: Das ist mit Hackbraten. (...)


    Wir brauchen Geld, sagt Adam.
    Wir brauchen etwas Schlaf. Was zu essen. Aber er wisse, wo wir das kriegen könnten. Er kenne einen Ort, wo die Leute noch größere Probleme hätten als wir.
    Wir müssten nur ein bisschen lügen.
    "Von jetzt an," erklärt Adam, "habt ihr zwei ein Kind."
    Haben wir nicht.
    "Euer Kind ist todkrank."
    Ist es nicht.
    "Ihr seid in New Orleans, weil euer Kind hier ins Krankenhaus muss," sagt Adam. "Mehr braucht ihr nicht zu sagen:" (...)


    Die Heimleiterinsieht mich in den verbrannten Resten meines weißen Smokings an und fragt, warum unsere kleine Tochter im Krankenhaus sei. Gleichzeitig nennen wir drei verschiedene Krankheiten.
    Fertility sagt: "Skoliose"
    Adam sagt: "Polio"
    Ich sage: Tuberkulose. (...)


    Die Heimleiterin fragt, wie unsere Kleine denn heißt.
    Gleichzeitig sagen wir drei verschiedene Namen.
    Fertility sagt: "Amanda"
    Adam sagt:2Patty"
    Ich sage: Laura.


    Kleiner Nachtrag:
    Sorry, dass die Rezi so lang geworden ist, aber ich konnte mich nicht für ein kürzeres Zitat entscheiden...

  • Es kann nicht jeder in die Höhe steigen, insbesondere, da es ja auf der anderen Seite tief hinabgeht.


    Das ist ein Novum: dass jemand einen Klappentext abschreibt, das als Rezension ausgibt, dann Nichtssagendes von Don deLillo abschreibt, und bei alledem auch noch die Fehler des Klappentextes gleich mitkopiert.


    So viel Chuzpe muß man (oder Frau) haben! Er wäre schön gewesen, wenn der anonyme Autor des Klappentextes die 39.000 Fuß Flughöhe in ein metrisches Maß umgerechnet hätte, aber dazu fehlten wahrscheinlich das Wissen oder die Zeit oder beides.


    Man (Frau auch) kann einer Sekretärin etwas diktieren, aber nicht einer Blackbox, man kann nicht einmal in eine Blackbox diktieren. Das Gerät heißt auch gar nicht "Blackbox", sondern "Flugschreiber", aber macht nix, wenn ein anderer irgendeinen Blödsinn schreibt, dann schreibt man den am besten ab, denn das ist ja der Klappentext, und irgendeiner wird sich dabei schon was gedacht haben. Wie sagt Mephisto zum Studenten: Wenn einer viel redet, wird sich dabei auch was denken lassen.


    Der gute Chuck ist vielleicht ukrainisch-französischer Abstammung, in erster Linie ist er aber Amerikaner. Stand das auf dem Buch nicht drauf? Es soll ja den einen oder anderen Klappentextautor geben, der nicht Englisch kann, oder wenn, dann nur diese Art von Germisch, die man in diesem Land für Englisch hält. Darum nennt der Klappentexter einen "domestic servant" auch "Hausdiener", obwohl das "Hausangestellter" heißen muß. Also mißtrauen wir dem Klappentexter, geben ihm eins auf die Klappe und informieren uns selbst. Wo? Hier:


    Chuck Plahaniuk - Official Website


    Und wenn wir uns dann ein bißchen über "Flug 2039" informieren, dann stellen wir fest (was dem Klappentexter offenbar entging), dass das Buch im Original "Survivor" heißt, dass der Held eine passagierlose Boeing 747 in seine Gewalt gebracht hat, mit der er nun so lange kreuz und quer über Amerika fliegt, bis der Treibstoff aus ist usw. usw.


    Englischen Rezensionen entnehme ich, dass das Buch eine gute Satire auf Sektengründer, die Medien, den amerikanischen Starkult und vieles mehr ist, was dem Klappentexter jedoch alles entgangen ist, da er a) entweder über keinen Humor verfügt und nicht weiß, was eine Satire ist; oder b) das Buch gar nicht gelesen hat.


    Wer Fight Club gelesen hat, dem wird die ganze Geschichte einigermaßen bekannt vorkommen, aber Chuck wäre nicht der erst, der sein ganzes Leben lang das selbe Buch immer wieder von neuem schriebe.


    Und da wir hier einen korrekten Konjunktiv vorfinden, sollten wir vielleicht noch darauf hinweisen, dass der Klappentexter auch mit der consecutio temporum, also der Zeitenfolge größere Probleme hat. Der zweite Satz des Klappentextes müßte nämlich korrekt lauten: "Bis zu diesem Moment schien Brenson ein normales Leben geführt zu haben". Aber mein Gott, der Klappentexter wäre nicht der erste, der mit der deutschen Grammatik seine Schwierigkeiten hat.

  • @TWJ
    :anbet

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Häää... ?(


    Entschuldigung, aber sowas muss ich mir ja wohl nicht geben...Hab mich an den Rezensionen bei den Eulen orientiert (ja okay, ich weiß, was da jetzt gleich kommt...) und da hat es bisher immer gepasst...


    Zitat

    Das ist ein Novum: dass jemand einen Klappentext abschreibt, das als Rezension ausgibt, dann Nichtssagendes von Don deLillo abschreibt, und bei alledem auch noch die Fehler des Klappentextes gleich mitkopiert..


    Ja, ja, immer die blutigen Anfänger...


    Blachbox/Flugschreiber
    französisch-russisch/ukrainisch-französisch
    Hausdiener/Hausangestellter


    Entschuldige meine ausgewachsene Blödheit, TWJ! Wird nie wieder vorkommen, dass ich ein Buch nicht im Originaltext lese...


    Damit schönen Sonntag noch.

  • @ Sarah


    Ich will hier nicht zwei Foren in einen Topf werfen, aber da Du die Eulen mit ins Spiel gebracht hast: Da hat mich die Rezi ehrlich gesagt auch nicht besonders angesprochen, allerdings habe ich sie auch nicht weiter kommentiert, da mich das Buch nicht interessiert. Das soll es aber auch hier schon zum Thema "Rezis bei den Eulen" gewesen sein.
    (jede Diskussion sollte ja eigentlich in ihrem eigenen Forum ausgetragen werden).


    Sorry also an alle fürs Abschweifen.

  • @Batcat: Wollte die Rezi(oder was es sonst auch ist) nicht als gelungen bezeichnen, sie ist mit Sicherheit schwach bis schlecht, ich wusste nur nicht, dass hier bei Buchvorstellungen eine kleine Magisterarbeit gewünscht wird...Deshalb werd ich mich in Zukunft mit Buchbesprechungen zurückhalten, dann muss sich keiner mehr ärgern.

  • Ach, Sarah... fühl Dich mal nicht gleich auf den Schlips getreten.


    Eine Magisterarbeit im Rezischreiben erwartet keiner von Dir. Nicht hier und nicht anderswo.


    Was mich bei Deiner Rezi hauptsächlich stört ist, daß sie so wenige eigene Komponenten enthält. Was andere über ein Buch schreiben, kann ich auch bei Amazon etc. nachlesen. Bloße Zitate spiegeln nicht die eigene Meinung wider.


    Mich interessiert aber Deine Meinung über ein Buch. Was war daran gut, was war schlecht? Warum sollte man es lesen oder lieber die Finger davon lassen? Dazu brauchts keinen LitNob. ;-)


    Wenn ich mir meine ersten Rezis ansehe, dann schüttle ich heute auch den Kopf (viel zu kurz, viel zu lapidar etc.) - aber wenn man ein paar geschrieben hat, dann klappt das meist. Und beim Lesen der Rezensionen anderer merkt man auch, was man sich selbst in einer gelungenen Rezi wünscht.


    Also, nicht schmollen, sondern weiter rezensieren.

  • Zitat

    Eine Magisterarbeit im Rezischreiben erwartet keiner von Dir. Nicht hier und nicht anderswo.


    So ist es, Batcat! Hier erwartet überhaupt niemand irgendwas; das Niveau ist nach oben (und nun auch nach unten) offen.


    Zitat

    Was mich bei Deiner Rezi hauptsächlich stört ist, daß sie so wenige eigene Komponenten enthält. Bloße Zitate spiegeln nicht die eigene Meinung wider.


    Again: So ist es!


    Sarah: sag, was Du davon denkst, das reicht. Wie sagt Luther: Mach's Maul auf, tritt fest auf, hör bald auf!


    Was Don DeLillo davon hält, kann man woanders nachlesen. Und überhaupt lesen: wenn Du meine Schelte etwas genauer liest, dann stellst Du fest, dass ich nicht Dich gescholten habe, sondern den anonymen Klappentexter. Deine Aufgabe wäre es gewesen, dessen Schwachsinn nicht einfach so zu übernehmen, sondern kritisch zu kommentieren. :blume

  • Hier dann also meine eigene Meinung über das Buch:


    Mir hat besonders gut gefallen, wie Palahniuk die Handlung aufbaut, will heißen, es gibt zahlreiche Schauplätze, Nebenschauplätze, Figuren, die entweder keinerlei Auswirkungen auf die Handlung haben, oder aber Figuren, die regelrecht als Katalysatoren wirken.


    Palahniuk entlarvt in Flug 2039 die Bigotterie der Menschen und zwar sowohl durch seine Figurenzeichnung, als auch in stilistischer Hinsicht.


    Besser?

  • Ich fand "Flug 2039" damals nicht so prickelnd (mag Palahnuiks Bücher ansonsten recht gerne):


    Tender Branson war der zweitgeborene Sohn - schicksalhaft, in mehrerlei Hinsicht. In der Kirchenkolonie der "Credisten" hieß jeder erstgeborene Sohn Adam, durfte in der Kolonie bleiben, selbst eine Familie gründen, sogar Kirchenältester werden, also eines der Oberhäupter. Die - zumeist zahlreichen - männlichen Nachzügler wurden allesamt "Tender" getauft, gingen durch eine harte, intensive Schule und wurden kurz nach der Weihe, etwa mit dreizehn, in die böse "Außenwelt" entlassen, um dort einem bereits lange vereinbarten, durch den Kolonievorstand vereinbarten Job nachzugehen, bis ans Lebensende, etwa als Gärtner, Laufbursche oder, im Falle Tenders, als Hausdiener bei einer Familie grenzdebiler Neureicher. Für diese Außenweltler galten harte Regeln - und fast sämtliches Geld, das sie verdienten, floß zurück in die Kolonie - ihre Arbeitskraft und -moral war in der Außenwelt gefragt. Bis zu dem Tag, an dem ein Verrat die "Erlösung" anstieß, den gemeinschaftlichen Selbstmord der Sektierer. Natürlich hätten auch alle Außenweltler Suizid begehen müssen, viele taten es, bei einigen schien jemand nachzuhelfen. Letztlich blieb nur Tender Branson am Leben, wie er glaubte. Ein findiger Agent machte aus dem etwas dicklichen, unansehnlichen Burschen, der nichts gelernt hatte, als Befehlen Folge zu leisten und für jede noch so skurrile Haushaltssituation das richtige Mittelchen bereit zu halten, einen gutaussehenden, durchtrainierten, durch Pharmazeutika hochgezüchteten Superstar, einen Messias, einen Erlöser - schließlich war er der letzte Überlebende seiner Sekte. Ein etwas seltsames Mädchen namens Fertility unterstützte seine Karriere heimlich, denn sie verfügte über die Kraft, Katastrophen vorherzusehen, ließ Tender Wunder wirken, eben jene Katastrophen vorhersagen. Und außerdem war da noch Adam, Tenders großer Bruder, der zweite, heimliche Überlebende der "Credisten" ...


    Chuck Palahniuk war Lieferant der literarischen Vorlage zu "Fight Club". In diesem Buch, das Tender Branson in die Black Box eines vermeintlich bald abstürzenden Passagierflugzeuges diktiert, sind reichlich gute Ideen und witzige Passagen leider ziemlich brachial, verwirrend und unsauber verheizt worden. Die Hauptfigur tändelt zwischen Lakonie, debiler Passivität, Lebenslust und -frust, das Buch entwickelt sich in einigen Passagen nur schwer nachvollziehbar, schlägt dann in slapstickhafte Turbulenzen um, bricht häufig mit sich selbst, ist aber vor allem sprachlich eine Katastrophe. Schade.


    ASIN/ISBN: 3442541670