Caroline Alexander: Die Bounty

  • Caroline Alexander: Die Bounty


    Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty. Aus dem Amerikanischen von Fr. Griese. Berlin Verlag. Berlin 2004.


    ASIN/ISBN: 3827001633


    Diese Geschichte kennt jeder: am 28. April 1789 verfrachten 18 Matrosen unter dem Kommando das Offiziers Fletcher Christian den Leutnant William Bligh in das Beiboot der Bounty. 22 Männer steigen mit Bligh in das Boot und segeln auf abenteuerlichem Wege nach niederländisch Timor, von wo sie schließlich England erreichen. Fletcher Christian und seine Meuterer segeln einige Monate durch die Südsee, bevor sie sich auf der Insel Pitcairn niederlassen, wo sie alle bis auf einen in den nächsten sechs Jahren von den Eingeborenen umgebracht werden.


    Nachdem Bligh im März 1790 die Meuterei gemeldet hat, schickt die britische Admiralität das Kriegsschiff Pandora aus, die Meuterer zu finden. Die Pandora findet 14 von ihnen auf Tahiti, von wo zehn zurück nach London gebracht wurden. Drei werden aufgehängt, vier freigesprochen und drei begnadigt.
    Die Geschichte der Bounty wurde vier Mal verfilmt. Die Geschichte wurde in allen Verfilmungen immer auf sie selbe Weise dargestellt: die Mannschaft des winzigen Schiffes, das Brotfruchtbäume aus der Südsee nach Jamaica bringen soll, leidet unter dem despotischen Bligh, der Offiziere und Matrosen so lange demütigt und schikaniert, bis die Mehrheit der Besatzung meutert. In allen Verfilmungen wird die harsche Disziplin der britischen Kriegsmarine und Blighs Despotismus mit dem paradiesischen Leben der Eingebornen auf Tahiti kontrastiert.


    In Wirklichkeit soll sich das aber alles ganz anders abgespielt haben. Das behauptet zumindest die Hobbyhistorikerin Caroline Alexander. Sie erzählt uns nun die „wahre“ Geschichte der Meuterei auf der Bounty.


    Aber was ist die wahre Geschichte? Nach 531 Seiten Text und 79 Seiten Quellenangaben und Literaturverzeichnis ist das keineswegs klar. Zu den lange bekannten Fakten hat die Autorin nichts Neues hinzuzufügen. Neu ist einzig die Behauptung der Autorin, dass Bligh nicht der Tyrann war, als den ihn die Geschichte hingestellt hat. Und das, obwohl es einem aus dem ganzen langen Buch förmlich entgegenschreit, dass Bligh nicht anderes als ein Tyrann war.


    Wie macht man nun aus einem Despoten einen zwar strengen, aber verantwortungsbewußten Offizier, der nur das Beste für Schiff und Mannschaft im Sinn hat? Nun, man (oder Frau) diskutiert alle die, auch von der Autorin eingestandenen, Zornesausbrüche und Schikanen Blighs („Der Ruf, jähzornig zu sein, hing Bligh sein Leben lang an“. S. 189) einfach weg.


    Am Schluß steht fest, dass die Meuterer zu ihrer Meuterei überhaupt keinen Grund gehabt hätten. Aber wenn es keinen Grund gab, warum brach dann eine Meuterei aus? Darauf weiß Frau Alexander nur eine Antwort, und die ist es wert zitiert zu werden: Es war das Pech von ... Bligh, dass sein großes Abenteuer zeitlich genau mit dem Anbruch dieser neuen Ära (gemeint ist die Zeit der Franz. Revolution und der Romantik) zusammenfiel, welche die Hingabe an einen Ehrenkodex und seine etablierte Autorität als nicht so ehrenvoll betrachtete wie die Verherrlichung individueller Leidenschaften und Freiheiten (S. 439).


    Es waren also Zufall und eine geistige Zeitströmung, die die Meuterer erfasste (von der Bligh offenbar unberührt blieb). Zufälligerweise ist dies auch die Zeitströmung, die die Menschenrechte, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und den demokratischen Rechtsstaat hervorbrachte. Die Männer hinter dieser Zeitströmung heißen Voltaire, Diderot, Montesquieu, Rousseau, Th. Paine und Th. Jefferson.


    Schließlich wären noch Aufarbeitung und Sichtung der Quellen zu nennen. Beides ist naiv, theorielos und wenig selektiv. Es ist nicht die Aufgabe eines Historikers, hunderte und aber hunderte von Quellen auszugraben und unterschiedslos daraus zu zitieren, weil sie irgendwie alle mit der Geschichte der Bounty zu tun haben. Es wäre die Aufgabe der Autorin gewesen, die wichtigsten Quellen auszuwählen, diese vor dem Hintergrund der Zeit, aber auch im Lichte moderner Forschung, zu interpretieren und abschließend zu werten. Nichts davon hat sie getan.


    Ein Beispiel muss genügen. So heißt es über die französische Revolution: 1789 war die Bastille vom Pöbel genommen worden, König und Königen saßen gegenwärtig in Haft, und ihnen drohte ein schimpflicher, brutaler Tod. (S. 281) Kein moderner Historiker würde so über die französische Revolution schreiben. Die Bastille ist nicht genommen, sondern gestürmt worden, und zwar vom Volk bzw. dem Dritten Stand, und nicht dem Pöbel.


    Fazit: Eine vollkommen missglückte Darstellung eines historischischen Ereignisses, so schlecht, dass es mit den wohlbekannten Werken der Geschichtsklitterung aus totalitären Regimen jederzeit mithalten kann.


    Da hilft dann die wirklich schöne Ausstattung des Buches (Leineneinband, Lesebändchen, hervorragende Seekarten und mehr als 50 Illustrationen) auch nicht mehr.