Eine Katastrophe ist immer ein guter Romananfang (Rebecca Gablé)

  • »Eine Katastrophe ist immer ein guter Romananfang, finde ich. Das Publikum begegnet den Figuren in einer Extremsituation – ein Identifikationsangebot, dem man sich schwer entziehen kann. Mitgefühl und Sympathie werden gleich zu Anfang geweckt, und sofort ist der erste, kleine Spannungsbogen eröffnet: Wird der Junge es aus dem brennenden Stall schaffen? Ist er verletzt? Wie verkraftet sein greiser Vater die Situation? Springt das Feuer auf andere Gebäude über? Werden die Pferde gerettet? Für jeden Leser, jede Leserin ist irgendetwas dabei, worum er oder sie sich sorgen kann, und schon hat man sie.«
    Das ist schon richtig -- aber eine gefährliche Aussage! Katastrophen muß man können. Mit einem Riesenknall in eine Geschichte einzusteigen, ist wirklich nix für Anfänger.
    Und es muß passen; ein Riesenknall zu Beginn eines Romans, in dem es dann über eine längere Strecke gemächlich zugeht, weil man schon am Anfang sein Pulver verschossen hat, ist dramaturgisch tödlich.


    Alles hat seine Vor- und Nachteile -- und nicht alles paßt überall hinein.

  • Die letzten historischen Romane oder Romane mit historischen Elementen, die ich gelesen habe, weisen ärgerlicherweise gehörige Anteile von Infodump auf. Auch wenn sie immer mit irgendwelchen Knallern anfingen. Spätestens nach 10 Seiten begannen diese Dialoge, in denen sich mehrere Personen über Sachverhalte belehren, über die sie als Zeitgenossen eigentlich bestens Bescheid wissen müßten.


    Bekanntlich liegt so was aber nicht nur an den Autoren. :zwinker


    Trotzdem ist mir das Genre inzwischen reichlich zuwider. Auch wenn ich selbst drin tätig bin. Aber dann weiß man auch, was verlagsseitig -- leider -- verlangt wird. :(

  • Zitat

    Original von Iris
    Bekanntlich liegt so was aber nicht nur an den Autoren. :zwinker


    Trotzdem ist mir das Genre inzwischen reichlich zuwider. Auch wenn ich selbst drin tätig bin. Aber dann weiß man auch, was verlagsseitig -- leider -- verlangt wird. :(


    Jetzt sag bloß, die Lektoren verlangen Infodumps oder Dialoge a la:


    "Du weißt doch, dass unser König gerade gestorben ist, nicht wahr?"
    "Natürlich weiß ich das. Deshalb reiten wir ja nach London. Um bei der Krönung des neuen, die in einer Woche im Tower stattfindet und die der Erzbischof von Canterbury, der schon seit zehn Jahren Erzbischof ist und ein stattlicher Mann mit grauen Schläfen, mit denen er seine fünf Geliebte betört, wenn er keine Intrigen gegen den Lordkanzler schmiedet, abhalten wird, teilzunehmen."


    von Verlagen favorisiert werden. Das würde immerhin einige Bücher erklären, die ich in letzter Zeit lesen musste.


    Hans Peter

  • Lesen durfte ich so was inzwischen auch schon des öfteren. Meistens in Romanen, die auf diese Weise ihrer auch erzähltechnisch fragwürdigen Handlung gespickt mit unmotivierter Rumvögelei das Etikett "wertvoll" aufzupappen versuchen ...


    Offenbar gibt es eine ausreichende Zahl an Lesern, die mit diesem Niveau zufrieden sind. :achsel


    Und da beim Geschäftemachen heute eisern die 80/20-Regel angewendet wird ...

  • Zitat

    Original von hpr
    Was ist die 80/20 Regel? 80 Prozent saure gurken vom Vorjahr, zwanzig prozent diesjährige?


    :rofl


    Nein, sie besagt: "80 % meines Umsatzes mache ich mit 20 % meiner Kundschaft -- wenn ich mich auf die beschränke, habe maximalen Ertrag bei minimalem Aufwand."