Chill out with Rachmanninoff

  • Guten Abend Freunde!


    Das Leben ist hart, noch härter ist der Literaturbetrieb, und am allerhärtesten ist natürlich Niederbayern - insbesondere jetzt, da Edmund Stoiber nicht nach Berlin geht, sondern nach Bayern zurückkehrt!


    Da müssen wir uns alle ein bißchen beruhigen - Chill Out mit Musik.


    Ganz klar, die Musikgeschmäcker hier sind verschieden; die Zillertaler Schneebruntzer hören die einen, Franz Ferdinand, Eminem und Bushido praktisch alle anderen - und ich höre Leif Ove Andsnes.


    Wer ist ....? Ich weiss, ich weiss ... der Name ist nicht gerade starverheissend. Wäre er Rockmusiker, dann würde er sich villeicht einfach "Björn" nennen, oder "Adolf K." oder "Zeal" oder irgendsowie.


    Andsnes ist aber Pianist, also kann er unter seinem eigenen - zugegebenermaßen etwas ungünstigen - Namen auftreten. Aber was er für ein Pianist er ist. Er ist Mitte 30 und gehört mit Lang Lang, Jewgenij Kissin, Konstantin Sherbakov, Marc-André Hamelin und Helene Grimaux zu den besten Pianisten der jüngeren Generation.


    Er hat gerade das erst und zweite Klavierkonzert von Sergei Rachmaninoff aufgenommen. R. hat vier Klavierkonzerte geschrieben und diese gehören zum besten, was im 20. Jahrhundert überhaupt komponiert wurde. Es sind große, virtuose, spätromantische Schinken von - und hier paßt dieses Adjektiv mal - betörender Melodik.


    R. war ein Komponist, der eine große Melodie erfinden konnte, die über 100 Takte nicht abreisst (2. Satz aus seiner 2. Symphonie). Viele Filmpartituren bis zum heutigen Tag orientieren sich an R. Wenn der Cowboy nach getanem Mord in den Abend hineinreitet, wenn zwei Liebende nicht zueinander kommen können, oder wenn der sympathische Held am Schluss sterben muss - dann gibt es einige Filmkomponisten wie Danny Elfman, John Williams oder Jerry Goldsmith, die das ganze Orchestern aufjaulen lassen, dass Du glaubst, R. persönlich stünde hinter ihnen.


    Hier könnt Ihr reinhören


    Andsnes spielt Rachmanninoff


    Das sind wirklich schöne Aufnahmen und mir fällt niemand außer Svjatoslav Richter oder Martha Argerich ein, der diese Konzerte schöner gespielt hätte.


    Für die wirklichen Fans: seine Einspielung des Klavierkonzertes von Edvard Grieg ist auch herorrragend, und seine 2. Sonate von Chopin (die mit dem Trauermarsch) ist die beste Einspielung seit Pogorelich.


    Wenn die einzige Klassik-CD in Eurem Regal bislang die Jahreszeiten von Vivaldi (mit I Musici, oder?) waren, dann dürft Ihr nun getrost den Schritt zur Zweit-Klassik-CD wagen und Ove (sagt so eigentlich seine Freuden ihm? "Ove hör' auf zu üben und komm jetzt endlich ins Bett") mit R. kaufen.


    Chill till you drop!

  • Ich hab Martha Argerich! :P


    Aber danke für den Tip, der hat bestimmt noch mehr Russen eingespielt, gell?


    (Tja, das mit dem Stoiber tut mir leid. Irgendwie hat Frau Nahles den Spruch "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin" im falschen Moment wörtlich nehmen wollen, jetzt kommt so manche/r nicht dahin, wo sie/er hinwollte ...)


    PS: Ich kann 's nachempfinden. Ich habe, obwohl Rheinländerin, 10 Jahre in Bayern gelebt. Im tiefsten Oberbayern. Ich denke, ich kann 's wirklich nachempfinden ...

  • Martha Argerich ist großartig und wäre auch meine erste Wahl! Aber Ove (das ist bestimmt die norwegische Version von "Uwe") ist genau wie die Argerich, die ja die unweiblichste aller Pianistinnen ist und viele männliche Konkurrenten in Grund und Boden spielt, ein Pianist mit großem Ton, glänzender Technik und wirklichem Impetus.


    Ove spielt viel Grieg, klar, auch Schubert, Chopin, Mozart und Haydn - aber bislang gibt es noch keine Aufnahme vom 1. Tschaikowsky. Wenn er das mal aufnimmt, dann kaufe ich die.


    Martha Argerich (Claudia - liest Du das?) ist für mich eine wirklich emanzipierte Frau bzw. eine Frau, die wirklich kompromisslos ihren Weg gegangen ist, auch wenn das bedeutet, dass sie sehr viele Konzerte absagt - und ich sie nur zweimal in 25 Jahren life gehört habe. Aber Frau, Mann - hin oder her, - es gibt Menschen, die sind so gut, dass sich die Frage doch gar nicht stellt. Und das sind dann Küpnstlerm, die man nicht in irgendeine geschlechtsspezifische Schublade stecken kann oder will.


    Mir geht es auch immer so bei Patricia Highsmith - die Qualität ihrer Bücher ist so hoch, dass sich Interpretationen, die auf das Geschlecht der Autorin abzielen und dadurch was erklären wollen, doch gar nicht notwendig sind. Die Texte stehen ganz für sich!

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Mir geht es auch immer so bei Patricia Highsmith - die Qualität ihrer Bücher ist so hoch, dass sich Interpretationen, die auf das Geschlecht der Autorin abzielen und dadurch was erklären wollen, doch gar nicht notwendig sind. Die Texte stehen ganz für sich!


    Man sollte sich ohnehin nicht vom Geschlecht eines Künstlers verleiten lassen, die Werke zu interpretieren. Dabei kommt ziemlich viel Mist heraus.

  • Zitat

    Das Leben ist hart, noch härter ist der Literaturbetrieb, und am allerhärtesten ist natürlich Niederbayern - insbesondere jetzt, da Edmund Stoiber nicht nach Berlin geht, sondern nach Bayern zurückkehrt!
    [...]Wer ist ....? Ich weiss, ich weiss ... der Name ist nicht gerade starverheissend. Wäre er Rockmusiker, dann würde er sich villeicht einfach "Björn" nennen, oder "Adolf K." oder "Zeal" oder irgendsowie.


    Andsnes ist aber Pianist


    Also deine Beiträge haben alle schon so einen eigenen Touch, dass ich fast schon die CD kaufen würde. Obwohl ich absolut unmusikalisch bin und außerdem von vier Jahren Klavierunterricht restlos und für alle Zeiten von Klassik befreit wurde ....


    Go on, Th. Jefferson


    Hans Peter

  • Hans Peter,


    diese CD kannst Du wirklich kaufen. Wenn ich es vermeiden kann, empfehle ich ich nie Sch.... Halt, stop: ich habe mal 1992 jemandem Frank's Wild Years von Tom Waits empfohlen, und der spricht seitdem nicht mehr mit mir. Ist trotzdem eine gute CD!


    Die Konzerte von R. sind hervorragend, Pianist und Orchester auch, und das ist Musik, die kann man auch mal im Hintergrund laufen lassen, wenn man ein gutes Buch liest.


    Also 4 Jahre Klavierunterricht, das ist doch was. Da macht man doch mit einigem Bekanntschaft, oder? Sonatinen von Clementi und Kuhlau, die 2stimmigen Inventionen von Bach, Czerny natürlich, bißchen Burgmüller vielleicht, Hanon (kommt auf den Lehrer drauf an), die Sonate KV 545 von Mozart (Sonata facile - was überhauot nicht stimmt).


    Wäre jetzt nicht die Zeit, hier anzuschließen? :)

  • Zitat

    Also 4 Jahre Klavierunterricht, das ist doch was. Da macht man doch mit einigem Bekanntschaft, oder? Sonatinen von Clementi und Kuhlau, die 2stimmigen Inventionen von Bach, Czerny natürlich, bißchen Burgmüller vielleicht, Hanon (kommt auf den Lehrer drauf an), die Sonate KV 545 von Mozart (Sonata facile - was überhauot nicht stimmt).


    Wäre jetzt nicht die Zeit, hier anzuschließen? :)


    Gott, wer ist Clementi, Kuhlau, Burgmüller, Hanon? Bach und Mozart kenn ich wenigstens. Einmal hat der Klavierlehrer mir Bartok gegeben, nicht ohne die Warnung: "Klingt ein bißchen schräg". War das einzige Stück, das ich gerne gespielt habe. Manchmal pfeife ich es sogar noch.


    Ansonsten war es furchtbar und die anderen Stücke will ich gar nicht mehr hören. Wollte ich damals schon nicht, musste ich aber. Na gut, das war Anfang der Sechziger, da war Musik eben so spannend wie die neuesten Verlautbarungen der heiligen Inquisition ...


    Hans Peteer