Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London (9 Romane, „Peter-Grant-Reihe“)

  • Terry Pratchett, Joanne K. Rowling und Douglas Adams zusammen mit Neil Gaiman in dessen Sauna


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    Von Aaronovitch hatte ich, was etwas überraschend ist, bislang noch nicht gehört – und bin durch die Empfehlung eines Freundes an dessen Werk geraten. In der Folge habe ich die bislang neun Romane aus der Urban-Fantasy-Reihe „Die Flüsse von London“ während der letzten Wochen quasi am Stück gelesen. Es gibt ergänzend dazu noch einige Kurzgeschichten und Novellen, ein paar Fortsetzungen als Graphic Novels und außerdem einen Spin-Off, der in Amerika spielt, aber ich bin beim Hauptstrang geblieben und werde auch nicht ausscheren; wenn Literatur zum eigenen Merchandising wird, ist das nicht so mein Ding. Die Haupt-Romane sind zwischen 2011 und 2022 entstanden. Ihr Protagonist und Ich-Erzähler ist Peter Grant, ein junger Police Constable bei der Metropolitain Police von London („Met“), dessen Familie aus Sierra Leone stammt.


    Im Prinzip liest sich das, als hätten Terry Pratchett, Joanne K. Rowling und Douglas Adams zusammen einen draufgemacht und wären danach mit Neil Gaiman in dessen Sauna versackt. Und genau deshalb mag ich die Reihe auch, zumal sie keinen Hehl daraus macht, aus welchem reichhaltigen Fundus all die Anlehnungen und Weiterentwicklungen stammen. Aber Aaronovich verbindet das mit gehörigen geschichtlichen, linguistischen und soziologischen Kenntnissen sowie einer Menge Informationen über London und das Britische Königreich, doch im Kern der ganzen Sache geht es um nicht weniger als: Magie.

    Denn obwohl keiner so richtig weiß, wie sie funktioniert, gibt es sie. Sie ist zwar nicht im Alltag der Normalmenschen verankert, aber doch im Bewusstsein der Kriminalen, weil sie von Kriminellen eingesetzt wird, und deshalb gibt es eine Spezialabteilung der Met, die sich mit „abstrusem Scheiß“ befasst. Ihr Chief ist der außerordentlich magiebegabte Thomas Nightingale, der offenbar fast hundert Jahre auf dem Buckel hat, aber seit den Siebzigern aus bisher ungeklärten Gründen nicht mehr altert. In einem historischen Gebäude namens „Folley“ residiert diese Abteilung, die bis zum Auftreten von Peter Grant nur aus Nightingale, einer verhuschten Haushälterin namens Molly und dem Mischlingshund Toby besteht.

    Aber Magie ist erlernbar, und Grant erweist sich als talentiert, weshalb er für die halb geheime, halb belächelte, halb unverzichtbare Abteilung rekrutiert wird. In der Folge taucht er in eine Welt ein, die ihm bislang unbekannt war, und in der es nicht nur Magie gibt, sondern eigenartige Wesen, mehrschichtige Realitäten, Götter und, vor allem Göttinnen. Davon sind nicht wenige mehr als real, denn jeder der vielen (zumeist unterirdischen) Flüsse Londons hat einen eigenen Gott oder eine eigene Göttin, und in eine davon, die resolute, aber im Wortsinn zauberhafte Beverly Brook (das ist der Name eines Wasserlaufs zwischen Cuddington Park und Worcester Park), verguckt sich Peter. Aber das ist in gewisser Weise eine Vorwegnahme ...


    Ein vielzitierter Rezensent schrieb, die Peter-Grant-Romane seien „wie Harry Potter auf Speed“, was ein hübscher Vergleich ist, aber nicht den Kern trifft. Aaronovich ist ein kluger, wissensreicher Erzähler, der die hohe Kunst der Lakonie perfekt beherrscht, weshalb vor allem die ersten drei, vier Romane der Reihe vor Witz sprühen und mit fast schon inflationär-trockenem Humor beseelt sind. Aaronovich nimmt die britische Gesellschaft und ihre Macken nachhaltig auseinander, ohne dabei respektlos zu sein, er geht mit Sparmaßnahmen, Korruption, Rassismus (er erwähnt konsequent bei weißem Personal die Hautfarbe) und geschichtsversessenem Traditionsbewusstsein ins Gericht, er zeichnet ein düster-liebevolles Bild von London, garniert seine Erzählungen also mit genau der Hassliebe der eigenen Heimat gegenüber, die wir an den Briten so mögen. Dazu kommt noch, dass die Plots sehr klug ausgedacht und akribisch aufgebaut sind, aber fast schon ein bisschen zu akribisch, und wenn man nicht sehr konzentriert liest, schwemmt einen die Figurenflut einfach davon. Am Ende des siebten Romans etwa hatte ich nicht die leiseste Peilung, wer da gerade wer war. Und nicht nur da.


    Leider baut die Reihe mit der unvermeidlichen Routine, die so ungefähr ab dem fünften Roman erkennbar wird, auch etwas ab. Der Witz wird rarer, die brillanten Einfälle lassen nach, das Hauptaugenmerk verschiebt sich auf die emotionale Ebene, und auch Peters Heldenmut wird allmählich zu einer unspektakulären Selbstverständlichkeit. Nichtsdestotrotz bleibt es spannend und sehr lesenswert, und es schmälert das große, kluge Vergnügen, das diese Reihe bereitet, kein bisschen.


    Nicht nur für Fans von Urban Fantasy sehr empfehlenswert, aber das wissen die meisten ja sowieso schon, denn Aaronovichs Auflage allein in Deutschland ist siebenstellig.



    ASIN/ISBN: 3423213418


    ASIN/ISBN: 3423213809


    ASIN/ISBN: 3423214481


    ASIN/ISBN: 3423215070


    ASIN/ISBN: 3423216026


    ASIN/ISBN: 3423216689


    ASIN/ISBN: 3423217669


    ASIN/ISBN: 3423262788


    ASIN/ISBN: 3423263318

  • Tolle Beschreibung der Reihe! Ich stimme in allem zu, Fantasy auf Droge. Irgendwann hab ich mich in all dem fließenden Personal verloren und war trotzdem weiterhin irre gut unterhalten.