Ilja Trojanow - Tausend und ein Morgen

  • Eine Gruppe "Chronauten" lebt in einer Zukunft der Glückseligkeit und versucht, per Zeitreisen in die Vergangenheit einzugreifen, um für die Menschen das Leben in den schlechteren Zeiten besser zu machen. Trojanow fabuliert das mitunter toll, beispielsweise den Versuch, Piraten und Sklaven in der Karabik des 16. Jahrhunderts zusammen zu bringen, um gemeinsam den Kolonialismus zu besiegen. Kontrafaktisches Denken, sich die Welt anders vorzustellen statt vor den Umständen zu kapitulieren, weil diese angeblich nicht veränderbar seien, wird hier in fantasiereichen Erzählungen anschaulich. So sehr Trojanow aber mit vielem in seiner Weltsicht recht hat, und so weise viele seiner Einsichten auch sind, literarisch funktioniert sein Roman nicht. Wie die FAZ zurecht feststellt, entsteht aus der Saturiertheit der Problemlosigkeit keine Spannung (die Chronauten können auf ihren Zeitreisen nicht sterben), die die Geschichte über 500 Seiten tragen würde. Nennenswerte Konflikte entwickeln sich erst sehr spät und nur im Umgang mit dem "Damalsdort". Das Problem der abgehobenen Perspektive wird durch den Pathos in der Erzählstimme noch verstärkt (in einer besseren Dramaturgie wäre sie stark), und der Erzähler stülpt dem Geschehen nicht nur seine immer wieder geschilderte Weltsicht über, sondern übererklärt auch die Gedanken seines Personals. Da hilft auch das Unterhaltungselement einer KI nicht, die auf den Zeitreisen mit ihrem antrainierten Weltwissen assistiert, und der menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Wer sollte eine KI so programmieren, dass sie ihre Benutzerinnen mit ihrer Schlaumeierei nervt? Ich war mir nicht sicher, ob ich das kritisieren soll, wird sich die KI vielleicht irgendwann doch verselbständigen; aber ich tue es dann doch, weil ich das Ende des Romans um diese KI schwach finde.