Wer hat Palomino Molero umgebracht?

  • ASIN/ISBN: 3518382861


    Ein Krimi. Er beginnt und endet mit dem selben Ausruf: "Himmelherrgottscheißenochmal". Der Roman spielt 1954 in Peru, während der Militärregierung unter General Odria.


    Die Leiche eines jungen Mannes wird an einem Baum gefunden. Man hat den Jungen gleichzeitig erhängt und aufgespießt, in grotesker Position. Er ist zusammengeschlagen worden, vor seinem Tod oder noch danach: Nase und Mund sind aufgeplatzt, sein Körper bedeckt mit Blutgerinseln, blauen Flecken, Rissen in der Haut und Verbrennungen von Zigaretten. Seine Hoden hängen ihm langgezogen herab bis auf die Innenseite seiner Oberschenkel. Er ist anal penetriert worden.


    Wer zum Teufel hat das getan? Diese Frage beantworten sollen Gendarm Lituma und Leutnant Silva. Lituma ist einfältig, und Silvas Spürsinn leidet dadurch, dass er dauergeil auf eine dicke, verheiratete Wirtin ist, die seine Mutter sein könnte. Außerdem haben die beiden Polizisten kein Auto. Sie müssen also für die Verhöre immer zwischen den Orten der Gegend hin- und herlaufen und hoffen, dass ein Auto sie als Anhalter mitnimmt.


    Die geschundene Leiche ist Palomino Molero, ein Cholo: ein Indio, ebenso wie Lituma. Ein Thema des Romans ist Rassismus. Doch wichtiger noch scheint mir die Frage: Was ist Wahrheit? Denn der Kriminalfall wird nicht aufgelöst. Man steht als Leser am Schluss mit mehreren Möglichkeiten da. Silva formuliert es einmal so: "Nichts ist einfach, Lituma. Wenn du die Wahrheiten, die am wahrsten wirken, oft genug hin und her wendest, wenn du sie aus der Nähe betrachtetst, dann sind sie es nur noch halb oder gar nicht mehr."


    Die Ermittlungen allerdings sprühen nicht gerade vor Intellektualität. Sie laufen immer so ab, dass Leutnant Silva bei jedem Zeugen ordentlich auf den Busch klopft, bis der sich verplappert oder etwas Brauchbares erzählt.


    Lituma und Silva werden am Ende jedenfalls strafversetzt, in eine noch traurigere Gegend. Ich gehe davon aus, dass ich den beiden in "Tod in den Anden" wiederbegegnen werde, einem weiteren Krimi Vargas Llosas, der ein paar Jahre später erschien. "Palomino Molero" war als Snack zwischendurch gedacht, weil ich mich an Vargas Llosas' "Das grüne Haus" erst in der Ruhe der Weihnachtstage herantrauen möchte. (Wiki schreibt dazu: "Das Buch ist keine Lektüre für einen am Feierabend abgespannten Leser." Mitte der 60er hing Vargas Llosa noch seinem Konzept des 'totalen Romans' an und war außerdem noch Sozi. ;-) Muss aber ein geiles Buch sein.) Für einen reinen Snack hat "Palomino Molero" aber zu viel Klasse. ("Plötzlich miaute irgendwo eine Katze.") Der Roman wirkt nach in mir. Bei Dürrenmatts "Versprechen" geht es ja darum, dass die Wahrheit zwar bekannt ist, der Ermittler den Mörder aber nie finden wird. Bei "Palomino Molero" hat man am Ende zwar auch irgendeine Lösung. Aber wie genau sie aussieht und was dahinter steckt, das bleibt Spekulation.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)