Hans Werner Richter: Spuren im Sand. Roman einer Jugend

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    Handlungsort ist ein Seebad auf der Insel Usedom, Handlungszeit beschreibt der Autor folgendermaßen:


    Zitat

    Als ich geboren wurde, machte der Kaiser noch seine Nordlandfahrten, trugen die Männer des Dorfes, in dem ich den ersten Schrei ausstieß, den Es-ist-erreicht-Schnurrbart, gab es noch die klingenden Taler und das goldene Zwanzigmarkstück.


    Im Vorsatz steht, dass dies Buch ein Roman ist und seine Menschen der Welt des Romans entsprechen und eine Identifizierung mit lebenden Personen auszuschließen ist. Wer Richters Biografie auch nur im Groben kennt, wird leise Zweifel haben. Aber auch nur leise, denn ein biografischer Roman im üblichen Sinne ist dieser Roman nicht. Am ehesten noch mit Hermann Hesses »Unterm Rad« vergleichbar, in dem sich Hesse die Nöte seines Seminarlebens und -scheiterns schreibend entledigte, allerdings mit einem moralischen Auftrag: er wollte die Pädagogik seiner Zeit bloßstellen. Einen derartigen Auftrag kann ich in Richters Roman nicht erkennen. Der erzählende Protagonist wächst unter einfachen Menschen auf, hat seine liebe Not mit den Erwachsenen und den Mädchen. Vor allem die Berufswahl bereitet ihm Probleme. Ein bisschen erinnert der Protagonist an einen Simplicissimus, wie er von Grimmelshausen beschrieben wurde. Zum Fischer taugt er nicht, zum Leidwesen seines Vaters, die Stelle als Gemeindediener verliert er wegen Radiergummiklaus und die Ausbildung zum Buchhalter scheint von vornherein zum Scheitern verurteilt. Später fährt er dann doch noch mal zur See, mit dem vorauszusehenden chaotischen Ausgang.


    Siegfried Lenz schreibt im Nachwort:


    Zitat

    Mag die Zeit, von der der Autor erzählt, auch vorbei sein, verloren ist sie keineswegs: »Spuren im Sand« bezeugt es, dieser Roman, in dem das Lebensgefühl, die Konflikte und Erwartungen einer Epoche aufgehoben sind.


    Dem kann ich zustimmen. Das diese Zeit aus dem Roman für den Leser herüber scheint, ist das beste, was man über ihn sagen kann. Außerdem ist dieses 1953 erschienene Buch ein »Jungsbuch«. Mädchen und Frauen kommen im allgemeinen schlecht weg, mit Ausnahme der Mutter. Aber gerade diese Erhöhung der Mutter, die sie zu einer unangreifbaren Institution macht, ist auch wieder nur aus Jungssicht möglich. Leider ist das Buch derzeit nur noch antiquarisch erhältlich. Die letzte Taschenbuchausgabe von Steidl aus dem Jahr 2008 habe ich jedoch noch in einem ungelesenen, guten Zustand bekommen.


    Dreißig Jahre später holt Richter mit seinen »Geschichten aus Bansin« dieses Thema noch einmal vor, ohne den Hinweis, dass alles nur ausgedacht sei.

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    ASIN/ISBN: 3831335559


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