Hans Werner Richter: Geschichten aus Bansin

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    Bansin ist ein Seeheilbad auf der Insel Usedom. Dort wurde Hans Werner Richter geboren. In diesen »Geschichten aus Bansin« geht es vor allem um Richters Vater, einen knorrigen, meist Platt sprechenden Mann, der es vom Bademeister bis zum Tankstellenbesitzer brachte, wobei die Tankstelle der Initiative seiner Frau zu verdanken ist. In der ersten Geschichte, Bansiner Topographie, versucht Richter einer Beschreibung des Ortes und seiner Menschen. Sie entstand 1965 auf Anregung von Klaus Wagenbach, der eine Anthologie für seinen gerade neu gegründeten Verlag zusammenstellte. Die anderen Geschichten wurden in den Jahren danach geschrieben und zunächst einzeln veröffentlicht, bevor sie zu einem Buch zusammengestellt wurden. Blinder Alarm schildert das vergebliche Aufbegehren gegen den amtierenden Bürgermeister, Der Schützenkönig eine Situation, in dem Richters Vater so richtig ausgenommen wurde. Die Erzählung Der Hecht kannte ich bereits. Ich hatte sie vor Jahrzehnten in irgend einer anderen Zusammenstellung vorgefunden und schon damals mit Vergnügen gelesen. Sie blieb mir auch in Erinnerung, obwohl der Autor mir im Laufe der Jahre verloren ging. Ich hätte sie weitgehend nacherzählen können ohne aber zu wissen, wer die Geschichte geschrieben hatte. Nun las ich sie erneut, identifizierte sie schon nach den ersten Absätzen als die damals gelesene und immer wieder gern erinnerte und konnte nun auch den Namen des Autors wieder hinzufügen. Die Zigarrenkiste beschreibt die Sache mit der Tankstelle. Richter stellt nun seine Mutter deutlich als die Überlegenere der beiden Ehegatten dar. Das konnte in den vorangegangenen Geschichten bereits geahnt werden, es rückte aber in der jeweiligen Erzählung nicht direkt in den Vordergrund. Schlafanzüge erzählt von der Besetzung durch die Russen am Ende des zweiten Weltkriegs. Der Vater meint endlich, das große Glück gemacht zu haben, in dem er Militärschlafanzüge sicherstellt und versteckt. Allein die russischen Soldaten machen nicht nur sein Vertrauen in den Sozialismus kaputt, sondern auch seinen gerade gewonnen, vermeintlichen Reichtum. Klaus Wagenbach beendet das Buch mit einer Nachbemerkung, in der er ein wenig über den Autor und die Geschichte dieser Texte berichtet.


    Richter erzählt trocken, unsentimental, kritisch, Schatten nicht versteckend und doch klingt aus allem eine große Liebe zu seinem Vater und mehr noch zu seiner Mutter, darüber hinaus zu seiner Heimat, in die er erst bei seinem Tode zurückkehrte. Auf eigenen Wunsch wurde er auf dem Friedhof von Bansin bestattet.


    Hans Werner Richter wird unterschätzt, wenn man in ihm nur den genialen Mentor der Gruppe 47 sieht. Er war auch ein hervorragender Erzähler.

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    ASIN/ISBN: 3831335559


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