Hans Werner Richter: Ein Julitag

  • Bei der Beerdigung seines Bruders Philipp in Schweden trifft Christian seine alte Liebe Karoline wieder, die später, nach dessen Flucht aus der DDR nach Schweden, seinen Bruder geheiratet hat. Sie stehen am Vormittag auf dem schwedischen Friedhof zusammen bei der Beerdigung, gehen Hand in Hand fort, zu Karolines Haus und kehren am Abend noch einmal zum Friedhof zurück. Dies ist der Rahmen, in dem die Geschichte von Karoline und Christian erzählt wird. In Rückblenden wird das Kennenlernen auf einer Hochzeit auf einer Ostseeinsel geschildert, die erste Zeit in Berlin, dann Paris, wohin Karoline geht um zu studieren und Christian, um vor den Nationalsozialisten auszuweichen. Sie bewegen sich im Kreis von meist kommunistischen Exilanten, geraten auch in einen Pariser Aufruhr, der sie alle in Gefahr bringt. Doch dann beschließt Christian nach Berlin zurückzukehren. Zu seinen Freunden sagt er: »Ich glaube, den Nationalsozialismus kann man nur im eignen Land bekämpfen, nur dort und nicht in Paris.« Die Ankunft Christians in Berlin, wohin Karoline vorgereist ist, wird noch geschildert, das was danach geschah bis zum Treffen an des Bruders Grab bleibt, von wenigen Andeutungen über den ganzen Roman verstreut, im Dunkel. Es ist auch nicht wichtig. Erzählt werden soll, wie sich Menschen in der Zeit der Machtübernahme 1933 verhielten, was sie glaubten und was sie sich vor allem selbst nicht glaubten. Im Nachwort nennt der Literaturwissenschaftler Hans Mayer (1907 - 2001) diesen Roman einen »wichtigen Text, den die Kritiker irgendwann einmal entdecken werden.«


    »Ein Julitag« ist Richters letzter Roman – nicht sein letztes Buch –, 1982 erschienen. Es ist komplett im Präsens geschrieben, auch in den Rückblenden. Vermutlich trägt auch dies dazu bei, dass es ein sehr eindringliches Buch ist, obwohl es kaum spannende Momente darin gibt. Die Spannung liegt eben in den Beweggründen der darin handelnden Personen, die selten offen gezeigt werden, durch Richters Erzählweise dennoch sehr offensichtlich werden im Laufe der Geschichte. Ein Buch, das ich mal wieder sehr langsam gelesen habe. Es ist schön, das der Wagenbach-Verlag noch Bücher von Hans Werner Richter vorrätig hält.


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    ASIN/ISBN: 3831335559


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