Wondratschek ist auf Lesetour. Seinen Verleger hat er mit dabei. Beide zusammen haben heute für einen kurzweiligen Abend im Deutschordensschloss in Bad Mergentheim gesorgt. Eingeführt hat der Verleger in die Veranstaltung in dem er seinen Autor ein wenig kontrovers darstellte als Dichter, der auch etwas zickig sein kann. Davon war aber heute Abend wenig zu spüren. Wondratschek ließ sich ruhig auf dieses Gespräch ein und nahm sich dann nach der Anwärmphase sein aktuelles Buch vor: Mittwoch.
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Einen Roman, der keinen durchgängigen Protagonisten hat, sondern von einem Hundert-Euro-Schein handelt, der an diesem beschriebenen Mittwoch durch verschiedene Hände geht. Von jedem, der mit diesem Geldschein in Berührung kommt, wird eine Geschichte erzählt. Genau genommen ist es also kein Roman, aber es wäre müßig, sich darüber auseinander zu setzen. Wondratschek las die Geschichte des Friseurs vor, die der Verleger sich gewünscht hatte. Dann ließ er sich aus dem Publikum zweimal Seitenzahlen zurufen, ab der er dann jeweils zwei oder drei Seiten vorlas. Eine interessante Methode. Wondratschek liest langsam und gut artikuliert. Es macht Spaß, ihm zuzuhören. Er bezeichnet sich selbst als einen Schriftsteller, der die Abschweifung liebt. Da ist es nötig, mit Ruhe und nicht mit Hast zu lesen, was Wondratschek gut beherrscht. Dazwischen erzählte er immer wieder, wie er auf die Figuren gekommen ist, welchen Weg sie von der Ursprungsidee bis zur endgültigen Ausführung im Roman gegangen sind. Er verweilte bei Details und erklärte, warum sie wichtig sind. Der Spiegel. Der selbstentworfene Strohut. Und Leningrad. Da geriet er dann ein wenig in die Selbstgefälligkeit. Ein weniger guter Autor wie ich, sagte er, hätte jetzt eine Jahreszahl hingeschrieben. Ich nenne Leningrad und grenze so die Zeit ein. Jeder weiß ja, das die Geschichte vor 1991 spielen muss. Zum Schluss las er noch zwei seiner Gedichte, eines über seinen Sohn und eines über das "Ach", das Kleist berühmt gemacht haben soll. Sozusagen als Zugabe kam dann noch ein Gedicht von Eduard Mörike. Das wars dann. Kein überlanger Abend - nicht einmal genau eineinhalb Stunden - aber eben auch ein kurzweiliger. Ich habe den beiden gerne zugehört.