Alissa Walser - Das ist nicht meine ganze Geschichte

  • Das ist nicht meine ganze Geschichte


    Ich habe das Buch zum ersten Mal 1994 mit Anfang 20 gelesen und fand es damals ziemlicht toll. Nun ist es mir wieder in die Finger gefallen. Am Anfang hatte ich nun Schwierigkeiten mit der Stakkatosprache der ersten Erzählung "Geschenkt" (Ingeborg Bachmann-Preis 1992), die damals ziemlich in Mode war. Nach einigen Seiten hat das ganze für mich aber wieder funktioniert: Die Ich-Erzählerin, eine Frau Anfang dreißig, telefoniert mit ihrem Vater. Zunächst erzählt sie, was sie im Laufe der Jahre mit dem Geld angefangen hat, das ihr der Vater seit der Pubertät immer zum Geburtstag geschenkt hatte. Der Vater entpuppt sich dann immer mehr als vojeuristischer Lustgreis und schließlich erzählt sie ihm von einem Schäferstündchen mit einem Callboy. In den folgenden Kurzgeschichten und Erzählungen snd die Sätze etwas länger.


    Die Erzählweise ist dabei stets seltsam distanziert und kühl, was aber genau auch die Faszination dieser Geschichten ausmacht. Die Erzählungen sind frech und erotisch, vielleicht eine Spur zu konstruiert und kühl. Alissa Walser gibt keine Antworten, was in der modernen Welt jedoch seine Berechtigung hat. Ich habe eine ziemliche Abneigung gegen Hanna Schygulla, die als Schauspielerin ähnlich unbeteiligt an ihren Rollen wirkt. Aber geschrieben gefällt mir das Konzept. Eine Antwort auf die Frage, warum das so ist, fehlt mir gleichwohl.

  • Ich kenne die Geschichte, sehe ja auch jedes Jahr im Juni den Bachmann-Wettbewerb.
    Ich hab so ein bisschen in mich hinein gegrinst, weil der Walser und seine 3 Töchter so eine Sache für sich sind, und sein letztes Buch "Angstblüte" hat meine Einschätzung von ihm ja auch bestätigt.
    Aber nichtsdestotrotz hat er ein paar gute Geschichten geschrieben und Alissa auch. Was macht sie eigentlich heute?
    Zum Stil: Dieses coole Unbeteiligtsein haben sie ja nun alle drauf, erleb mal die Irene Dische! :rolleyes:

  • Finde gerade Walsers Tagebuch in der FAZ:


    24. 3. 90. Sarn.



    In San Bernardino, à 25 Franken. Ein voller Tag. Der Schnee wurde gerade noch weich. Kurze Rast auf der weißroten Felsklippe. Direkt vor der begrenzenden Wand.



    Das macht dumm. Mild. Angenehm. Man denkt nicht über die Berge hinaus. Die Sonne versammelt die Gipfel um dich und läßt die Hänge gleißen. So viele sind selig hier. Es stört keiner den andern.



    Siegfried aus der Karibik. Burgel Zeeh aus Frankfurt.



    Am Waldrand entspringen die Rehe.


    Es ist ein Reh entspruuungen... =)

  • Zitat

    Original von Pearl
    Ich hab so ein bisschen in mich hinein gegrinst, weil der Walser und seine 3 Töchter so eine Sache für sich sind, ...


    ich könnte mir vorstellen, dass die von mir erwähnte erzählung über den vater 1:1 so stimmt..


    Zitat

    Original von Pearl
    Aber nichtsdestotrotz hat er ein paar gute Geschichten geschrieben und Alissa auch. Was macht sie eigentlich heute?


    ich glaube sie übersetzt englische texte, v.a. theaterstücke.


    viele grüße,
    michael