Als ich im Jahre 2005 von den 42ern aufgenommen wurde hat mich Horst Dieter gebeten, auf der Webseite im Forum vorbeizuschauen, um mich kurz vorzustellen. Klar, habe ich gesagt, das mache ich gerne. Ich habe mich darauf gefreut, Gleichgesinnte zu treffen und ich hatte ja auch eine Menge zu erzaehlen. Über meinen Entschluss, der Arbeit weniger und den Worten im Gegenzug mehr Prioritaet zu geben. Ueber all die Fragmente, Titel und Ideen in meinem Kopf.
Ich wollte erzaehlen, dass einer meiner fuenf Romane, die ich irgendwann einmal begonnen hatte, tatsaechlich die fuer mich magische Seite 82 ueberschritten hatte. Kurz und gut: ich fuehlte mich sicher auf dem Weg der Worte und habe mich auf den Austausch mit Gleichgesinnten gefreut.
Dann kam China. Eine Firma, für die ich als Freelancer arbeitete hatte in Shanghai eine Zweigstelle eroeffnet. Die Geschaefte liefen nicht so, wie man sich das vorstellte, es schien an einer „ordnenden Hand“ zu fehlen, jemand der die Kommunikation nach innen und außen leitet. Die Chance und das damit verbundene Abenteuer noch einmal in einem anderen Land – in CHINA! – neu zu beginnen war verlockend und so habe ich meine Koffer gepackt und bin mit meinem Partner nach China „ausgewandert“, direkt hinein in die Glitter- und Glitzerwelt von Shanghai.
Shanghai, die Stadt über dem Meer war und ist aufregend, berauschend, laut, bunt, geruchsintensiv, faszinierend. Und gleichzeitig auch erdrueckend, deprimierend, ohne Rast, Ruhe und Pause. Alles war neu und Arbeit, Land, Leute, Sprache haben 150% meiner Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
Eine Zeit ist das auch gut gegangen, und an ein paar der wenigen freien Wochenenden ist es mir sogar gelungen, in Rundmails die Freunde zu Hause ueber mein neues Leben zu informieren. In einer dieser Mails habe ich ein Foto geschickt, ich auf unserem Balkon im 26. Stock, umgeben von Wolkenkratzern soweit das Auge reicht. Ein bisschen verloren siehst Du aus, schrieb mir ein Freund zurück, so klein inmitten all dieses Betons, es faellt mir ein wenig schwer Dich in diesem Leben zu sehen.
Das habe ich gelesen, gelacht und bin wieder arbeiten gegangen.
Unsere Produkte waren für chinesische Kunden bestimmt, entsprechend hat sich unser Alltag gestaltet: rund um die Uhr verfuegbar sein, Feierabend und Wochenenden existierten nicht. Um ueberhaupt durchzukommen wurde es für mich noetig, mich auf die elementaren Dinge des Lebens zu konzentrieren: schlafen, essen, arbeiten und wenn noch Zeit uebrig blieb, habe ich chinesisch gelernt.
Wenn am Ende des Arbeitstages / der Arbeitsnacht der Computer ausgeschaltet werden konnte, war ich froh in keinen Bildschirm mehr schauen zu muessen. So blieben Emails an Freunde aus, Geschichten, Poesie, Romane und sonstige Dinge zu schreiben war zu diesem Zeitpunkt schon lange außerhalb des Machbaren.
Tja, das ging nun beinahe ein Jahr so. In dieser Zeit hat sich die Erkenntnis eingestellt, dass unser geschaeftliches Angebot fuer den chinesischen Markt derzeit nicht einsetzbar ist. So haben wir nach eingehenden Pruefungen beschlossen, die Niederlassung stillzulegen. Dazu gab es noch weitere Veraenderungen, genau genommen zuviele auf einmal.
Irgendwann in all diesen Wechseln habe ich bemerkt, wie mir der Umgang mit meinen Worten fehlt. Wie ich immer haeufiger Wortfetzen, halbe, ganze Saetze, manchmal gar Absaetze im Kopf hatte, verbunden mit dem ganz dringenden Beduerfnis, diese (sofort!) aufzuschreiben.
Stueck für Stueck naehere ich mich also wieder dem Zeitpunkt im Jahr 2005.
Ein persoenlicher Weg in dem es Raum für Worte gibt. Und ich denke, es ist der richtige Zeitpunkt der Bitte von Horst Dieter statt zu geben: mich hier im Forum vorzustellen. Hier auf Gleichgesinnte zu treffen, hier meine Fragen zu stellen, hier um Hilfe zu bitten, hier Vertraute zu finden.
Ich moechte nicht, dass meine Woerter wieder gehen,
dennoch ist es oft schwer, den Ablenkungen etwas entgegen zu setzen.
Das bin ich, gerade,
(wieder) Part-Time Schreiberling
und ein bisschen verloren, im großen China.
Ich gruesse Euch!
Karin