In eigener Sache: wie ich wirklich schreibe

  • Mit 2 Fingern

    Ich bin leidensfähig. Ich bin so erzogen.
    Ich bin einer der -, die in den 68ziger Kinderläden vegetierten.
    Dazu folgendes.
    Ich habe den Laden angesteckt, meiner Mutter in den Arsch gefickt, meinem Vater in die Schnauze gehauen, Abitur gemacht, vier Semester Medizinstudium eingeschoben -, und dann meine Bestimmung und Profession als Söldner gefunden.
    Ich habe Menschen getötet. Für Geld. So wie alle es tun.
    Ja, ich habe. Und ich bin. Und ich schäme mich nicht dafür.

    Ich kam aus dieser Hütte in Medellin und warf im Gehen eine Handgranate.
    Sie muss sofort tot gewesen sein. Und irgendwie tat sie mir leid, wie mir die ganze Welt ab und an leid tut. Das Chaos.
    Es lag am Umstand. Es liegt daran. Es war Krieg. Es ist Krieg. Wir gegen die. Die gegen uns. Ich für alle.

    Gegen Nachmittag rückten wir gegen das Dorf vor. Es war irre, war heller Tag, und doch stand ein voller Mond am Himmel. Blass zwar. Aber er war. So wie wir.
    Das Mädchen stand vor der Hütte. Ihr Gesicht im Schatten von Palmenblättern.
    Sie wird 14 sein, sagte ich zu Georg.
    15. Sagte er.
    Du gibst mir Deckung, ich gehe rein.
    Nach 20 Minuten war ich mit ihr durch.
    Die Handgranate zündet ich ihrer Augen wegen.
    Ich konnte diese Verzweifelung in ihrem Blick nicht ertragen. Die Erinnerungen an den Kinderladen. Meine Mutter. Den Professor, der mein Vater war und nie was auf die Reihe bekommen hatte. Nicht mal mich.

    Ich bin damit durch. Ich schreibe darüber. Mit 2 Fingern.


    Wenn man schreibt, trifft man die Idioten von gestern - die die Idioten von heute sind - die von morgen.
    Wenn man mit zwei Fingern schreibt, kann man über die Kretins und die Umstände länger nachdenken. So habe ich mich kennen gelernt.

    Unsäglich auch dieser Dings da ..., dieser Bernwardverschnitt.
    Der weiß alles, sagt er. Und er schreibt alles auf. Vor allem das Überflüssige.
    Nach eigenen Angaben berät er Firmen, die legal betrügen wollen oder es schon tun.
    Passt zu ihm, würde ich meinem Kampfgenossen Georg sagen - wenn der noch lebte.
    Nach meinen Menschenkenntnissen ist der Kerl ein Psychopath, impotent und pisst ins Bett. Ist Jude, Neger, hat nur ein Ei und tanzt in der Travestie vom Alcazar den Buckligen. Wenn überhaupt.

    Er lag über mir. Doch das war’s nicht. Ich hasste Etagenbetten schon davor.
    Der Typ muss einen halben Liter gepisst haben.
    Als mich die ersten Tropfen trafen, war ich raus, riss ihn an den Haaren aus der Koje und trat ihn ins Gesicht. Drei mal. Danach rauchte ich eine. Dann kam Alarm.
    Meine Stiefel blieben blutig, bis der Einsatz gegen die Dealer beendet war. Das ausgelaufene Auge des Typen hatte unterdessen die Katze gefressen.

    Ich hab’s selber gesehen, sagte Georg. Wirklich. Danach hat sie sich geputzt. Erst danach habe ich sie erschossen.
    Mir machen solche Viecher Angst, sagte ich. Ich kann nicht ruhig schlafen, wenn was um mich herum kriecht ...
    Hast recht, sagte Georg. Weg damit.

    Es sind diese Typen, die sich auskennen. Immer. Ich meine, ein Satzeichen kann genauso gut Fliegenscheiße sein. Ein Bindestrich ein Hundefurz. Schokolade Scheiße. Doch diese Typen lassen nicht locker. Sie sagen dir, dass du ein Arsch bist, wenn du ihre Regeln nicht befolgst.
    Als ob ich das nicht wüsste.
    Das Gute daran, viele sind anonym typische Ärsche ... Und ich will auch gar nicht wissen wo die hausen. Besser so. Für die und mich.

    Ein prima Versteck, sagte Georg. Und zog den Köter aus dem Benzinfass.
    Kann ein Fila Brasileiro sein, sagte ich.
    Stinkt nach Diesel.
    Sieht auch so aus.
    Beißt aber nicht, grinste Georg.
    Der ist auch noch jung. War ich der Meinung.
    Nimmst du ihn?
    Klar. Fleisch zum Verfüttern gibt es hier ja genug.
    Die schmutzigen Gedanken von Georg lachten dazu. Und deshalb.
    Wie soll er heißen?
    Tom, wie der aus der Disco? Nee!
    Tim?
    Tim. Tim klingt gut!

    Wir hatten die Ernte eines halben Jahres zu verbrennen.
    Ein halbes Dutzend Cocabauern standen dabei und fluchten.
    Georg hing ein Bündel der Blätterscheiße aus der Tasche. Er kaute so was. Ich nicht. Einer der Indios packte ihn wegen des Shit am Hals.
    Gib mir mein Gras zurück, du Ziegenfick.
    Dein Gras?, höhnte Georg – und Blut spritzte ihm aus der Schlagader am Arm.

    Es war ein trockener Ton, wie beim Tennisspiel, wenn man den Aufschlag Sweetspot trifft, der die Situation finischte.
    Tim lag an der Erde. Tot.
    Zehn Sekunden später lag neben Tim der Kopf des Indios.
    Seine Machete steckte ich in den Gürtel.
    Wer weiß, wozu man die mal brauchen kann.
    Ja. Sagte Georg. Hast du mal ein Verbandspäcken?

    Wir begruben ihn einen Tag später zusammen mit dem Hund.
    Georg, ritzte ich in eine Holzlatte.

    Georg! Darüber schreibe ich.
    Und über Ziegen ficken - mit 2 Fingern - und jenseits aller Regeln.


    © Jan. 2006 Michael Köhn
    http://www.knast.beep.de

    if you can't stand the heat get out of the kitchen

    2 Mal editiert, zuletzt von Michael K. ()

  • Irgendwie Themaverfehlung,
    würde ich sagen. Es geht ziemlich an der Fragestellung vorbei.


    Als Essay vielleicht...?.
    Tasso J.M.

  • @ pearl.
    Ich will und werde nie einen Buchstaben :-)) schreiben - der Dich amüsiert: Versprochen !


    @ Tasso
    Auf welche Fragestellung beziehst Du Dich?, - ich habe keine gelesen ...


    L.Gr.
    Michael K.

    if you can't stand the heat get out of the kitchen



  • Was soll das sein? Diese Art, das einfach so hier reinzustellen, dazu Deine Kommentare an Pearl und Tasso, ärgern mich gewaltig! Der Inhalt ist unter aller Sau: rassistisch, frauenfeindlich, kriegsverherrlichend, zum Kotzen! Und das Ganze dann auch noch im Vestibül...


    Also nochmal:
    was soll das sein?
    Provokation?
    Agressionsabbau?


    Ich frage mich echt, ob Du noch alle Tassen im Schrank hast ?(

    Einmal editiert, zuletzt von Sarah ()


  • Wenn einer der mit Mühe kaum, gestiegen ist auf einen Baum, schon glaubt dass er ein Vöglein wär - so irrt sich der (oder die)!*


    Auch ich habe Beiträge von Michael K. bereits kritisiert bzw. ironische Kommentare eingefügt, wenn er, nach meinem Geschmack, allzu sehr auf Reich-Ranicki abgehoben hat.


    Aber: das ist ganz etwas anderes, als jemandem den Mund verbieten zu wollen - und genau das willst Du. Michael K. kann hier, genauso wie alle anderen, Texte reinstellen, die er für gut oder wichtig hält. Wer den Beitrag eines anderen nicht mag, der kann ihn inhaltlich kritisieren, das geschieht hier oft und nicht selten auf sachlichem und hohem Niveau. Aber hier gibt es keine Zensur und hier wird niemandem der Mund verboten!


    Michael K. hat, und das sei hier auch gesagt, eine andere Biographie als viele andere hier; eine Biographie, die Respekt und Achtung verdient! Und sein Text ist auch vor diesem Hintergrund zu begreifen.


    Es gibt eine Grundregel in der Literaturwissenschaft, die Dir augenscheinlich unbekannt ist, und die lautet: Texte sind als Texte zu beurteilen und nicht von ihren Absichten oder der angeblichen inneren Motivaiton ihrer Verfasser her. Du brauchst nicht zu fragen, warum Michael K. seine Texte so schreibt wie er sie schreibt; warum er so schreibt, muss allein er wissen.


    Und Dir, liebe Sarah, steht weder der Ton, den Du anschlägst, noch die geheuchelte Empörung, noch der unflätige Ausdruck noch die Unredlichkeit der Gesinnung auch nur im Mindesten zu. Du bist hier genauso Gast wie alle anderen auch - und dann benimm Dich auch einmal so!


    Und es gibt auch keinen Grund, dass Du hier anderen Forenteilnehmern, in der berechnenden und oh wie beifallheischenden Hoffnung, gestützt auf eine falsche Gruppensolidarität, zu Hilfe springst. Jeder hier redet für sich selber, niemand braucht die vorgebliche Schützenhilfe anderer. Und glaube mir, die genannten Personen, für die Du in aller Unaufrichtigkeit eine Lanze brechen wolltest - genau die können sich sehr gut ihrer eigenen Haut erwehren!


    Und eines, liebe Sarah, lass Dir auch noch gesagt sein: wer mit den Beiträgen bislang aufgewartet hat, die Du geliefert hast, z.B. mit einer frech abgekupferten "Rezension", wer mit Bekenntnissen persönlichen Versagens bei fehlgeschlagenen Maskeraden hausieren geht, wer tagtäglich kokettierend mit seiner wirklichen oder vorgeblichen Ignoranz schaulaufen geht und ein ums andere Mal bekennt, wie wenig er ach! von allem doch versteht und dabei ständig um das Schulterklopfen der anderen winselt - wer also, liebe Sarah, mit einem Wort, in einem solch großen Glashaus sitzt wie Du, der sollte vielleicht nicht den ganzen Tag mit Steinen werfen.


    Und glaube mir: wenn dies nicht das Internet wäre, und wenn dies nicht ein Forum wäre, das ich wegen seiner vielen und hervorragenden Mitglieder sehr schätzte, und wenn es gerade wegen der Teilanonymität dieses Forums nicht geziemend wäre, die Netiquette umso strikter zu wahren - dann, und insbesondere im realen Leben, liebe Sarah, würde ich meine Gedanken mit Deinen nie in eine Pfütze werfen!


    * Wilhelm Busch

  • Lieber TWJ,


    Aber: das ist ganz etwas anderes, als jemand den Mund verbieten zu wollen
    Wo habe ich hier irgendjemandem den Mund verboten?


    Wer den Beitrag eines anderen nicht mag, der kann ihn inhaltlich kritisieren, das geschieht hier oft und nicht selten auf sachlichem und hohem Niveau. Aber hier gibt es keine Zensur und hier wird niemandem der Mund verboten!


    Zitat


    Der Inhalt ist unter aller Sau: .


    Es gibt eine Grundregel in der Literaturwissenschaft, die Dir augenscheinlich unbekannt ist,
    Auch ich habe eine Biografie, TWJ, zu deren Betandteilen u.a. ein Studium der NDL gehört


    Du brauchst nicht zu fragen, warum Michael K. seine Texte so schreibt wie er sie schreibt; warum er so schreibt, muss allein er wissen.
    Wenn ich fragen will, dann frage ich. Wie soll ich diese Äußerung auffassen? Du sprachst doch gerade davon, hier dürfe niemandem der Mund verboten werden.


    Und Dir, liebe Sarah, steht weder der Ton, den Du anschlägst, noch die geheuchelte Empörung, noch der unflätige Ausdruck noch die Unredlichkeit der Gesinnung auch nur im Mindesten zu.
    Geheuchelt? Deine Interpretation. Unflätig? Wer im Glashaus sitzt... Unredlichkeit der Gesinnung? Das erklär mir mal bitte... Was weißt Du über meine Gesinnung?


    die Netiquette umso strikter zu wahren
    Ach, und Deiner Meinung nach gelingt Dir das hervorragend?


    dann, und insbesondere im realen Leben, liebe Sarah, würde ich meine Gedanken mit Deinen nie in eine Pfütze werfen!
    Das habe ich nirgendwo auch nur annähernd verlangt.


    Und dann frage ich mich, ob solch ein Text ins Vestibül gehört, aber das hatte ich in meinem Kommentar schon angerissen. Denn ich persönlich will dort was über die Menschen erfahren, nicht über irgendwelche, m.M.n. gewaltverherrlichenden Phantasien. Dafür gibt es andere Plattformen.

    Einmal editiert, zuletzt von Sarah ()

  • Zitat

    Auch ich habe eine Biografie


    Das hätte ich auch vermutet!


    Zitat

    zu deren Betandteilen u.a. ein Studium der NDL gehört


    Das hätte ich nicht unbedingt vermutet; ich bin aber froh, dass Du es erwähnst. :blume

    Fare thee well! Thomas W. Jefferson
    I am mad, bad and dangerous.


  • Du unterstellst mir Unaufrichtigkeit, beifallheischendes Verhalten, falsch verstandenes Solidaritätsgefühl...
    Das ist auch nicht die feine Art, lieber TWJ!
    Außerdem:
    was hat meine Rezension über Palahniuk damit zu tun, das erklär mir mal bitte!


    Und wenn es Dir so wichtig ist, mich zu erziehen oder hinzubiegen zu was auch immer, dann bitte in einem anderen Ton!
    Was Du hier grade mit mir abziehst, kommt mir leicht sadistisch vor...

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Das hätte ich nicht unbedingt vermutet; ich bin aber froh, dass Du es erwähnst. :blume


    Wenn Du glaubst, ich lasse mich so einfach abspeisen, irrst Du gewaltig!

  • Zitat

    Original von Sarah
    Was Du hier grade mit mir abziehst, kommt mir leicht sadistisch vor...


    Ja, am meisten leid tust Du dir immer selber! Und die einzigen Fehler, für die Du Verständnis hast, das sind die eigenen. Ich darf noch so viel sagen, aber dann ist es auch gut: Vor Dir liegt noch ein spannender Weg! :bier

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Ja, am meisten leid tust Du dir immer selber! Und die einzigen Fehler, für die Du Verständnis hast, das sind die eigenen. :bier


    Jaaa, TWJ *applaudier* erklär mir die Welt und meine Psyche!
    Bin sehr froh, dass Du mich da unterstützt, da meine Minderbemitteltheit verhindert, einen klaren Blick auf mich zu werfen. Aber dafür hab ich ja jetzt Dich.

  • ---->Ich frage mich echt, ob Du noch alle Tassen im Schrank hast?<----


    Als Behauptung hätte ich besser damit umgehen können, Sarah.
    Egal, ich zeige dir zum Dank wo ich schreibe.
    FF.





    Rückenlage



    Es ist Wut, die den Mann aus dem Haus treibt.
    Es ist täglich neu die Wut.


    Aber er geht auch wegen der einst beschworenen Liebe, die ihm in jeden Schritt den er tut sagt: Es ist zu spät ..., und : Ich liebe dich nicht mehr ...
    Er geht wegen der vergessenen Leidenschaften, dem verhinderten Begehren, der vorhandenen Verachtung, dem lausigen Hass, - wegen des Daseins von Gestern, dem Weichspüler, den er braucht. Dem von Heute. Von wegen Schuld und Sühne. Von wegen des symbolhaftem Wirrwarrs im Sonnengeflecht. Und, um sich in autistischen Monologen das Leben und Lieben und was da dran hängt schön zu reden. Wegen mehr nicht ...
    Doch er geht. Und immer deswegen. Seit Jahren. Und immer schneller. Und niemand kann ihn halten.


    Die Tür quietscht, als der Mann die Kneipe betritt.


    „Solltest du mal ölen“, sagt er in blaue Luftschwaden, den Dunst nach Essen und Bier, jeden Tag. Und immer in das Lachen hinein, dass ihn wie ein Woge umspült, die Musik, - in die zeitlosen Empfindungen ausgelutschter Zitronen und Wasserschlieren auf dem Tresen, die ihn anzustarren scheinen wie die längst verglommenen Kippen im ewig dreckigen Aschenbecher. Es war ist und bleibt so, als würde all der Ramsch ihn kennen, erwarten, irgendwie.


    „Auch einen Tequila?“
    „Bier. Ohne Salz!“
    „Bitte?“
    „Sollte ein Witz sein ...“


    Ja, in der Liebe und im Leben geht es nie um mehr als um das gelebte Sein in allen Facetten, um Salz in der Suppe, und dem fehlende Papier auf dem Klo, einfach deshalb, weil es in jeder Nuance um Alles geht. Das andererseits total unwichtig ist.


    Auch um die Versuchung geht es. Dem Widerstehen. Der Hingabe. Um die Schmerzen im Herzen. Der Weite in der Brust. Der Enge im Denken. Dem Kratzen am Himmel, mit allem was man hat.
    Um heiseres Geflüster. Um Sehnsucht, Zärtlichkeit, der Suche nach Geborgenheit. Und, um das Versinken der Sonne hinter dem Horizont, geht es.
    Um Blutrot. Ocker. Schwarz. Um graue Asche an der Glut gehabter Leidenschaften. Um Liegestätten am Lagerfeuer, - an irgendeinem Platz der Welt. Um dort zu sein, zwischen prallen Brüsten zu ranzen. Um frei zu leben. Um an vertrauten Hintern geschmiegt zu liegen. Um das. Ja. Da. Dort. Dort und da. Hier. Und nie wieder anders!
    Um die in die gefrorene Zeit getunkten Leerstellen einer Beziehung neu zu suchen geht es, ging es, wird es gehen. Im Gesicht. Am Arsch. Schwanz. Sonst wo. Ja, um das. Da. Dort. Da. Und gerade dort - und auch jetzt!


    Auch um das rätselhafte Dreieck zwischen Schenkeln zu ergründen. Sich in Samt zu wühlen. Eine Möse zu entschlüsseln. An Meer und fremden Ufern zu rasten. Im Hirn. In ein verruchtes Wort zu tauchen. Einen wüsten Gedanken zu denken. Und ihn wahr werden zu lassen. Um einer fleischigen Gegenwart und fetten Zukunft zu huldigen. Oder mehr. Viel mehr ... Dort - wie da. Die. Ja: ich liebe dich. Ich liebe euch alle ...


    Der Mann hat ein Foto seiner Fantasien an der Wand hängen. Über seinem Bett.
    Annie Leibowitz: Keith Moon Backstage.


    Die Kopie hängt dort um Menschen an wüsten Gedanken kollabieren zu sehen. Um sich selber zu erfahren. Um nahe bei sich zu sein - in den endlos einsamen Momenten. Darum.


    „Steht noch was von gestern auf dem Zettel?“, will der Mann wissen.
    „Alle bezahlt!“, hört er.


    Ja, um mehr geht es nie, als darum. Und es ist beileibe genug Stoff.
    Wirbelt doch in einer einzigen Person ein ganzer Kosmos, der sich durch den biblischen Sündenfall verselbständigt hat und weiter verselbständigen wird, bis der dann altersbedingt zur Ruhe kommt, stirbt. Vielleicht gemordet worden ist. Auf jeden Fall gefühlskalt ist. Gebrechlich im Denken. Im Herzen humorlos - und auch dort dann krepiert ist. Und das alles gleichzeitig. Dieses Elend. All diese Schmach. Und er - in sich.


    Also geht es immer und hier um das komplette Dasein, bis hin zum Schluss.
    Um die Tragödie Leben. Das Ungeziefer Zeit. Den Totengräber Schöpfung, der am siebenten Tag ruht, um das sonntägliche Ave Maria: ’Vergib uns unserer Schuld, Herr!’ abzufordern.
    Um in der Kathedrale das ’Lobet den Herren’ mit Knaben oder Kastraten zu singen, oder gesungen zu hören, während andere sich mit Nutten amüsieren oder in der Kneipe sitzen und Bier trinken.


    Und da sitzt der Mann. In der Kneipe. Trinkt Bier.
    Nicht sein erstes heute.


    „Mach voll!“


    Perpetuum Leben. Die Unruhe bis zum absoluten Kotzen.
    Und immer dabei die alltägliche Lüge: ’Ich liebe dich!’, und: ’Verzeih mir!’, - denkt der Mann. Und das jeden Tag aufs Neue. Wieder und wieder. Und wer dazu nicht verrückt genug geboren wurde, der wird es schon noch. Und wenn es dann endlich so gut wie vorbei ist heilt die Zeit alle Wunden, - orakelte die Großmutter des Mannes.


    „Noch eins ...“, sagt der Mann.


    Und es ist das, was man Liebe nennt. Schmerz darüber, - so was großes. Und damit ist die Liebe und die Qual zum eigenen Leben und seinem Wohlergehen gemeint. Nur. Ja, nur dies und das. Und ausschließlich. Garantiert! Und nie das der anderen.
    Nie die Heuchler ...


    „Und einen Schnaps“, sagt der Mann.


    Und der ist so wahr wie der geronnene Samen an seiner Hand, - an Hemd und Hose, auf dem Bettlaken. Der tagtäglich vergeudete Quell Hoffung, der einem fruchtbaren Schoß vorenthalten wird und wurde. Der einen guten Gedanken sterben sah und sieht. Ein Leben. Eine Zukunft.


    „Noch eine Runde!“, bestellt der Mann.


    Angedacht bei Meereswellen in Gezeiten, die brüllen und dröhnen, die Schlamm und Müll aus fernen Ländern an unsere Ufer tragen. In unsere Leben. So hoch getürmt der fremde Dreck, dass er den Himmel verletzt, den wir sehen, in dem wir uns spiegeln wollen.


    „Doppelt, den Schnaps!“


    Egal, denn in allem Anfang ist auch eine Art Magie. Der bunte Reigen Möglichkeiten. Ein Luftballon der in unbekannte Höhen trägt. Den man zulassen sollte. Dem man sich nie entziehen sollte ...
    Doch das weiß man erst nachher, danach, wenn längst alles kaputt ist. Beim Bilder angucken. Denn es wird fotografiert, gefilmt, für danach.


    „Hier“, sagt der Mann, und zieht ein Foto aus der Tasche, „meine Tochter“.
    „Hübsch!“
    „Aus der wird was!“, ist er sichtlich stolz.


    Waren es früher von der Wiege bis zu Bahre Formulare, sind es nun Fotos. Auf Hochglanz zeigen sie die modernden Schnittstellen eines Jeden. Die frühen Narben, die später Todesfalten sind. Die unsichtbaren und sichtbaren Geister dahinter. Unverrottbar. Kalt bis zum Ekel. Das Flammenmeer der Erinnerung. Diese geballte Aufmerksamkeit weit über das Leben hinaus im Slogan: Weißt du noch?
    Diese Bilder - die töten können. Zu jeder Zeit. Jetzt. Ihn. Alle ...


    „Sie mal hier“, sagt er, „als Baby ...“


    Diese Orgien der Selbstdarstellung.
    Geheiligt sei dein Dasein. Kraut und Rüben in der Seele. Schuld in Rückschau. Mattglanz mit Zackenrahmen. Poliert. Und mit Bordüre. Die Jahre später matt schimmert; Weißt du noch ...?
    Ja, damit muss man erst mal fertig werden.


    „Schenk ein!“, sagt der Mann.
    „Schenk ein!“


    Und schläft mit offenen Augen. Tanzt in die Nacht. Wein Weib und Gesang. Einmal möchte ich schon mit dir ...
    Dann Bratwurst am Imbiss ums Eck. Dann zurück. Und alles auf Anfang.
    Rückenlage komplett.




    L.Gr.
    Michael K.
    http://www.knast.beep.de

    if you can't stand the heat get out of the kitchen

  • Hi Michael,


    was spricht dagegen, Deine Texte einfach als BT einzustellen?


    Gruss
    Claudia

    Einmal editiert, zuletzt von claudia ()

  • Zitat

    Original von claudia
    Hi Michael,
    was spricht dagegen, Deine Texte einfach als BT einzustellen?
    Gruss
    Claudia


    Michael: ich sehe das genauso wie Claudia; eine gute Idee. Entweder als BT, vielleicht einige Deiner Prosagedichte in einem BT gesammelt - oder bei Lyrisches Allerleirauh einfach als Prosagedichte.


    Die Nähe zu Bukowski ist ja unverkennbar, und der gilt heute mehr denn je als einer der großen amerikanischen Lyriker des 20. Jahrhunderts.

    Fare thee well! Thomas W. Jefferson
    I am mad, bad and dangerous.

  • Michael K. hat, und das sei hier auch gesagt, eine andere Biographie als viele andere hier; eine Biographie, die Respekt und Achtung verdient! Und sein Text ist auch vor diesem Hintergrund zu begreifen.


    juhu, der jefferson beschützt einen dichtenden knastbruder und knallt deshalb sozialherzigst ein paar saftelnden weibern eine vor den 70iger-latzhosenlatz. nett zu lesen.


    die texte des michael k.. möchte ich anmerken, sind die texte des michael k. soviel ich bislang davon gelesen haben, brauchen sie keinen "jö-ein-dichtender-knastbruder"-bonus. die stehen auch ohne biografieschutzumschlag gut da.


    gruß
    andrea von der lippe

    Einmal editiert, zuletzt von andrea ()

  • @ Claudia und Thomas -
    ist zwar reizvoll - aber... stellt euch vor, ich muss mich (dann) !ernsthaft mit solchen Komplimenten beschäftigen.
    Auszugsweise! zitiert:
    ---> Der Inhalt ist unter aller Sau: rassistisch, frauenfeindlich, kriegsverherrlichend, zum Kotzen!
    Also nochmal:
    was soll das sein?
    Provokation?
    Agressionsabbau?
    Ich frage mich echt, ob Du noch alle Tassen im Schrank hast? <---


    Ehrlich, ich bin zu faul dazu, wenig kritikfähig - und benutze meine verbliebene Energie - um zu schreiben, oder sonst einen Blödsinn zu tun ... :-)); also, Rückenlage gegen alle Regeln.



    L.Gr.
    Michael K.
    <http://www.knast.beep.de>
    <http://www.literatalibre.de>

    if you can't stand the heat get out of the kitchen

  • Zitat

    Original von Michael K.
    @ Claudia und Thomas -
    ist zwar reizvoll - aber... stellt euch vor, ich muss mich (dann) !ernsthaft mit solchen Komplimenten beschäftigen.
    ...
    Ehrlich, ich bin zu faul dazu, wenig kritikfähig - und benutze meine verbliebene Energie - um zu schreiben...


    Und was soll uns das jetzt sagen?
    Schiebt Euch Eure Kritik sonstwo hin, ich hab keinen Bock meine Texte da besprechen zu lassen, wo sie evtl. in diesem Forum besser aufgehoben wären?


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Kritik, Bernd?
    ---> Der Inhalt ist unter aller Sau: rassistisch, frauenfeindlich, kriegsverherrlichend, zum Kotzen!
    Also nochmal:
    was soll das sein?
    Provokation?
    Agressionsabbau?
    Ich frage mich echt, ob Du noch alle Tassen im Schrank hast? <---


    :auslach

    if you can't stand the heat get out of the kitchen

  • Zitat

    Original von Michael K.
    ---->Ich frage mich echt, ob Du noch alle Tassen im Schrank hast?<----


    Als Behauptung hätte ich besser damit umgehen können, Sarah.


    L.Gr.
    Michael K.
    http://www.knast.beep.de


    Ich stelle ungern Behauptungen auf, die ich nicht beweisen kann... (hu,hu, TWJ *winkmitdemlattenpfosten*)


    Zitat

    Ja, in der Liebe und im Leben geht es nie um mehr als um das gelebte Sein in allen Facetten, um Salz in der Suppe, und dem fehlende Papier auf dem Klo, einfach deshalb, weil es in jeder Nuance um Alles geht. Das andererseits total unwichtig ist..


    Okay, ich habs kapiert.
    Wie gesagt, ich hätte gerne etwas über Dich als Person erfahren, über Deine Motivation zu schreiben, einfach über Dich als Mensch.
    Deinen Texten etwas über Deine Biografie zu entnehmen, ist mir kaum möglich, literaturwissenschaftlich, zumindest, wenn man dem werkimmanenten Kurs folgt, wohl auch nicht so ganz integer...
    Deshalb entschuldige ich mich auch für die Tassen, das hätte nicht unbedingt sein müssen, aber wie Du schon bemerkt hast, es war mehr entrüstete Frage, denn Behauptung.
    Abschließend stößt mich der Inhalt Deiner Texte eher ab, weshalb ich mir auch wenig Mühe gebe, sie nachzuvollziehen. Das ist allerdings mein Problem.


  • Ich möchte nochmals betonen, dass ich o.z. Kritik vor allem in Bezug auf den Ort (nämlich das Vestibül) geäußert habe, wo solch ein Text meiner Meinung nach nicht hingehört...