Kunstverächter-Zeiten

  • Hab einen interessanten Artikel gefunden zu einem Thema, das Iris so am Herzen liegt (und nicht nur ihr)... zum Verhältnis derer, die Kunst schaffen und derer, die sie vermarkten / kaufen. Ich denke, da ist so einiges von der Bildenden Kunst auf die Literatur übertragbar?
    Ungehaltene Reden


    Schöne Grüße,
    Petra

  • Wie wahr! Wie wahr! Du kannst das Wort "Kunst" 1:1 gegen das Wort "Literatur" austauschen und es kommt aufs selbe heraus.


    Man möchte Stendhal zitieren ... :rolleyes


    @blaustrumpf: Nein, es wäre Wilhelm Dilthey. ;)

  • Wirklich großartigen fand ich ja diesen Satz:


    "Geschmacklosigkeit, in all ihren Facetten ist oft eine Gesinnung."


    Grüße


    Helmut

  • Ich weiß nicht. Die Botschaft dieses Textes lautet: Wenn Du nicht anerkannt wirst, dann liegt es nicht an Dir; das Volk ist zu (ver)dumm(t) für Deine Kunst, sie ist "zu hoch".


    Wenn es mit der Anerkennung nicht so klappt, es ist ein positives Zeichen oft bei guter Kunst, sie ist dann noch nicht in den Geschmackskatalog der breiten Masse und ihre Ästhetik aufgenommen und das spricht dann für sie.


    Genau. Wenn niemand will, was ich mache, dann mache ich es extrem gut. Sorry, aber ich lese da ein Paradoxon. :D


    Ein Autor ohne Leser ist kein Schriftsteller, sondern einfach jemand, der schreibt. Kunst ensteht erst durch die Rezeption.

  • Zitat

    Original von Tom
    Kunst ensteht erst durch die Rezeption.


    Hallo, Tom


    Wenn die Rezeption die Kunst generiert, liegt der Schluss nahe, dass viel Rezeption einen Einfluss auf den Kunstgehalt habe.
    Wie sortierst du denn die Bücher von Hera Lind et. al. ein im Vergleich beispielsweise zu Autoren wie Mirko Bonné oder Michael Donhauser?


    Schöne Grüße von blaustrumpf

  • Das Paradoxon am Ende sehe ich auch so.
    Wenn ich "Literatur" statt Kunst lese, kann ich mich allerdings sehr gut mit den Aussagen über den Berufswahnsinn identifizieren, zu solch lächerlichen Bedingungen (in der freien Wirtschaft undenkbar) produzieren zu "dürfen". Weil ich mein Leben schon immer mit Schreiben finanzieren musste, lange ich mir da öfter an den Kopf... das begann schon damals, als ich für den gleichen Text als PR-Frau das zehnfache Honorar der Journalistin in mir bekam... für den gleichen Text...


    Rezeption... welches ist unsere Rezeption von Büchern? Ist es wirklich die, die Marketingabteilungen von Publikumsverlagen behaupten? Ist die Rezeption draußen bei den Lesern womöglich eine andere? Wer bestimmt, was Kunst / Literatur sein darf? Der Kunstbetrieb? Die Produktionsmaschinerie? Die Menschen? Und sind die nun so grenzdebil, wie man sie zeichnet?


    "Und nur hier ist die Kunst noch frei - in der Herstellung" behauptet der Autor.
    Ich behaupte: Der Satz stimmt heute allenfalls noch dann, wenn man damit kein Geld verdienen will und nicht unbedingt bei einem großen Verlag unterkommen möchte. Nur, wenn ich es nicht nötig habe, verlegt zu werden, kann ich frei schreiben. Damit wäre dann das Paradoxon keines mehr...


    Schöne Grüße,
    Petra

  • Hallo, Blaustrumpf.


    Da hast Du mich nicht ganz richtig verstanden. Den Kunstbegriff halte ich ohnehin für mißverständlich, und damit verbundene Kategorisierungen erst recht - der von Dir verlinkte Text geht ja sehr in die Richtung: Massengeschmack kann niemals Kunst betreffen. Echte Kunst. Hohe.


    Wie auch immer. Ich habe es mehr in der Art: Wenn niemandes Ohren in der Nähe sind, ist auch kein Geräusch zu hören gemeint. Erst der Kunstwahrnehmende vervollständigt den Gegenstand der Kunst, das Objekt. Ob das nun "hohe" Kunst wäre (Donhauser) oder "flache" (Lind), das ist m.E. letztlich piepschnurzegal.

  • Tom, wenn du das absolut setzt, dann wird Dan Brown zu einem bedeutenderen Literaten als der von dir hochgeschätzte Philipp Roth ...


    Sorry, da muß ich :kotz1

  • Iris,
    ich glaube, ihr missversteht das? Kunst braucht das Dreieck Künstler - Kunst - Wahrnehmender, um vollständig zu werden (hart gesagt: mehr als Selbstbefriedigung zu sein). Das ist keine wertende Aussage und man kann das auch nicht umkehren in: Wo ein Wahrnehmender ist, ist Kunst!
    Natürlich kann ich auch ohne Wahrnehmenden Kunst schaffen und die in meine Schublade legen. Aber was hab ich dann davon? Wie kommt dann meine Kunst zur Wirkung?


    Schöne Grüße,
    Petra

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Blaustrumpf.


    Da hast Du mich nicht ganz richtig verstanden.


    Hallo, Tom


    Da bin ich aber schwer erleichtert!


    Den Kunstbegriff halte ich ohnehin für mißverständlich, und damit verbundene Kategorisierungen erst recht - der von Dir verlinkte Text geht ja sehr in die Richtung: Massengeschmack kann niemals Kunst betreffen. Echte Kunst. Hohe.


    quote]Original von Tom
    Wenn niemandes Ohren in der Nähe sind, ist auch kein Geräusch zu hören [/quote]


    Um nicht mitten im Fluss die Metapher zu wechseln: Dass es niemand hört, bedeutet für mich eben nicht, dass es nicht stattfände.


    Schöne Grüße von blaustrumpf


    * * *
    Hallo, Petra


    Du schreibst:

    Zitat

    Original von viola
    Kunst braucht das Dreieck Künstler - Kunst - Wahrnehmender, um vollständig zu werden (hart gesagt: mehr als Selbstbefriedigung zu sein).


    Warum?

    Zitat

    Original von violaNatürlich kann ich auch ohne Wahrnehmenden Kunst schaffen und die in meine Schublade legen. Aber was hab ich dann davon? Wie kommt dann meine Kunst zur Wirkung?


    Es kann gut sein, dass uns da unsere unterschiedlichen Kunstbegriffe zum gegenseitigen Verstehen im Wege stehen. Tut mir Leid, aber wenn ich zur Vollständigkeit meiner Kunst deren Wahrnehmung durch andere brauchte, wäre das in meinen Augen die größere Selbstbefriedigung.
    Natürlich ist die Einstellung: "keiner versteht mich, die sind alle doof und zu borniert, um wahre kunst zu begreifen" besonders unter denen verbreitet, die ihrer Entdeckung noch harren. Das gebe ich gerne zu. Aber was ist mit den vielen Werken, die noch nicht oder nicht mehr wahrgenommen werden (sei es in welcher Kunstform auch immer)?
    Was bedeutete das beispielsweise für Acton, Currer & Bell?


    Schöne Grüße von blaustrumpf

  • Zitat

    Dass es niemand hört, bedeutet für mich eben nicht, dass es nicht stattfände.


    Ein Geräusch ist Wahrnehmung. Ein Geräusch ist subjektiv, hängt vom Standpunkt und der Senbilität der Sensoren ab, und von vielen anderen Parametern. Das ist völlig unabhängig davon, daß es Schall gibt, übrigens auch nicht wahrnehmbaren. Verstehst Du den feinen Unterschied?


    "Kunst" ganz allgemein bezeichnet schöpferische Tätigkeit. Dan Brown ist zweifelsohne ein Künstler (besonderer Art 8)). Gerade die Einschätzung und Kategorisierung von Kunst bedarf der Wahrnehmung. Sie wird höchstselten durch den Künstler selbst durchgeführt.

  • Zitat

    Original von Tom
    [QUOTE]Ein Geräusch ist Wahrnehmung. Ein Geräusch ist subjektiv, hängt vom Standpunkt und der Senbilität der Sensoren ab, und von vielen anderen Parametern. Das ist völlig unabhängig davon, daß es Schall gibt, übrigens auch nicht wahrnehmbaren. Verstehst Du den feinen Unterschied?


    Hallo, Tom


    Mir scheint eher deine Geräusch-Definition subjektiv zu sein. :)
    Meine ist es vermutlich auch, aber zumindest ist Wikipedia einer ähnlichen Ansicht.
    Da wir uns langsam in Richtung OFF-Topic bewegen mit unserer geräuschvollen Erörterung, schlage ich für diesen Punkt vor, dass wir uns darauf einigen, unterschiedlicher Meinung zu sein.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

  • guten abend:-)
    eine weile habe ich jetzt über dieses thema nachgedacht und obwohl einige hier sicher zu diesem thema über mehr erfahrung und/oder eine ausbildung/studium verfügen, möchte ich doch meine meinung sagen.
    für mich ist kunst alles, was er/geschaffen wird, alles, was durch kreativität entsteht. ob es sich dabei nun um ein kastanienmännchen, ein klavierkonzert, ein gemälde oder - etwas literarisches handelt.
    jeder wahrnehmende hat zu jedem objekt seine eigene auffassung.
    die genannten dan brown und hera lind verfügen eben über die *kunst*, den geschmack der masse zu treffen.
    lg
    *patin*

  • Zitat

    Original von blaustrumpf
    Es kann gut sein, dass uns da unsere unterschiedlichen Kunstbegriffe zum gegenseitigen Verstehen im Wege stehen. Tut mir Leid, aber wenn ich zur Vollständigkeit meiner Kunst deren Wahrnehmung durch andere brauchte, wäre das in meinen Augen die größere Selbstbefriedigung.


    Blaustrumpf, ich glaube auch, wir gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus und könnten uns das bei einem Glas Wein wahrscheinlich besser erklären als in einem Forum mit Kurzstatements.


    Ich persönlich habe an Kunst wie an Literatur den Anspruch, dass sie über den reinen Schöpfungsakt hinausgehen sollten, nämlich etwas bewirken, verändern. Genau aus dem Grund muss ich sie nach außen bringen, sonst verändere zwar ich mich vielleicht - aber das reicht mir bei meinem Anspruch nicht.


    Diese Definition sehe ich übrigens wertfrei und da treffe ich wieder auf das, was die Patin schreibt. Wirkung / Veränderung kann sein, dass es über meinem Sofa bunter aussieht, dass ich 300 Seiten lang nicht denken musste, aber auch, dass sich gesellschaftliche Dispute ergeben, dass Menschen nachdenken. Worin die Wirkung genau liegt, das habe ich als Künstler / Literat nicht mehr alleine in der Hand. Spannend wird es, wenn diese Rezeption wiederum auf das Kunstwerk einwirkt... ein Dialog entsteht (eigentlich ein Trialog). Deshalb ist mir die Dreiheit wichtig.


    Das meine ich aber nicht als alleinseligmachende Definition, es gibt jede Menge andere! Dass mir die Schublade nicht reicht, ist kein Postulat ;)


    Zitat

    Aber was ist mit den vielen Werken, die noch nicht oder nicht mehr wahrgenommen werden (sei es in welcher Kunstform auch immer)?


    Genau da liegt der Hase im Pfeffer, denn diese Kunstwerke wirken in dem Moment eben nicht, verändern nichts, sind einfach nur da. Was übrigens so verkürzt gesagt auch falsch ist, würde man die Mona Lisa ins Archiv legen, hätte sie genügend Wirkung durch ihre Rezeption hinterlassen, die wiederum wirkt...


    Deshalb die harsche Frage, was Massengeschmack oder Vermarktungsmaschinerie aus Kunst an sich machen. Um zur Literatur zurück zu kommen: Was wird aus der Kunst, wenn sie mal ein Verlag in den Fingern hat? Gibt es noch Freiräume für Kunst in unserer Konsumwelt "Buch"? Sind anspruchvolle Autoren vielleicht sogar gesellschaftliches Auslaufmodell?


    Ich sehe da aus eigener Anschauung innerhalb von Europa unterschiedliche Umgangsweisen und mich erschreckt immer wieder, wie gleichgültig die Deutschen ihre eigene Kunst absägen...


    Schöne Grüße,
    Petra

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