Stefan George Die Gedichte

  • Guten Abend Freunde,


    seit einigen Jahren bringen gute Verlage immer öfter Ausgaben mit sämtlichen Gedichten eines Autors in einem Band heraus. Es gibt jetzt (nicht vollständig) sämtliche Gedichte in einem Band von Rilke, Eichendorff, Brecht, Mörike, Storm, Heine - und nun auch von Stefan George.


    Ich weiss nicht, wie vielen dieser Name heute noch ein Begriff ist. Aber einmal war George einer der ganz großen Namen in der Dichtkunst. Aber schauen wir uns zuerst einmal den Band an, den ich gerade gelesen habe:


    ASIN/ISBN: 3608936327


    Ein schönes Buch: Leinen, starkes, gutes Papier, chamois wie ich es mag, und es sind fast alle Gedichte und auch viele Übersetzungen drin, denn George war auch ein großer Übersetzer.


    Wer war George? Lassen wir mal die Jungs (und Mädels natürlich) vom Projekt Gutenberg an seine Biographie ran:


    "Geboren am 12.07.1868 in Büdelsheim (Hessen), gestorben am 04.12.1933 in Minusio (bei Locarno). George war Sohn eines Gastwirts und Weinhändlers. Seit 1888 unternahm er Reisen durch Europa, hatte aber keinen festen Wohnsitz. Er studierte in Paris, Berlin, München und Wien. Er machte Bekanntschaft mit Mallarmé, Verlaine, Rodin und Hofmannsthal. Seit 1900 pflegte er eine strenge Lebensführung auf der Grundlage der Männerfreundschaft mit einer gleichgesinnten Elite. George ist ein bedeutender Lyriker der deutschen Neuromantik."


    Er pflegte also "eine strenge Lebensführung auf der Grundlage der Männerfreundschaft" - das haben sie schön gesagt, nicht wahr, die vom Gutenberg-Projekt. Was sie wirklich meinten ist, dass George schwul war wie die Nacht. Aber dieses Coming Out ist für die Gutenberger noch zu früh. Und an ihrer Aussage, dass George seine Freundschaften "mit einer gleichgesinnten Elite" pflegte, sind Zweifel erlaubt. Denn George war er sein ganzes Leben lang auf der Suche nach sehr dehnbaren Gesässen, besonders unter Arbeiterburschen. Ein besonders flexibles Rektum hatte ein gewisser "Maximin", was Georges Kultname für ihn war. George hat ihn angebetet.


    Aber das ist alles zweitrangig, denn George hat einige der besten Gedichte des 20. Jahrhunderts geschrieben - nur eine Handvoll, aber die sollte man kennen. Fangen wir mal an (Ausschnitte):


    Ich fahre heim auf reichem kahne ·
    Das ziel erwacht Im abendrot ·
    Vom maste weht die weisse fahne
    Wir übereilen manches boot.


    Die alten ufer und gebäude
    Die alten glocken neu mir sind ·
    Mit der verheissung neuer freude
    Bereden mich die winde lind. (...)


    Nach der Lese


    Komm in den totgesagten park und schau :
    Der schimmer ferner lächelnder gestade ·
    Der reinen wolken unverhofftes blau
    Erhellt die weiher und die bunten pfade.


    (...)


    Der hügel wo wir wandeln liegt im schatten ·
    Indes der drüben noch im lichte webt ·
    Der mond auf seinen zarten grünen matten
    Nur erst als kleine weisse wolke schwebt.


    Manche von Georges Versen sind so gut wie eine Melodie von Mozart oder Schubert. Es ist schlechterdings unbegreiflich, wie ein Mensch so gute Verse schreiben kann. Nicht alles von George ist so gut, manches ist schwülstig, das meiste elitär, einiges grausam und abstossend - und trotzdem war dieser Mann ein großer Dichter.


    Es ist schön, dass dieser Band nun vorliegt. Das einzige, was mir fehlt, ist eine kenntnisreiches Vor-oder Nachwort eines Literaturwissenschaftlers.


    Stefan George - Die Gedichte. Gebundene Ausgabe - 983 Seiten - Klett-Cotta. € 23,-
    Erscheinungsdatum: Oktober 2003