Beiträge von Alexander R.

    Juri Meister hat schon zwei Bücher geschrieben: "Grillen ist Krieg!" und "Die dümmsten Autofahrer der Welt". Das Neue erscheint Ende Oktober und heißt "Nackt fahren streng verboten".


    ASIN/ISBN: 3809441481


    Bei der Arbeitsteilung war ich eher so der Juri und Anja der Meister. :-) Aber mit beiden zusammen ist daraus ein ganz unterhaltsames Büchlein geworden. Wer zum Exempel immer schon Gottes StVO kennenlernen wollte oder etwas über Gorillas auf Rücksitzen lernen möchte, der kann sich hier informieren.

    Wir reden hier über einen Herrn, dem unbeabsichtigt Sätze herausrutschen wie: Die Serben sind noch größere Opfer als die Juden.


    Jetzt habe ich's getan. Ich habe polarisiert. Dabei liegen die Fakten auf dem Tisch, und es geht nur noch um ihre Bewertung. Nur noch? Es scheint mir, das ist die eigentliche Crux.


    Als ich hier den Begriff "alternative Fakten" einbrachte, da ging es mir um Kriegsverbrechen. So wie Bora Ćosić im oben verlinkten Artikel in der NZZ ironisch fragt: "Was ist Wahrheit? - (...) Vielleicht hat ja Serbien vor dreissig Jahren gar nicht unzählige Verbrechen an der nichtserbischen Bevölkerung begangen, wie vielleicht auch die anderen nicht etwas Ähnliches an den Serben verübt haben?"


    HD benutzt die "alternativen Fakten" zuletzt, um "unlautere Bashings" gegen Handke zu bezeichnen. Der Unterschied ist vielleicht von Belang: Einmal geht es um Fakten (Kriegsverbrechen), das andere Mal um Wertungen (Ist der Handke wirklich so verkommen?).


    Die eine Seite argumentiert, dass Handke Fakten verdreht, so etwa der Premierminister Albaniens, Edi Rama. Er schreibt in der Welt, Handke rufe zum Hass auf und verstärke Vorurteile. Überhaupt scheinen mir Menschen mit direktem Bezug zu den Balkankriegen weitaus weniger Verständnis für den diesjährigen Literatur-Nobelpreis zu haben als Außenstehende.


    Die andere Seite gibt sich gern abgeklärt. Was war denn eigentlich so schlimm? Und Stockholm hat sich ja auch noch einmal geäußert. (Was ich selbst für eine Schwäche halte. Die Rechtfertigungshaltung von zwei Mitgliedern zeugt davon, dass die Entscheidung nicht für sich alleine stehen kann.)


    Und so geht die Debatte ja auch weiter. Der "Standard" schreibt, "mit der Verabschiedung von prinzipiellen Überlegungen und kultivierten Urteilen sabotieren sich Intellektuelle wie Handke selbst – und Institutionen wie die Schwedische Akademie."


    Gibt es keine Conclusio? Keine Synthese? Was bringt die Dialektik eigentlich noch, wenn man sie mal braucht?


    Wahrscheinlich gar nichts. Höchstens eins fällt mir ein. Im Spiegel formuliert das Tijan Sila in einem Gespräch mit Arno Frank, wo beide Seiten aufeinandertreffen: "Gegenfrage: Warum hat Dich gerade dieser Preis in eine solche Bestätigungslaune versetzt? Wieso gerade Handke? Was ist es an ihm, das Leute in die Bereitschaft versetzt, dieses krasse Nebeneinander von Werk und Scheiße auszuhalten?"


    Wenn man also umgekehrt fragt: Warum eigentlich ausgerechnet Handke? Weil „die politische Korrektheit eine krachende Ohrfeige erhalten“ hat? Toms verlinkter Kommentar in der FAZ zitiert Denis Scheck ja gleich zu Anfang.


    Vielleicht sollte das die richtige Reihenfolge sein: Man fragt sich, warum jemand den Nobelpreis für Literatur erhält, anstatt ein Ergebnis auf Teufel komm raus verteidigen zu wollen. Was sind die Voraussetzungen?


    Wiki schreibt, dass Nobelpreise allgemein „denen zugeteilt werden, die […] der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. Es "soll mit dem Preis für Literatur ausgezeichnet werden, wer „das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat“.


    Ist Handke das? Dann bitte.

    Ich bin auf einen Artikel in der NZZ gestoßen, der mich beeindruckt hat. Und nachdenklich gemacht hat. Geschrieben ist er vom serbischen Schriftsteller Bora Ćosić, der in den neunziger und nuller Jahren zu den maßgeblichen Kritikern von Handkes einseitiger Parteinahme für das nationalistische Serbien gehörte.


    Er schreibt mit anderen Worten: Wer Peter Handke sagt, muss auch Knut Hamsun sagen, muss auch Ezra Pound sagen: Absolution für Knut Hamsun.


    Und das meint er im wahren Sinne einer Absolution, für literarische Ästhetik, für einen Dichter von großem Format.


    Über Hamsun schreibt er: "Er stand auf der Seite eines verbrecherischen Staates, vergötterte seinen Führer, vertrat dessen Ideen. Er nahm nicht an kriminellen Handlungen teil, führte keine Menschen in Gaswagen, hängte sie nicht auf und metzelte sie nicht ab. Er zog angesichts dieser Ereignisse lediglich den Kopf ein, weil er sie für gerecht hielt."


    Parrallel nimmt er Handke wahr: "Ein halbes Jahrhundert nach Hamsun stand er auf der Seite eines verbrecherischen Staates, vergötterte seinen Führer, eignete sich dessen Ideen an. Er nahm nicht an kriminellen Handlungen teil, schoss nicht aus Kanonen auf Sarajevo, prahlte nicht mit dem abgeschnittenen Ohr eines Kroaten. Er zog angesichts dieser Ereignisse lediglich den Kopf ein, weil er sie für gerecht hielt."


    Schließlich widmet Ćosić sich der Frage, die auch hier schon auftauchte: Was ist Wahrheit? Er zitiert Mark Antons Verteidigungsrede: Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann.


    Ein beachtlicher Kommentar. Den muss ich ein wenig sacken lassen. Und demnächst will ich ein Buch von Ćosić lesen.

    Ich möchte noch anmerken, dass ich Petersens Stellungnahme deutlich, aber auch ausgewogen finde. Allerdings, wie SPON am Schluss schreibt: "In einer früheren Fassung wurde Henrik Petersen als Mitglied der Schwedischen Akademie eingeführt. Er gehört dem Nobelpreiskomitee für Literatur aber als externer Experte an." Welche Stoßrichtung soll seine Stellungnahme also sonst haben?

    Nun hat sich auch das Nobelpreiskomitee geäußert und eine Stellungnahme zu ihrer Entscheidung abgegeben.

    Dies ist keine Äußerung des Komitees. Herr Petersen schreibt: "Der Deutlichkeit halber: Ich tue dies in meiner Funktion als einzelnes Mitglied des externen Nobelkomitees und nicht als offizieller Sprecher der Schwedischen Akademie."

    Er bestätigt mich hinsichtlich meiner Zweifel, das Handke nie den Genozid befürwortet hat.

    Das hat auch niemand behauptet.


    Ich hatte die Stellungnahme schon heute Vormittag gelesen und hatte noch keine Zeit, darauf einzugehen. Herr Petersen spricht eine ganze Reihe von Punkten an, etwa die Position der Mütter von Srebrenica. Du zitierst da selektiv, HD.

    Hi Tom,


    Konstantin Wecker lässt seinen "Sturmbannführer Meier" lallen, als er seine aktuellen Chancen auslotet: "Uns hilft die Zeit und der Zeitgeist, Freunde, und die historische Wahrheit."


    Ich bezweifle, dass die Wahrheit, die ihm als historisch gilt, der Historie gerecht wird. Ach was: Ich bestreite das entschieden. So betrachte ich jedoch nicht jede historische Wahrheit.

    Und ich glaube, dem Mann wird unrecht getan, so, wie er zweifelsohne auch an Unrecht beteiligt war. Aber er hat den Literatur-Nobelpreis so sehr verdient oder nicht verdient wie jeder andere, der seine Qualitäten aufweist. Er zeigt seine Scheiße wenigstens und steht dazu. Bei allen anderen riecht man sie nur.

    In diesem Zitat sehe ich etwas von der Beliebigkeit, die ich auch in Deinen Äußerungen zur historischen Wahrheit sehe. (Oder meine zu sehen.) Das hat für mich etwas von Larifari, Wischiwaschi. Es ist doch nicht beliebig, wie man historische Ereignisse beurteilt, und genauso wenig ist es doch beliebig, was für einem Menschen man den Nobelpreis für Literatur verleiht. (Oben hatte ich Knut Hamsun als Vergleich genannt. Mit einem Vergleich setze ich die beiden aber nicht gleich.)


    Wenn Du von Handkes Qualitäten sprichst, dann meinst Du seine literarischen, nehme ich an. Der Preis hat aber Kriterien, die sein Träger erfüllen muss. Oben hatte ich das schon einmal aus der taz zitiert, hier noch einmal aus Wiki: "Der Nobelpreis für Literatur ist einer der fünf von Alfred Nobel gestifteten Preise, die „denen zugeteilt werden, die […] der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“.[1] (...) Nach Nobels Testament, das den Statuten der Nobel-Stiftung zugrunde liegt, soll mit dem Preis für Literatur ausgezeichnet werden, wer „das Vorzüglichste in idealer Richtung geschaffen hat“."


    Und genau darüber kann man sich bei Handke schon mal verschärft Gedanken machen, zurückhaltend formuliert.


    Die Amerikaner sagen: Actions speak louder than words. Dazu hier noch ein Verweis auf die FAZ: Immerhin kein Friedensnobelpreis - "Die Frage, ob er etwas von dem Werk des Dichters kenne, verneinte Suljagić am Freitag mit der Bemerkung, Überlebende oder Hinterbliebene wie er seien statt mit Lektüre damit beschäftigt gewesen, nach ihren Familien und Freunden zu suchen, die in Massengräbern liegen, deren Existenz Handke bestreite. Die sarkastische Reaktion Suljagićs wird all jene nicht überraschen, die wissen, dass Handke sich nach dem Massaker zu einem freundschaftlichen Beisammensein mit einem der beiden Haupttäter traf. Im Dezember 1996, als zwar noch längst nicht alle Opfer aus den Massengräbern geborgen waren, aber alle Welt von der bosnischen Tragödie wusste oder zumindest wissen konnte, traf sich Handke mit Radovan Karadžić, der den Überfall auf die vermeintliche „UN-Schutzzone“ befohlen hatte und damals bereits wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie anderer Untaten vom Kriegsverbrechertribunal angeklagt war. Man trank Pflaumenschnaps, schenkte sich gegenseitig Bücher, plauderte, und es war wohl auch sonst ein feiner Tag. Inzwischen, das muss der Vollständigkeit halber gesagt werden, haben sich die Wege der beiden Männer getrennt. Handke ist Nobelpreisträger für Literatur, Karadžić zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein damaliges Treffen begründete Handke später mit seinem Wunsch „nach einem höheren Maß an Wahrhaftigkeit“ – was immer das im Fall Srebrenica bedeuten soll."

    "Historische Wahrheiten", so so.

    Hallo Tom,


    ich musste erst selbst nachschauen, worauf Du Dich beziehst. Du meinst das Zitat des PEN-Zentrum Deutschlands: "Mit Peter Handke wird ein Schriftsteller gewürdigt, der durch die Verbreitung falscher Informationen und die Leugnung historischer Wahrheiten schreckliche Gewaltverbrechen in Frage gestellt hat."


    Ich möchte diesmal gar nichts verlinken. ;-) Stattdessen möchte ich eine Gegenthese zu Deiner formulieren, oder vielmehr zwei Fragen: Kann es sein, dass wir uns an "alternative Fakten" gewöhnt haben? Ist es möglich, dass es eine Freude am "politisch Inkorrekten" gibt?


    Du hast schon recht mit Deiner Kritik am Aufregen. Heute macht die "Zeit" auf Seite 1 mit Handke auf. Für meinen Geschmack allerdings gibt es viel unwichtigere öffentliche Aufreger-Themen als dieses.


    "Wahrheit" ist in der Tat ein schwieriges Thema. Wenn Plato darüber schreibt, sehe ich das auch kritisch (als Popper-Fan). Aber wir sind hier nicht in der Philosophie. Es geht ja um Krieg, nicht um Höhlengleichnisse.

    Salman Rushdie hat Handke 1999 als Anwärter auf den Titel "Internationaler Schwachkopf des Jahres" bezeichnet, wegen seines proserbischen Engagements im Kosovo-Krieg.


    Das klingt ja scheinbar lustig und passt zu einem Läster-Thread, aber das ist es nicht.


    Der Nobelpreis für Literatur wird nicht für ein Werk verliehen, sondern für den Literaten, den Menschen: "Der Nobelpreis wird laut Satzung jenen zuteil „die […] der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. In der Literatur heißt das: jenen, die „das Vorzüglichste in idealer Richtung geschaffen haben“."


    Und etwa die Mütter von Srebrenica reagieren auf diesen Menschen und fordern, ihm den Preis abzuerkennen (siehe erster Link): "Die Opferrechtsorganisation Mütter von Srebrenica fordert die Schwedische Akademie auf, Handke die Auszeichnung zu entziehen. „Es ist traurig, dass ein so wichtiger Preis dem Leugner des Genozids in Srebrenica verliehen wurde, wenn alle wissen, was in Srebrenica passiert ist“, sagte Organisationsleiterin Munira Subasic. Damit sei die Botschaft verschickt worden, dass man ungeachtet dessen, was man in der Vergangenheit getan hat, Preise und Auszeichnungen gewinnen könne. „Mit dieser Entscheidung wurden die Mütter von Srebrenica, die ihre Söhne, Männer und Brüder verloren haben, noch einmal verletzt und ins Herz getroffen“, sagte sie."


    Und das PEN-Zentrum Deutschland schließt sich PEN America an: "Das deutsche PEN-Zentrum nimmt die Vergabe des Literaturnobelpreises 2019 an den österreichischen Schriftsteller Peter Handke mit Verwunderung zur Kenntnis. (...) Wo genau die schwedische Akademie eine idealistische Richtung in Handkes öffentlicher Parteinahme für Slobodan Milošević und Radovan Karadžić erkennen will, teilt sich uns nicht mit. (...) Mit Peter Handke wird ein Schriftsteller gewürdigt, der durch die Verbreitung falscher Informationen und die Leugnung historischer Wahrheiten schreckliche Gewaltverbrechen in Frage gestellt hat. In einem Zeitalter des zunehmenden Nationalismus, der autokratischen Führung und der weit verbreiteten Desinformation auf der ganzen Welt bedauern wir ebenso wie PEN America die Entscheidung des Nobelkomitees für Literatur."


    Die taz habe ich hier zwar schon zitiert, was ich sehr selten mache, aber den Absatz zitiere ich noch direkt: "Lange vor Donald Trump attackierte Handke in seinen Texten die Medien als Verbreiter von Fake News. Bei einem öffentlichen Auftritt in Serbien erzählte er, wie „Unter Tränen fragend“ entstand. Er sagte dort, er habe es geschrieben, weil er keine Antwort darauf habe, weshalb Serbien bombardiert wurde und den Menschen dort dieses Leid zuteil wurde."

    Zur Zeit bin ich hin und her gerissen und auch etwas verunsichert. Als PC-Laie, welcher ich nun einmal bin, habe ich nicht wirklich eine Ahnung vom Schreiben, einzig meine Gedanken hält es am Leben.

    Das wird schon alles mit der Zeit. Hier kochen auch alle nur mit Wasser. :gimme5


    Wo und wie kann ich schreiben? Hier im Forum gibt es da keine Möglichkeiten.

    Es gibt hier ein "Forum für Besprechung und Analyse" - darin gibt es die Besprechungstexte (BTs), die Horst-Dieter schon genannt hat, eine Lyrik-Runde und auch eine Textwerkstatt für kürzere Texte. Wahrscheinlich kannst Du diesen Bereich in der Forenübersicht noch nicht sehen - unser Administrator Christian kann Dich dafür aber freischalten, wenn Du ihm (vertraulich) Deine Personaldaten schickst.


    Um sinngemäß meinen Bundespräsidenten Van der Bellen zu zitieren: "Wir kriegen das alles hin!" :-)