Beiträge von Kaelo

    Der Vollständigkeit halber eine kleine Ergänzung zum Anfang des Buches, den TWJ nicht gelesen und entsprechend bei seiner Rezension ausgespart hat, dem autobiographischen Teil, der knapp 100 Seiten in Anspruch nimmt:


    Stephen King bezeichnet den Buchanfang ausdrücklich als Lebenslauf und nicht als Autobiographie. Dementsprechend kurzgefaßt sind die intimen Einblicke, die er uns in sein Leben gewährt: die Armut, in der er mit seiner alleinerziehenden Mutter und seinem Bruder aufgewachsen ist, nachdem sich der Vater aus dem Staub gemacht hat, seine Schulzeit, in der er sich mit seinen frühen literarischen Ambitionen nur Ärger einhandelte, seine erste Begegnung mit seiner späteren Ehefrau. Auch seine massiven Alkohol- und Drogenprobleme spart er nicht aus. Alles in allem genügend Stoff, aus dem andere tatsächlich eine 700seitige Lebensgeschichte zusammengezimmert hätten, aber das war nicht Kings Intention.


    Bei allem erlebten Elend gelingt es Stephen King, niemals pathetisch zu klingen und niemals wehleidig zu klagen; ganz so, wie es ihm seine damals schwerkranke Mutter und davor der Großvater vorgelebt haben. Er ordnet seinen Lebenslauf völlig dem Hauptthema des Buches unter, dem Schreiben. Der Leser erfährt, wie King zu den Themen seiner ersten Werke gelangte, wie er sich anfangs zum Charakteraufbau einiger Beispiele aus dem realen Leben bediente und - man traut es ihm aufgrund des von ihm abgegrasten Genres kaum zu - bei der Beschreibung dieser Real-Anleihen tatsächlich starke Emotionen im Leser zu wecken versteht, obwohl er selbst das Geschehene eher mit der in einer großen zeitlichen Distanz begründeten Abgeklärtheit schildert.
    Stephen King gibt sich keinerlei Illusionen bezüglich seines literarischen Schaffens hin. Schon die Lehrerin hatte ihm in der Schule vorgeworfen, sein Talent zu vergeuden, und er selbst akzeptiert, daß sie damit richtiggelegen hat. Er könnte sicher auch anders - dieser Lebenslauf läßt es in Ansätzen erkennen - aber er will nicht. Er steht zu dem, was er schreibt, und das macht ihn mir, der ich vor langer Zeit zwei Romane von ihm durchaus mit Spannung gelesen habe, aber kein Fan von ihm oder seinem Genre bin, sympathisch.


    Zitat


    Stellen Sie Ihren Schreibtisch in eine Ecke, und wann immer Sie sich ans Schreiben machen, halten Sie sich vor Augen, warum er nicht in der Mitte des Zimmers steht. Das Leben ist kein Stützgerüst für die Kunst. Es ist andersherum. Stephen King


    Fazit: Auch der erste Teil des Buches ist durchaus lesenswert - auch für Leser, die weder King noch Horror mögen - zum zweiten Teil hat sich TWJ bei der Threaderöffnung ausführlich geäußert.


    Kaelo

    Hi Sarah,
    hier ist schon so viel Richtiges und Wichtiges geschrieben worden, daß es da nicht viel von mir zu ergänzen gibt. Kannst Du Dir vorstellen, mit Interesse(!) einen Roman zu lesen, in dem Du dreihundert Seiten lang mit Formulierungen beschossen wirst wie "Sie war unglaublich hübsch", "Er hatte einen drahtigen Körper" oder "Das Haus war eine architektonische Meisterleistung"? Spätestens auf der letzten Seite würdest Du sicher feststellen, daß die hübsche Protagonistin immer noch kein Gesicht hat, Du nicht weißt, ob der drahtige Körper einem 1,60 Meter großen Bonsai-Latino oder einem Dolph-Lundgren-Double gehört und ob das Haus ein High-Tech-Bungalow oder eine Renaissance-Villa ist, es sei denn, der Autor hätte alle Einzelheiten per Checklist abgearbeitet. Das wären sehr krasse Beispiele für eine Überfütterung mit dem nach dem gleichnamigen Wilhelm benannten Tell.
    Beim Schwerpunkt Show ist das bereits angesprochene Zwischen-den-Zeilen-Mitteilen imo nicht unwichtig. Wenn zum Beispiel während eines im Garten ausgetauschten (heißt das wirklich so?) Kusses "die Abendsonne den Spitzgiebel des Hauses sanft als Schatten auf dem vom Gärtner streichholzkurz gehaltenen Englischen Rasen ausbreitet" hättest Du - in diesem Beispiel natürlich leicht überzogen - an einer Stelle, an der es eigentlich gar keine Rolle spielt, einen visuellen Baustein zum Haus abgeliefert (mit Spitzgiebel ist es schon mal kein Bungalow) und auch die Vermögensverhältnisse (in Hartz IV-Haushalten werden selten Gärtner beschäftigt) in eine bestimmte Richtung gerückt. Du bist also nicht darauf angewiesen, sämtliche Infos auf einen Haufen zu packen, sondern wirfst dem Leser Puzzle-Teile hin, die er sich selbst zum Bild zusammensetzt.
    Bei Short-Storys und besonders Wettbewerbsbeiträgen gelten - häufig wegen der Zeichenbegrenzung - oft andere Regeln. Da bleibt kein Raum, in dem sich Charaktere entwickeln und Bilder zusammenfügen können, da muß der Leser notgedrungen vorwiegend mit der Technik des Armbrust-Mannes vorliebnehmen. :albern
    Viele Grüße aus'm Pott
    Kaelo

    Hi Michael,


    Zitat

    Original von Michael Höfler


    als ich später angefangen habe, die dinge kritisch zu hinterfragen, wurde sie immer persönlich ("warum bist du so?").


    war bei mir ähnlich oder schlimmer. Kindern wird ständig mit göttlichen Konsequenzen bei Fehlverhalten gedroht, und das in einem Alter, in dem sie völlig wehrlos sind und eigentlich elterlichen Schutzes bedürften. Für mich grenzt das an Machtmißbrauch oder - wenn diese Formulierungen nicht primär sexuellen Delikten vorbehalten wäre - Mißbrauch von Abhängigen oder Schutzbefohlenen (über den sich natürlich niemand im klaren ist, weil's ja dem Standard entspricht), und deswegen spreche ich auch von Indoktrination.


    Zitat

    da sind mir heute die katholiken sympatischer: sonntag früh beten und beichten und danach geht's in wirtshaus.


    ... und dann anschließend wird gesündigt, damit's am nächsten Sonntag wieder etwas zu beichten gibt. Stimmt, das hätte was. Aber meinst Du wirklich, dabei würden sie's bewenden lassen? ;)
    Tüß
    Kaelo

    Langsam kommt es mir in diesem Thread vor, als müßten Nichtraucher Kettenqualmern gegenüber rechtfertigen, warum sie nicht rauchen. Ziemlich absurd, das Ganze. Und jeder Versuch, mit von Kindheit an indoktrinierten (und somit Pseudo-) Gläubigen eine objektive Diskussion führen zu wollen, scheint unweigerlich zum Scheitern verurteilt.
    Meine diesbezügliche Vorstellung vom Paradies auf Erden (man merkt, ich war mal evangelisch ;)): Es gäbe ein weltumfassendes Verbot, Kinder vor Vollendung ihres 16. Lebensjahres mit wie auch immer gearteten religiösen Dogmen zu behelligen. Anschließend würden ihnen sowohl sämtliche religiösen Phantasien (incl. Zen-Buddhismus, Shinto, Zeugen Jehovas, Scientology etc.) als auch Atheismus, Agnostizismus etc. als gleichwertig vorgestellt. Erst dann dürften (nicht müßten) die Kinder entscheiden, ob sie überhaupt etwas von alledem glauben oder nicht. Auf das Ergebnis wäre ich gespannt. Leider werden wir's niemals erfahren.
    Kaelo

    Hi Michael,


    Zitat

    Original von Michael Höfler


    Was mich gestört hat war, dass Onfray an die Stelle des Glaubensdogmas sofort das Dogma der Nichtexistenz Gottes setzt. Einen agnostischer Ansatz, der nur vom Unwissen ausgeht, hätte ich persönlich besser gefunden.


    es mag auf den ersten Blick provokativ klingen, ist aber keineswegs so gemeint: Wenn ich behaupten würde, daß die gefiederte, goldspuckende Kampfschildkröte von Wanne-Eickel die Cranger Kirmes geschaffen hat, würdest Du nicht sagen "die gibt's nicht", sondern "an die glaube ich nicht"? Was wäre, wenn nicht nur ich, sondern 50.000 andere Menschen das erzählten? Und wie wär's bei 500.000? Bei 100 Millionen? Bei einer Milliarde? Würde das irgendetwas an Deiner ersten Antwort (ich mutmaße "die gibt's nicht") ändern? Wird ein Hirngespinst wahr, wenn genügend Menschen daran glauben? Wenn ja, wo wäre die Grenze? Ich finde, daß Onfray mit dem Ansatz der Nichtexistenz Gottes seiner im Buch verfolgten Linie treu bleibt. Für ein Dogma halte ich den Atheismus übrigens keinesfalls, ich stimme aber Deiner Formulierung insofern zu, daß Onfray (leider, imo) tatsächlich den Anschein erweckt, ihn dogmatisieren zu wollen. Unterm Strich wäre es aber ohnehin relativ wurscht: Sowohl Agnostizismus (der demnach ja dann auch ein Dogma wäre) als auch Atheismus würden das Übel langfristig beseitigen.


    Zitat

    So werden die paar Religiösen, die das lesen, es als Hasstirade und Gottesprüfung abtun. Das ist schade aus all den starken Argumenten, die das Buch liefert.


    :D Das werden sie auch so. Jede Wette. Trotz all der starken Argumente, die das Buch liefert.


    Undogmatische Grüße aus'm Pott


    Kaelo

    Tach zusammen,
    ich habe das Buch gelesen und Toms threadbegründenden Anmerkungen nicht viel hinzuzufügen. Lediglich des Autors Haß, den Tom angesprochen hat, habe ich nicht als solchen empfunden. Aus meiner Sicht kommentiert Onfray das Geschehen mit einem angemessenen Zynismus, der wohl zwangsläufig entsteht, wenn man sich als intelligenter Mensch so intensiv und ausführlich mit einem Thema beschäftigt, dessen verheerende Auswirkungen auf quasi überhaupt keinem Boden – nicht einmal Sand – stehen. Ich stimme mit Toms Einschätzung überein, daß Menschen, die dieses Buch lesen sollten, es nicht tun werden, und zwar primär deshalb, weil ihnen der Glaube und die Religion auf die bewährte und althergebrachte Art eingehämmert worden sind, die einen objektiven oder gar kritischen Umgang mit der Materie a priori verbietet (Ich selbst war mal evangelisch und bin sogar konfirmiert worden, also weiß ich durchaus, wovon ich rede).
    Als Atheist habe ich es gerne gelesen, obwohl es mir inhaltlich nichts Neues gebracht hat und für meinen persönlichen Standpunkt (Es gibt nicht den allergeringsten Hinweis auf die Existenz eines Gottes oder einer vergleichbaren Institution, ergo ist der Glaube an ihn, es oder was auch immer völlig irrational und intellektuell nicht nachvollziehbar) genaugenommen gänzlich überflüssig war, weil es sich ausschließlich mit den Auswirkungen von etwas beschäftigt, das es nach meiner Auffassung gar nicht gibt / geben dürfte.
    Viel Spaß beim Lesen
    Kaelo

    Hi Flashfrog,
    Deine Reaktionen lassen vermuten, daß Du durchaus selbst in der Lage bist herauszufinden, daß es hier nicht ausschließlich versmaß- und endreimlegasthenische Dummschwätzer gibt, die behaupten, daß seit 180 Jahren verstorbene Personen in einem bestimmten Haus leben ; aber sicherheitshalber weise ich noch einmal explizit darauf hin, daß die meisten hier wenigstens einigermaßen sauber ticken.
    Tüß
    Kaelo

    Zitat

    Original von flashfrog


    Was muss ich da als Begründung reinschreiben?


    "Masochismus" reicht völlig. :evil


    Kaelo (Sternzeichen Storch)

    Hi Siegfried,


    Zitat

    Original von siegfried


    Religionen sind sehr gut zu verwenden, wenn man so hässliche Motive wie Profit- oder Machtgier verschleiern will. Menschenmassen lassen sich besser in Wallung bringen, wenn Un- oder Falschgläubige angeblich ihren Gott beleidigt haben.


    das widerspricht nicht unbedingt dem, was ich bisher in besagtem Buch gelesen habe. Onfray bezeichnet sinngemäß die Religion als Gegenpol zum realen Leben (und auch zur Intelligenz, btw). Natürlich beinhaltet das ´ne ordentliche Portion Polemik, aber was wäre beispielsweise, wenn sich Katholiken nicht durch ein paar Ave Marias und ähnliche Spielchen von ihren Sünden reinwaschen könnten? Wäre die Welt dann besser, weil die Menschen weniger sündigen würden, oder wäre sie gar schlechter, weil man, wenn man einmal gesündigt hat, ohnehin verloren wäre? Gäbe es überhaupt noch die Sünde, und was wäre das?
    Die spannende, aber leider nicht zu klärende Frage in unserer Diskussion wäre: Was wäre, wenn es niemals Religion gegeben hätte und sich die Kriegsherren nicht hinter ihr hätten verschanzen können? Hätte es diese Kriege trotzdem gegeben? Mögliche Antworten: 1. ja, dann eben aus anderen Gründen, 2. nein, wo es keinen anders- oder ungläubigen Gegner gibt, gibt´s auch keinen Grund für einen Krieg.


    Aber das werden wir nie erfahren. Behaupte ich einfach, und davon bringt mich auch keine Allwissende Müllhalde ab.


    Viele Grüße aus´m Pott


    Kaelo

    Tach HD,


    Zitat

    Original von Horst Dieter


    du hast weiter oben selber geschrieben, dass du nichts von der Materie verstehst.


    aus gutem Grund. Weil ich vom Backgroundwissen z. B. eines M. Onfray meilenweit entfernt bin, was nicht ausschließt, daß ich mich mit dem Thema in der Vergangenheit sehr intensiv befaßt habe. Und die Tatsache, daß Du Dich in vergleichberer Situation befindest, im Gegensatz zu mir aber den Eindruck zu erwecken versuchst, den Status der allwissenden Müllhalde zu besitzen, qualifiziert Dich keinen Deut mehr als mich, auch wenn Du Dir das noch so sehr einredest.


    Zitat

    Das unterstreichst du auch durch deine Zitate, die nichts mit meiner Behauptung zu tun haben und sie auch nicht wiederlegen.


    Es handelt sich um Zitate aus dem Koran. Sie sind sehr eindeutig in ihrer Aussage und stehen dadurch in krassem Gegensatz zu Deiner durch nichts zu beweisenden und durch gebetsmühlenartiges Wiederkäuen auch nicht richtiger werdenden Behauptung, daß Religionskriege kausal nichts mit Religion zu tun haben; diese Deine Behauptung will ich auch gar nicht widerlegen. Ich würde ja auch nicht widerlegen wollen, wenn morgen jemand behaupten würde, die Erde sei ein Würfel.


    Zitat

    Mit Polemik kommt man eben nicht weiter als bis zu seiner eigenen Haustür.


    Sei nicht traurig, vielleicht kommt Dich ja dort gelegentlich jemand besuchen. Da dem Zitieren von Koran-Suren ja nun bei allem Unwohlwollen nichts Polemisches abzugewinnen ist, hast Du Dich einmal mehr selbst ins Knie geschossen, und diesbezüglich hast Du ja mittlerweile eine erstaunliche Treffsicherheit entwickelt.
    Btw: Ich habe die ersten 80 Seiten des Werkes, um das es hier eigentlich geht (notabene!), gelesen, und wenn Du es Dir tatsächlich kaufen solltest, versuch am besten gleich bei Hugendubel die E-Mail-Adresse des Autors zu ergattern, damit Du ihn umgehend über seine unhaltbaren Fehleinschätzungen aufklären kannst.
    Tüß
    Kaelo

    Moin HD,


    Zitat

    Original von Horst Dieter


    ... ist ähnlich unkorrekt wie Kaelos Polemik. In der Regel sind diese Massenschlachtungen - auch wenn Sie unter religiösen Ansprüchen begangen wurden, NICHT religiös motiviert, sondern in den allermeisten Fällen politisch.


    tja, wenn Du das behauptest, hat es selbstverständlich seine unumstößliche objektive Richtigkeit. Unter diesem Aspekt muß ich allerdings zugeben, daß z. B. die Islamisten ihre wahren Beweggründe unglaublich subtil zu verbergen verstehen:


    Zitat

    Sure 2,191
    "Tötet sie (die Ungläubigen), wo immer ihr auf sie stoßt."


    Sure 2,193
    "Und wenn Ihr auf diejenigen trefft, die den Glauben verweigert haben, so gilt das Schlagen der Genicke, bis, wenn Ihr sie niedergekämpft habt, Ihr dann die Fesseln festmacht."


    Sure 8,12 - 13
    "Ich werde in die Herzen der Glaubensverweigerer den Schrecken werfen, dann schlagt ein auf die Hälse und schlagt von ihnen alle Fingerkuppen ab." Erklärung in Vers 13: "Weil sie sich Allah und seinen Gesandten widersetzt haben, und wer sich Allah und seinem Gesandten widersetzt, wird von Allah hart bestraft."


    Genial, ich hätte - im Gegensatz zu Dir - in meiner kindlichen Naivität niemals die hochpolitische Motivation dahinter erkannt.


    Zitat

    Original von Horst Dieter


    ... es sei denn, man möchte die Fakten so (um)deuten, dass man seine Meinung dadurch belegen kann ...


    Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. :evil Ich habe mir das Buch übrigens gerade gekauft.


    Good night


    Kaelo

    Tach zusammen,
    Fakt ist doch, daß mehrere Millionen Menschen ausdrücklich im Namen der verschiedenen Religionen ihr Leben in sinnlosen Kriegen verloren haben und noch verlieren werden, wohingegen mir nicht ein einziger Krieg bekannt ist, der explizit im Namen des Atheismus stattgefunden hätte. Ist aber nicht mein Fachgebiet, daher lasse ich mich gerne eines Besseren belehren.
    Pazifistische Grüße
    Kaelo