Nichts als Ärger mit den Landkraken
Es gibt ja nichts schöneres als Romanserien. Manche erscheinen seit 1962 Woche für Woche, andere bringen es nur auf wenige, dafür aber wuchtige und gehaltvolle Bände. Charles Sheffields Romane um die Abenteuer der Archäologin Darya Lang, ihre Suche nach der Wahrheit über die Baumeister, eine rätselhafte und ausgestorbene Spezies und über die sehr lebendigen Gefahren jenseits ihrer Studierklause liegen irgendwo dazwischen.
Jüngst kam „Der kalte Tod" heraus, der dritte Band der Romanreihe. In diesem Roman spielen neben den Baumeistern auch die Zardalu die Hauptrolle. Die Zardalu sind eine verschollen geglaubte Spezies von Cephalopoden, die sowohl an Land als auch im Wasser leben – Landkraken eben. Sheffield hat sich hier offenbar von einem mehrteiligen BBC-Dokudrama über die zukünftige Evolution der irdischen Flora und Fauna inspirieren lassen. Denn die zeigte im 3. Teil riesige Landkalmare, die auf ihren muskulösen Tentakeln durch die Urwälder einer fernen Zukunft streifen und dort ähnlich wie die heutigen Elefanten leben.
Leider sind die Zardalu unausstehliche, imperialistische, biotechnisch versierte Fleischfresser, die ihre Mitgeschöpfe entweder als Sklaven oder als Beute betrachten. Ihr Sternenreich war vor 11.000 Jahren von einem allgemeinen Aufstand hinweggefegt worden. Sie selbst verschwanden spurlos, hinterließen aber eine hochentwickelte Biotechnologie, die immer noch benutzt wird.
Im zweiten Band der Serie waren Darya Lang und ihre Gefährten auf einer Baumeister-Welt gestrandet und hatten dabei eine künstliche Intelligenz der Baumeister aktiviert. Die wiederum war darauf programmiert gewesen, im Wettstreit zwischen Zardalu, Menschen und einigen anderen Spezies die fähigsten Nachfolger ihrer Erbauer zu ermitteln. Leider waren erst die Zardalu, dann auch Darya Langs kleine Expedition ausgebüxt.
Allerdings hatte niemand Langs Geschichte geglaubt, denn einen materiellen Beweis, einen Arm mit Saugnäpfen etwa, war sie schuldig geblieben. Aber die Zardalu waren wieder in der Milchstraße unterwegs. Mit knurrenden Mägen, versteht sich.
Darya Lang macht sich also auf, um Beweise für deren Existenz zu sammeln. Mit von der Partie sind Hans Rebka, ein im Bewältigen von Krisen geschulter Verwaltungsbeamter, der Abenteurer, Schatzjäger und Schmuggler Louis Nenda, die Cecropianerin Atvar H’sial, der geschaßte Politiker Julian Graves, der Cyborg C.I. Tally, das Hymenopter-Weibchen Kallik und der Lot’fianer-Übersetzer J’merlia.
Louis Nenda und Atvar H’sial sind im selben Gewerbe tätig und versuchen ständig, sich und andere zu übervorteilen. Die beiden sind nur auf Profite aus, während Lang, Rebka, Julian Graves und Tally nach Beweisen für die Existenz der Zardalu suchen.
Der Lot’fianer-Übersetzer J’merlia ist eigentlich Eigentum von Atvar H’sial, weil Cecropianer, eine Art riesiger Falter, über Pheromone kommunizieren und daher ohne Hilfe eines Lot‘fianers nicht mit Menschen und anderen Spezies sprechen können. Kallik gehört einer anderen Sklavenspezies an und ist Louis Nendas Eigentum.
Verstärkt durch den Vertreter einer nach harter Strahlung süchtigen Spezies, der ihr Raumschiff fliegt, sucht die Expedition nach Genizee, dem vergessenen Ursprungsplaneten der Zardalu. Sie nehmen, und zwar zu Recht, an, daß die Zardalu dorthin geflüchtet sind, um sich dort nach Kräften zu vermehren und wieder eine Machtbasis aufzubauen.
Genizee ist bald gefunden, liegt jedoch in einer gefährlichen Weltraum-Anomalie, in der das Navigieren schwierig ist.
Die Landung gelingt trotzdem und ein bißchen unfreiwillig, denn Genizee wird von einer KI der Baumeister bewacht. Diese KI läßt alle Besucher landen und hilft bei der Landung nach, falls nötig. Aber sie läßt niemanden mehr weg. Auch die Zardalu nicht.
Unsere Expedition wird natürlich erst einmal zerstreut und muß vor den Zardalu und ihrer noch viel hungrigeren Brut flüchten. Zu allem Überfluß stellt sich heraus, daß die KI der Baumeister durch die lange Abwesenheit ihrer Erbauer einen schweren Dachschaden erlitten hat. Sie glaubt, sie habe den Auftrag, Genizee für die Entstehung der Baumeister bereit zu halten. Eine zweite Baumeister-KI, angesiedelt in Genizees künstlichem Mond, hält die nächste schlechte Nachricht bereit: Ähnliche Konstrukte wie sie sind in der ganzen Milchstraße zu finden, und die meisten sind mittlerweile vom langen Warten auf ihre Erbauer verrückt geworden.
Am Ende gelingt die Flucht. Nur Louis Nenda und Atvar H’sial bleiben zurück; sie haben versucht, sich eigenmächtig mit einem kleinen Schiff abzusetzen und werden von der Baumeister-KI im Orbit prompt zurück nach Genizee expediert.
Das Buch ist kurzweilig zu lesen, leidlich spannend und durchaus witzig. So hat Hans Rebka dem Cyborg C.I. Tally verboten, den strahlensüchtigen Raumpiloten in den Reaktorraum des Schiffes zu lassen. Der kommt trotzdem hinein – niemand hat Tally gesagt, er dürfe dem Piloten nicht zeigen, wo die Tür ist und wie das Codeschloß aufgeht.
Allerdings haben sich einige der Grundideen aus den beiden ersten Büchern etwas verbraucht. Die Baumeister und ihre planetengroßen Artefakte sind längst nicht mehr so majestätisch wie im ersten Band „Gezeitensturm". Sheffield nutzt hier die bereits vertrauten Elemente dieses Universums und bringt wenig neues hinzu. Die bizarren Spezies, zwischen denen Menschen gelegentlich alt aussehen (Cecropianer sind wesentlich intelligenter und haben die ältere Kultur), sind gut geschildert. Trotzdem fehlt ihren Kulturen im 3. Band der Serie die Tiefe.
Am Ende kündigt sich eine Zusammenarbeit zwischen Nenda, At’var Hsial und den Zardalu an. Denn alle wollen von Genizee weg. Werden also die Zardalu doch noch zu einigermaßen tolerablen Mitgliedern der galaktischen Völkergemeinschaft? Oder werden sie wieder ihre Nachbarn entweder versklaven oder zu Sushi verarbeiten? Und wo sind überhaupt die Baumeister? Sind sie ausgestorben? Zu Göttern geworden? Ausgewandert? Und was geht in ihren vielen Artefakten vor sich?
Fortsetzung folgt.
Aber mußten die Bösen unbedingt Kraken sein?