Hallo R.G.
ich "kontere" deine leicht manische Textflut jetzt einfach mal mit einem Copy-and-Paste-Auszug aus einem alten Vortrag von mir, über Bausteine der Professionalisierung für AutorInnen und solche, die es werden wollen.
Vielleicht hilft dir das - und ein wenig Ruhe hineinbringen - ein wenig weiter zu deinen vielen Fragen über das Schreiben, das Forum und den ganzen Rest.
...
Handwerk, Wissen, Strategie
Baustein eins ist klar: Handwerk des Schreibens. Bei aller gebotenen Achtung für
künstlerische Freiheit gibt es Maßstäbe, die an Literatur angelegt
werden können und müssen. Ist ein Werk eigenständig? Die
geschriebene Sprache eine besondere? Das Sujet ein Neues? Vielleicht
sogar Grenzen sprengendes? Der erste Chef nach meiner Ausbildung zur
Arzthelferin gab mir nach einer seiner ambulanten OPs bei denen ich
assistierte einen wichtigen Satz mit auf meinen weiteren Berufs- und
Lebensweg. Er beendete eine siebenstichige Naht am Rücken eines
wohlversorgten Patienten...feine Stiche, gerade Fadenführung, glatte
Knoten...betrachtete sie wohlwollend und stieß mit sich sehr
zufrieden aus: „Kunst kommt von Können. Wenn es von Wollen käme,
hieß es Wulst.“
Schreiben,
literarisches Schreiben ist eine Kunst, die man lernen kann und muss.
Wissen ist das zweite wichtige Standbein, auf dem wir als Autorinnen
bodenständig stehen sollten. Wissen um die eigenen Texte und deren
Wirkung. Wissen, um den Literaturmarkt und seine Tücken und Wissen
darüber, sich, seine Arbeit, zu vermarkten, ohne sich zu verkaufen.
Das Wissen über den eigenen Text und dessen Wirkung hilft enorm beim
Finden der eigenen schriftstellerischen Mitte. Was sind meine Themen?
Welche unübersehbaren Schwächen oder Stärken hat meine Sprache? In
welchem Stil und von welcher Farbe sind die Sprachbilder, die ich
male? Realistisch? Impressionistisch? Abstrakt? Ich muss wissen, wie
meine Texte auf andere Wirken. Das hat nichts mit Anbiedern zu tun
oder mit „für den Markt schreiben“ sondern ist erstens: Der
gerechte Lohn für die gemachte Mühe mit dem Wort und für das
Ringen mit Inhalt. Und zweitens versetzt uns dieses Wissen im
günstigsten Fall in die Lage, diese Wirkung auszuspielen, mit ihr zu
spielen. Und zwar bewusst! Das Wissen um und über unseren Text und
dessen Wirkung ist das Ass im Ärmel unserer Absicht. Mit der Absicht
und deren Durchsetzung komme ich nun zur Strategie. Wenn wir das
Handwerk des Schreibens gelernt und obendrein über Feedbacks, Kritik
und Reflexion gelernt haben Wirkung zu komponieren, sind wir viel
eher in der Lage, in einem unüberschaubar großen Markt einen Platz
zu ergattern, eine Nische zu finden oder eine Daseinsberechtigung zu
erzeugen. Schon im Exposé setzten wir dann die richtigen und
auffälligen Glanzpunkte. Bei der Verlagssuche konzentrieren wir uns
gleich auf die richtigen, seriösen oder wir entscheiden
selbstbewusst, unser eigener Verleger zu werden und beauftragen Book
on Demand Dienstleister oder publizieren elektrisch auf einer der
vielen Plattformen im Internet.
Handwerk
Wissen
Strategie
Wo lernen wir diese drei Bausteine, falls wir keine von Geburt an fertigen
Literaturgenies sind?
Dr. Schneider, der damalige Leiter der Stadtbibliothek Oberhausen, sagte damals in
einem seiner Kurse über literarisches Schreiben: „Lesen Sie
Sekundärliteratur!“ Ein guter Tipp, denn ich fand in hochlobenden
Rezensionen und beissenden, raniczkiesquen Kritiken endlich heraus,
warum ich manche Bücher für mich ablehnte oder manche Autoren oder
Autorinnen für ihr Werk regelrecht vergöttern wollte. Ich bekam
Worte für das, was ich über Texte fühlte. Ich schrieb, schrieb und
schrieb und hatte immer noch keine Ahnung von meinen Texten. Hing mit
diesen Ahnungen von ihnen in der Luft. Wollte wissen, wie sie wirken,
was meine Sätze anrichten, auftischen, ob sie anderen so schmecken
wie mir. Alles noch ganz auf sinnlicher, fühlender Ebene. Ich bat zu
Tisch und stellte erschrocken fest, dass ich manche Gäste zum Kochen
brachte. Vor Wut. Ja, es war tatsächlich so, manche wurden wütend
darüber, solche dilettantischen Texte essen zu müssen.
Es gab von mir erst mal keinen Nachschlag, geschweige denn ein Dessert.
Und lange, lange laborierte ich in meiner eigenen Textküche erst mal herum. Traute
mich irgendwann erneut in literarische Räume und siehe da: die Leute
sagten, ich, mein Schreiben wäre tatsächlich besser geworden.
...
Der Vortag endete damals mit einer Hymne auf den BT dieses Forums, den ich nur empfehlen kann.
...ich übe immer noch.
Machs gut, und danke für den Fisch ( um bei Douglas Adams zu bleiben)