Beiträge von Stefanie J.

    - Bei mir stellt sich der Wunsch nach „Realität“ ein, wenn es um ein Thema geht, das mich selbst betrifft. Dann unterstelle ich jemandem, der in einer vergleichbaren Lage war, besseren Einblick als jemandem, der sich – wenn auch vielleicht umfassend – nur darüber informiert hat. Bei Themen, die weit außerhalb meines Erfahrungsbereiches liegen, gibt es diesen Wunsch weniger – zwar möchte wohl niemand „belogen“ werden, kann aber oft auch gar nicht beurteilen, ob etwas realistisch ist oder nicht.

    Interessant, das geht mir tatsächlich anders: Wenn mich ein Thema betifft oder ich mich darin auskenne, hat es der Realtitätsanspruch einer fiktionalen Geschichte bei mir sogar schwerer, weil ich ja mein Wissen, meine Erfahrung als Maßstab habe und jeden inhaltlichen Ausrutscher dann sofort sanktioniere mit einem: pfff! Das stimmt ja so gar nicht. Und wenn ich ein Thema vertiefen will, schau ich Dokus.
    Anders, wenn ich so gar nichts weiß: Da kannst du mir grundweg alles erzählen und ich glaub es dir, solange die Geschichte in sich stimmig ist.
    Mir zuletzt so passiert beim Film: Interstellar. Ich war hin und weg von dem gesamten Film. Mein Mann war genervt, wegen so vieler Logikfehler, weil


    - „Realität“ auf Film oder Papier bannen zu wollen, scheitert – je nach Anspruch – schon daran, dass der „Akt des Festhaltenwollens“ Einfluss auf das Geschehen hat. Man agiert in Anwesenheit einer Kamera nicht so, wie ohne.

    Aber dennoch kann ich doch über Szenenaufbau und Perspektive realistische Nähe erzeugen (siehe meinen Post weiter oben über "Halt auf freier Strecke")

    - Bei einem handlungsorientierten Roman-/Filmstoff wird Wert darauf gelegt, dass jeder Handlungsblock die Geschichte vorantreibt – während sich in der Realität Ablenkungen und Sackgassen auftun. Die zu erfassen, würde also einerseits einen „realen“ Eindruck verschaffen, wäre aber ausgesprochen ermüdend für den Leser/Zuschauer. (Nachtrag: Wie Tom hier auch schon ausführte.)

    Genau: real live ist oft ermüdend, aber wenn die Ablenkungen und Sackgassen geschickte eingebaut werden, können sie genau dieses Hin-und Hergeworfenwerden eines echten Lebens nachfühlen lassen.

    - Eine Weile gab es diese Filme, die den Eindruck von Realität schaffen wollten, indem sie möglichst unprofessionell gemacht waren – Handkamera, verwackelte, schlecht ausgeleuchtete, abgeschnittene Bilder, Darsteller, die, bewusst oder unbewusst, „nicht schauspielerten“ (was natürlich ein Widerspruch in sich sein kann). Jugendliche nachts im Wald (Blair Witch Project), Junger Mann will bei Party filmen, als Außerirdische die Stadt in Schutt und Asche legen, TV-Team filmt in Mietskaserne, als da eine Art Zombie-Virus ausbricht. Alles nicht neu – das kannte schon Orson Welles, der 1938 für ein Radiohörspiel auf ähnliche Elemente zurückgegriffen hat (wenn auch die Auswirkungen nach neueren Erkenntnissen wohl nicht so dramatisch waren wie oft kolportiert, das nur am Rande).

    Jepp, man kann so tun als sei der Film eine Dokumentation. Ob man sie als realistisch empfindet ist dann aber noch eine andere Frage.
    Gleiches gilt für fiktive Biografien. Bei Virginia Woolfs Orlando z.B. funktionierte das für mich überhaupt nicht. Die Erzählung war als fiktive Biografie angelegt, aber der Erzählstil war der eines Märchens und sehr auf Abstand. Das meinte ich oben mit der spannenden Frage der Perspektive, die Realitätsempfinden in mir erzeugt oder nicht.

    - Ein Film wie der um Animierfrau Angelique kann demnach meines Erachtens nur im Nachhinein entstehen, indem auf tatsächliche Geschehnisse als Basis zurückgegriffen wird, man streicht, glättet, Lücken füllt, dramaturgisch „aufpeppt“ … und so letztendlich eine Geschichte daraus strickt.

    Ja, und das kann gelingen oder nicht, richtig? Im Fall von Angelique bliebst du "außen vor", schriebst du.
    Deinen Satz: "...kann nur im Nachhinein entstehen..." verstehe ich nicht. magst du erläutern?
    Ich finde dieses Thema extrem spannend...am meisten wegen der Überlungen, ob Literatur und Film da überhaupt vergleichbar sind...
    Hoffe auf mehr dazu!

    - Das betont Knausgard auch in dem Radio-Feature: Niemand erinnert sich im Detail an Dialoge aus der Kindheit. Also ist in diesem Werk, das als streng autobiographisch, also „realistisch“, gilt, auch ein Gutteil Fiktion. Er musste diese Erinnerungslücken irgendwie füllen.

    Das nun aber ist eine Binsenweisheit, die Knausgar da losgelassen hat. Natürlich muss man das.

    Hallo Anja,


    gleich aus dem Bauch heraus wollte ich antworten: Kunst erzieht doch per se! Nämlich hin zur Auseinandersetzung mit ihr. Egal wie niederschwellig sie angesetzt ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass man immer irgendwas mitnehmen kann, wenn man sich auf Kunst einlässt.


    Hier in der deutschen Theaterszene ist ja gerade der Partizipations-Hype zugange. Theater nicht für, sondern mit den Menschen ist gerade das große Schlagwort. Das kann man durchaus anbiedernd finden, Moral- und Geisteserziehung dahinter vermuten oder als Opium fürs Volk niederreden. Alles das darf Kunst ja sein. Oder auch nicht... oder ganz was anderes. Immer wieder in der Geschichte öffnet sich Kunst gefällig oder wird wieder hermetisch und auf sich selbst bezogen und schwer verdaulich.

    Spannende Frage!
    Der Realismus, mit dem Dresen so gekonnt spielen kann, ist ja bereits das Stilmittel...und eben nicht das beabsichtigte Ergebnis. Es gibt da eine Geschichte (wurscht ob fiktiv oder erlebt), die realistisch erzählt werden soll. "Halt auf freier Strecke" packt uns durch die realistisch anmutende Situation, in der wir einer Familie nahe kommen dürfen, dessen Vater sterben muss. Und wir sehen nicht nur zu, sondern stecken mitten drin. Können mit jeder der Figuren mitfühlen. Erreicht wird dieser Sog über gekonnte Schnitte, nahe Kamera und immer wieder kleine Abkürzungen.
    Wir werden quasi von Szene zu Szene geworfen...wie im richtigen Leben. Wir sind nicht - wie z.B. beim Dokumentarfilm - außen vor und mit Abstand, sondern sehen uns dauernd neuen Gegebenheiten "ausgesetzt". Von außen draufgehalten, in der Totalen, wäre eine Dokumentation über den Sterbenden entstanden, die uns Objektiv betrachten lässt.
    Den Fuilm "Partygirl" hab ich nicht gesehen, werde ich mir aber ansehen (bin neugierig geworden). Im Trailer sind da jedenfalls viele "Totale" zu sehen...vielleicht war das der Unterschied für dich, Petra? Hast du diesen Film objektiv betrachten müssen/können/wollen?
    Das ist immer eine der Hauptfragen, die ich mir nach einem Film stelle: Warum sollte/konnte/wollte ich den Film aus dieser Perspektive erleben?


    Auf die Literatur bezogen würde ich sagen: das ist das klassische, immer wieder gern herunter genudelte "Show don't tell", was wir als Autoren in der nun filmgeprägten Literatur so oft herunter gebetet bekommen (und ich längst nicht mehr hören kann).
    Ich stehe auf Erzählungen, hänge beim Lesen gern mal in der Luft und lasse mich langsam führen...
    Mit Geschichten im Stil dieses filmischen Realismus' kann ich oft nicht so viel anfangen.


    Hier ein interessanter Link zur Vertiefung:
    http://filmschreiben.de/realismus-im-film/

    Nifl, warte es ab, der Buchmarkt funktioniert extrem langsam. Bis da ein Werk auf den Markt kommt, das dauert! Und dann wird Blogbuster es bestimmt herausposaunen, zumindest die zuständigen Blogger.
    Ich habe ja über den Preis einen Vertrag mit der Agentur Elisabeth Ruge bekommen. Und bald gibt es Neuigkeiten.

    Grandios! Ich freue mich jetzt schon!
    Ich würde da zu gerne mitmachen...danke dir fürs Erinnern. Wenn das Manuskript nur fertig würde...

    schlimm ist das, dass das nie ein Ende haben soll, was? :D
    Wir gucken immer brav nur jeden Samstag eine Folge. Man kommt ja sonst zu nix mehr...hatten wir zuletzt bei Game of Thrones so...nur gut, dass mir der Kram ab Staffel vier zu blöd wurde, sonst hätte ich Sehenverkürzungen bekommen, vor lauter Sitzen... =)

    Lieber Uve, auch von mir noch nachträglich alles Gute.


    Und dir liebe Monika, zum Geburtstag herzliche Grüße aus Duisburg mit den besten Wünschen für weiterhin viele spannende Seiten, schöne Lesunge, beste Gesundheit und Erfolg in allen deinen Vorhaben! Lass dich ordentlich feiern und hochleben!
    :blume :blume :blume

    Als einzig vernünftige Erklärung wird hier suggeriert, dass die Männer das Geschehen organisiert dominieren und die Preise in geheimer Absprache sozusagen unter sich aufteilen, jede andere Erklärung wäre in diesem Kontext schließlich sinnlos.

    Vielleicht ist hier der Schlüssel - ich sehe nämlich weniger Verschwörung, als eher den Umstand verschiedener Lesart, die sich schönerweise ja sehr unterscheiden kann. Und um Themenauswahl geht es, die sich je nach Kulturkreis, Sprachraum, Bewusstseinshorizont oder geschlechtsspezifischer Prägung differenziert. Das ist toll so! Aber eben nicht, wenn eine, sagen wir, "ähnliche" Gruppe von Menschen eine Auswahl treffen soll. Hier wäre eine Quote meiner Meinung nach Pflicht für ein möglichst breites Spektrum, das betrachtet wird und so ernsthaft Chancen bekommt. Ein sehr gelungenes Beispiel dafür finde ich jährlich bei der Berlinale. Die Jury ist absichtlich sehr durchmischt...nicht nur bei männlich/weiblich, sondern obendrein international und kein Beruf ist gedoppelt. Das garantiert eine sehr weite Draufsicht auf die Filmauswahl. Das ist beim Oscar noch anders...aber auch da lernen sie gerade dazu.

    Das Video hab ich ja nur zum Thema gepostet, weil Dianas Schreibratgeber da so hoch gelobt wird.


    Stark (der von King) ist definitiv ein Solches. Sollte heißen: es funktioniert. Man braucht nicht unbedingt einen Sympathieträger, um von einer Geschichte gefesselt zu werden.
    Ich überlege gerade, ob ich das bei Heldinnen auch schon gelesen habe...aber ich glaube, da kenne ich bisher höchstens Figuren, die mir unsympathisch waren, die irgendwie so spröde waren, dass ich keinen Zugang zu ihnen gefunden habe.
    Grace aus Atwood "Alias Grace" z.B. oder so skurill, dass ich sie nicht ernst nehmen konnte, aber wirklich richtig ätzend...hatte ich noch nicht. Vielleicht brauchts da erst mal deine Vorlage...

    mmhh...ich hab schon viele Bücher mit unsympathischen Helden gelesen. Direkt fallen mir "Stark" von Stephen King ein, "Das Parfüm" von Süßkind...
    Ich konnte mich nicht indentifizieren mit diesen Bösen Helden, fesselten mich aber über ihre merkwürdige Art, ihre klare Überzeugung im Bösesein...es gab hier keine Hoffnung auf Erlösung...


    gerade habe ich bei Google noch nach Romantiteln gesucht, die mir grade nicht einfallen und seht mal, was ich da durch Zufall gefunden habe...zwei "Schreibdilletanten", die über dieses Thema und Dianas Schreibratgeben dazu sprechen:
    https://www.youtube.com/watch?v=WKn-CqrwcA4

    Solche Situationen kenne ich nur zu guuut, liebe Monika! Genau das ist der springende Punkt dabei: diese Zeit zwischen Reiz und Reaktion verlängern...sich, die Situation, das Gegenüber etwas mit Abstand betrachten, dann erst agieren...kann man tatsächlich lernen, muss man natürlich nicht, aber es hilft tatsächlich und spart im Alltag Nerven...also üb ich weiter.

    Das Thema Kritik und "gewaltfreie" Kommunikation haben wir kürzlich auf der Arbeit als Fachinput für Ehrenamts-Aktive beleuchtet. Kennt jemand von euch Rosenbergs Giraffensprache? Sie ist, im Gegensatz zur "beißenden" Wolfssprache, eine mit Weitblick und Herz. Ich finde spannend, sie zu üben, weil sie meistens (ich betone meistens, sicher nicht immer) die Türen offen halten kann, für die Lösungeines Konflikts, oder besser noch, Konflikte zu vermeiden. Giraffensprache verzichtet auf wertende Aussagen...aber seht bei Interesse mehr dazu hier.


    Bei Kritik frage ich bei mir folgendes ab:
    Habe ich um Rückmeldung gebeten? Bewusst oder unbewusst?
    Was fange ich damit an?
    Wenn die Kritik mich verletzt, warum?
    Und jetzt? Lohnt Klärung? Oder lass ich das los?


    Konkret bei Texten ist mir wichtig, mein Gegenüber genau zu verstehen und mich selbst verständlich zu machen.
    Mit einfach nur Hauen und Stechen kann ich nullkommanix anfangen. ABER: wann und warum empfinde ich manches als Hauen und Stechen, obwohl mein Gegenüber vielleicht beteuert, es gar nicht so gemeint zu haben?


    Es ist und bleibt kompliziert...da hilft nur üben... :trotz

    mhh...interessante Frage, Kristin.
    Die Strömung der "Neuen Innerlichkeit" riss seit den 70ern ja nicht vollends ab, erlebt in diesen äußerlich unruhigen Zeiten sogar eine Renaissance. Man könnte fast sagen: Die Romantik ist zurück!
    Also auch die Traumbetrachtung, das Beschäftigen mit und in sich selbst. Dass das nicht einfach umzusetzen ist, liegt auf der Hand. In der Dramaturgie eines Films - auch bei Bobby Ewing - funktioniert das oft sehr gut. Da lasse ich mich als Filmliebhaberin aber auch einfach gerne von "einlullen". Beim Buch verlange ich da mehr und glaube nicht, dass das vom Film so zu übertragen möglich ist. Botho Strauß z.B. kann das. Brentano konnte es. Diese beiden erklärten schlicht die Welt zum Traum und umgekehrt. Spielten damit. Ein Vexierspiel Das mag ich sehr. Wenn du Träume so einsetzen kannst, ist das sicher ein Gewinn für einen Roman. Und sicher kannst du damit auch mal erklärend oder handlungstreibend auf eine Geschichte wirken...aber niemals mit dem Holzhammer...Träume sind eben subtil.
    Würde gerne mal reinlesen in einen dieser Träume.

    Das ist ja eine interessante Frage, Monika...und schön, hier so über euch zu lesen! :) <3
    mmh...ich hab noch mal geguckt...bin ein Mischmasch. Die blonden Haare meines Vaters, nur die Farbe, nicht die Dichte, Kinn, Mund und auch das nichtssagende Graublau der Augen ist von ihm...aber die Augenform, den Blick ist wie bei meiner Mutter...oder eher noch wie bei meiner Oma. Besonders wenn ich müde bin, schaue ich so wie sie...
    Die blonden Haare habe ich an keines meiner Kinder weitergegeben...die Jüngste war anfangs blond...aber auch sie hat jetzt eher rotblond...bin gespannt, ob ein Enkelkind mal so ein "Blässchen" wird wie ich. Ganz entschieden werde ich das dann aber nicht mit roher Leber und Eigelb "füttern" wie meine Oma das immer meinte, machen zu müssen. Alle dachten stets, ich wäre blutarm, dabei hat mein Paps mir einfach nur seine Gene vermacht.
    Ganz rechts auf dem Bild, der kleine, helle Knirps...so sah ich als Kind auch aus :)

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    wer Bindung zu anderen hat, Freundschaften, Liebesbeziehungen, Kinder usw., der muss auch manchmal was. Die Balance zu finden, zwischen den Bedürfnissen der Menschen, die ich liebe, und meinen eigenen, das gelingt mir immer besser. Deswegen ist Älterwerden ja auch so schön für mich...

    das kann ich unterschreiben, Heike und mit Wolfs "persönlichem Imperativ" ebenso.
    Und was für ein seliges Glück, dass wir hier die Muße haben, uns darüber zu unterhalten, während es Länder, Zeiten, Umstände gab und gibt, die es Menschen eben nicht erlauben, Spielraum auszuloten, Nischen zu beanspruchen, sondern nur von jetzt auf gleich re-agieren können, weil ihr Leben akut bedroht ist.