Da es im Kern nicht um Oper gehen zu scheint, sondern um Werktreue und Meta-Meta, ein aktuelles Beispiel aus der Trivialunterhaltung, das die Vorzeichen umdreht:
Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, bastelt Amazon gerade an einer Herr-der-Ringe-Serie. Da die Tolkien-Erben ihre schützende Hand auf den Rechten halten, hat Amazon einen winzigen Appendix zur Verfügung, um eine Geschichte zu spinnen, die so noch gar nicht existiert.
Was aber existiert, ist die Fantasy-Welt mit ihren Gesetzen und Völkern. Amazon geht nun hin und verfrachtet diese Welt in die Jetztzeit und stülpt ihr ein entsprechendes politisches Korsett über: die Zwergenfrauen, die eigentlich von Zwergenmännern kaum zu unterscheiden sind, lächeln ins Bild, es gibt schwarze Zwerge (die wohlgemerkt unter der Erde leben) und Elben etc.
Für mich zerstört das die Immersion, obwohl es eigentlich Lappalien sind - aber Tolkiens Welt funktioniert so nun mal nicht und dauernd drängt sich unangenehm die Existenz des Regisseurs/Produzenten ins Bewusstsein.
Bei Romeo und Julia mag es anders gelagert sein, weil die Schwerter nicht so relevant sind, wie die Geschichte selbst. Das ist bei Tolkien umgekehrt. Bei einer Oper weiß ich nicht, was relevanter ist. Vielleicht die Musik? Will sagen: Welche Freiheiten bei einer Inszenierung gestattet sind und welche über das Ziel hinaus hießen, hängt stark von der Kunstform, dem Genre usw. ab. Aber Grenzen gibt es gewiss.
Ich hatte mal ein Date mit einer Frau zu Studentenzeiten, die ich mit meinen Pasta-Kochkünsten beeindrucken wollte. Damals hatte ich die Angewohnheit, Spaghetti vor dem Kochen in der Mitte durchzubrechen. Als sie mich fragte, wieso ich das tue, meinte ich lässig, dass es so leichter sei sie zu kochen und zu essen. Aber jetzt sind es doch keine Spaghetti mehr, sagte sie.