Beiträge von Manuela

    Der gesamte Schreibzeug-Podcast von Tischer und Hillebrand ist hörenswert, besonders für Autoren, die noch weitgehend am Anfang stehen.


    Zitat

    Nutzer der Schreibsoftware Papyrus Autor haben es leichter. In den Programmeinstellungen kann die Art der verwendeten Anführungszeichen im Menüpunkt Oberfläche/Anführungszeichen eingestellt werden.

    Dem Zitat kann ich nur zustimmen. Überhaupt halte ich Papyrus für die beste Autorensoftware die ich kenne. Besonders der speziell für Papyrus erweiterte Duden-Korrektor plus Stilanalyse und Lesbarkeitseinschätzung kann (nicht nur) für literarische Rookies durchaus von Vorteil sein.

    Es ist zwar schön, wenn im öffentlichen Bereich dieses Forums endlich wieder mehr zu lesen steht als Buchempfehlungen oder diverse Glückwünsche, aber muss dieses "Mehr" unbedingt ins Persönliche ausarten?

    Rezensionen sind wie Literaturpreisverleihungen etwas durch und durch Subjektives. Sie spiegeln so gut wie immer (auch) die persönlichen Vorlieben des Rezensenten, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Darum kommt niemand herum. Auch Marcel Reich-Ranicki gelang dies nicht, wenn ich an so manches Literarische Quartett denke. Dennoch sollte auch die härteste Kritik ohne Denunzierung der Person des Autors auskommen. Man kann über Fitzeks Schreibe denken, was man will, aber:

    Zitat

    Ein Fitzek ist eine literarische Maßeinheit, die die größte anzunehmende literarische Peinlichkeit auf kleinstem Raum markiert."


    derartige Statements zeugen eher von Selbstüberhöhung des Rezensenten als von nüchterner, sachlicher Betrachtung.

    Dieser Mann hat in den letzten 20 Jahren weit über ein Dutzend Thriller verfasst, allesamt Bestseller, seine Werke wurden bisher in 24 Sprachen übersetzt, er hat weltweit Millionen Bücher verkauft. Beleidigt man diesen Autor als Stümper, beleidigt man damit auch seine Leserschaft als Banausen. Wem steht das zu, wer wirft den ersten Stein?

    Es mag schmerzhaft sein, mitzuerleben, wie weitgehend anspruchslose Kunst Millionengewinne einfährt und anspruchsvolle Künstler von der Sozialhilfe leben müssen, und nein, ich mag Fitzek-Thriller auch nicht. Aber ich mag auch keine Autorenkritik, die ins Persönliche abdriftet. Nicht mal, wenn sie Dieter Bohlen betrifft, dessen Verkaufszahlen - es darf erwähnt werden - nicht annähernd von irgendeinem anderen Deutschen Musiker erreicht wurden. ;)

    Würde sagen, er ist weniger an einer nicht sehr gesunden als an einer ungesunden Lebensweise gestorben. Wie auch immer. In meiner CD-Sammlung befindet sich das Doppelalbum The Very Best Of The Doors, das ich dann und wann gerne hervorkrame, um für eine Weile in der Vergangenheit zu schwelgen. Dein Memorial-Post bot dazu erneut Gelegenheit.

    Mit Verlaub, Tom. Mir erscheint dieses Zitat als hochemotional.

    Es sagt viel aus über instinkthaftes, ja triebhaftes sexuelles Verlangen, das sich über Konventionen hinweg seinen Weg bahnt. Kommt mit wenigen Worten aus, bedarf keiner weiteren sprachlichen Ausschmückung, der Leser erkennt sofort, was passiert. Mag sein, Geschmacksache.

    Etwas verspätet, aber doch, möchte ich meinen Leseeindruck dieses Romans nachreichen. Kontroversielle Meinungen fördern bekanntlich die Diskussionskultur.


    Mag sein, dass der neue Roman von Judith Hermann eher Frauen anspricht, wie manche Rezensenten meinen, ist er doch aus der Ich-Perspektive einer Endvierzigerin verfasst, die ihr früheres Leben hinter sich lässt und über die Vergangenheit ebenso wie über ihre emotional bewegte Gegenwart referiert.

    Die namenlose Ich-Erzählerin berichtet von ihrer ehemaligen Arbeit in einer Zigarettenfabrik, ihrer geschiedenen Ehe, ihrer Tochter, die seit Jahren irgendwo in der Welt herumreist und meist nur Kompasskoordinaten ihres jeweiligen Standortes übermittelt, von einer verhinderten Schiffsreise nach Singapur, gemeinsam mit einem Zauberkünstler, der mit ihr den Trick der zersägten Jungfrau vorführen wollte, von ihrem Umzug an die Nordsee, einer dortigen Nachbarin, die eine enge Freundin wird und deren Bruder, einem Bauern und Schweinezüchter, dessen herb/maskuliner Ausstrahlung sie erliegt.

    Nunmehr lebt sie in einem winzigen Häuschen an der Nordsee, gleich hinter dem Deich, und arbeitet in der Dorfkneipe ihres Bruders, der ein seltsames Verhältnis mit einem noch seltsameren 20jährigem Mädchen unterhält, das jünger als seine Nichte ist. Wie überhaupt alle Figuren dieses Romans skurrile, höchst individuelle Wesen sind.

    Hermann gehört zu jenen begnadeten Literaten, die in knapper Sprache, mit wenigen Worten, wie einzeln hingeworfene Farbtupfen, lebendige, hochemotionale Bilder schaffen können:


    (sic) Arild tanzte auf Socken, die Bierflasche in der Linken, er tanzte wie ein Bär. Er drückte mich in die Ecke des Zimmers und machte seine Gürtelschnalle auf. Seine Handgelenke waren pelzig, ich ging in die Knie, ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals auf eine solche Weise angefasst worden zu sein, zu diesen Dingen so aufgefordert worden zu sein. Direkt, beinahe sachlich. (sic)


    Die zentralen Themen des Romans heißen Aufbruch, Selbstfindung, Heimat. Der gesamte Text verläuft in ruhigem Ton, ohne jede Sensationsgier, übertriebener Gewalt oder Brutalität, nie erhebt sich die Erzählstimme und entwickelt dennoch einen unwiderstehlichen Sog auf den Leser.

    Die Hauptfigur ist permanent auf der Suche nach sich selbst, wie ihre Tochter heimatlos, stets unsicher, ob alles gut ist, so wie es ist oder nicht. Über dem Text schwebt eine gewisse Traurigkeit, ein grauer Erinnerungsnebel, untermalt durch den Blick auf eine weitgehend trostlose, karge, menschenleere Landschaft, die dennoch in faszinierenden Bildern dargebracht wird.

    Es gibt nur indirekte Rede, der Plot ist vorwiegend figurengetrieben, lebt von genauer Profilierung und tiefen Einsichten in die Charaktere, sowie deren teils komplexen Verhältnissen zueinander, untermalt von symbolhaften Bildern und durchaus philosophischen Ansätzen:


    (sic) Es gibt nur das, was du gerade erlebst, und jede Erklärung, die du dafür hast, ist ausgedacht und existiert erst, wenn du sie formulierst. Ihr denkt, ihr hättet eine Bibliothek in euch, eine Sammlung, Bilder und Erinnerungen, die euch zu dem machen, was ihr seid. Gründe für das, was ihr mögt und nicht mögt. Aber diese Bibliothek ist eine Erfindung. (sic)


    Symbolhaft für seelische Beengtheit, Eingesperrtheit, eines der tragenden Themen der Geschichte, steht die Kiste des Zauberkünstlers, in der die Erzählerin selbst einst probelag, die enge Holzkiste in der die jugendliche Freundin ihres Bruders als Kind immer wieder eingesperrt war, zuletzt die Kastenfalle, die ihr Liebhaber am Dachboden aufstellt, um damit einen Marder zu fangen, der ihre Nachtruhe stört:


    (sic) Du fängst selten das, was du fangen willst. Du fängst mitunter etwas ganz anderes. Dann musst du sehen, was du damit machst. (sic)


    Ob die Erzählerin im Watt der Nordsee den Fang ihrer Sehnsucht macht, bleibt ebenso offen, wie die Eingangstür ihres Häuschens, die sie seit langem nicht mehr versperrt.

    Sandra Wollner stellte mit ihrer Uni-Abschlussarbeit ihr mittlerweile preisgekröntes Filmdebüt (Berlinale 2020) vor, das kommenden Freitag in die Kinos kommt. Das Thema schräg und provokant, wie es nur sein kann: Eine inzestuöse Beziehung zwischen Vater und Tochter. Aber halt. Etwas ist doch völlig anders und dennoch nicht weniger verstörend.

    Hier ein Link zum Interview mit der Regisseurin dieses Streifens.

    Allein die Tatsache, daß so viele Autoren mittlerweile sich eines Agenten bedienen, spricht dafür, daß es eben nicht so leicht ist, auf Augenhöhe mit einem Verlag zu verhandeln. Schließlich verschenkt niemand freiwillig 15%-20% seines Verdienstes.

    Nach allem was ich höre und lese ist es nahezu unmöglich geworden, als unbekannter Autor - ohne Agentur - an einen Verlag heranzukommen. Vermutlich war das vor 30 oder mehr Jahren anders, vielleicht ist es im Sachbuchbereich auch heute noch anders, mag sein.

    Andreas Eschbach hat kürzlich erwähnt, sein ehemaliger Verlagslektor hätte in seinen 13 Jahren Tätigkeit nur ein einziges unverlangt eingesandtes Manuskript angenommen.

    Ein einziges! In 13 Jahren! Von tausenden, die in diesem Zeitraum auf seinem Schreibtisch landeten.

    Ob dieser eine Autor auch lange und intensiv verhandelt hat?

    Die zahlreichen Druckkostenzuschuß-Verlage beweisen doch zur Genüge, daß viele Autoren sogar bereit sind, tief in die Tasche zu greifen, um ihr Elaborat gedruckt zu sehen.

    Ein Geschäftsmodell, das mir bei den mannigfaltigen Möglichkeiten des Selfpublishing zunehmend irrational erscheint.

    Erst durch die Besprechung von tortitch bin ich auf Newton Thornburgs Werk(e) gestoßen, nach einem ersten Blick ins Buch bestellte ich den Roman. Meinen Leseeindruck fasse ich wie folgt zusammen:


    Zu Unrecht wird dieses Buch, erschienen 1976, bloß als Krimi bezeichnet. Vielmehr ist es eine hardboiled Milieustudie, noch mehr eine Psychostudie exzellenter Art, hinter der als Handlungshintergrund eine, vorerst mutmaßliche, kriminelle Tat steht.

    Drei, teils hochgebildete Charaktere, allesamt Aussteiger der frühen 70er Jahre, bilden die Hauptfiguren dieses Romans. Da ist Bone, der seine Frau und die beiden Kinder verlassen hat, um sich als Herumtreiber ohne jede Verpflichtung, auf Kosten wohlhabender, sexhungriger Frauen durchzuschlagen. Dann sein Busenfreund Cutter, ein verbitterter, zutiefst zynischer, sarkastischer Vietnamveteran, der im Dschungel ein Bein, eine Hand und ein Auge verloren hat und zwischen hochgeistigen Dialogen Gift und Galle gegen alles und jeden spuckt. Dazu seine Partnerin Mo, depressiv und tablettenabhängig, abgehauen aus dem höchst bequemen Leben mit ihren reichen Eltern, Mutter eines knapp einjährigen Kindes, das sie von Cutter empfangen hat.

    Sie alle sind Looser und bewegen sich auf der Schattenseite des Lebens. Gemeinsam bilden sie eine WG, in einer vergammelten Bude, mit Traumblick über das Meer von Santa Barbara. Das Trio lebt von der Hand im Mund, viel Alkohol und Zigaretten, und von einem Tag zum nächsten.

    Eines Abends beobachtet Bone, wie eine Gestalt, deren Gesicht er nicht erkennt, etwas in eine Mülltonne stopft, das er zunächst für Golfschläger hält. Am nächsten Tag erfährt die Gemeinschaft aus der Zeitung, dass es sich um ein ermordetes Teenager-Girl handelt. Obwohl niemand das Mädchen kennt, heckt Cutter einen rachsüchtigen Plan aus, in den er sich fanatisch verbeißt und von dem er nicht mehr abzubringen ist. Ab da beginnt eine wahnwitzige Irrfahrt, die ihr brutales Finale rund dreihundert Seiten später in den Ozarks des amerikanischen Südens findet.


    Thornburg war nicht nur ein exzellenter Beobachter, er war auch ein herausragender Schreiber, dem es gelang, die feinsten Facetten seiner Figuren zu profilieren, ihre tiefsten Gefühle nachempfindbar darzustellen. Deren Interaktion wird dominiert von knappen, sarkastisch/zynischen Dialogen und ihrer verzweifelten, resignativen Sicht auf das Leben und seine unbeugsamen Spielregeln. Thornburg beschönigt nichts, obwohl der Plot als Thriller angelegt ist, erscheint er auch als Kritik an der amerikanischen Post-Vietnam-Gesellschaft.

    Das Werk ist m.A.n. zeitlos, ein literarisches Masterpiece, das mich tief beeindruckt hat. Ich werde dieses Buch, vor allem seine Figuren lange in Erinnerung behalten.


    Newton Thornburg erhielt zahlreiche Literaturpreise. Er wurde zudem als „The only living American still looking for The Lost Generation“ bezeichnet. Eine Ehre, die außer ihm auch Scott F. Fitzgerald, Hemingway oder Dos Passos erhielten.

    Die Kritikerscharen sind, äh, insgesamt etwas uneins, liebe Petra.

    In der Tat.

    Ich habe Daheim kürzlich gelesen, die Lektüre hat mich begeistert. Nach dem Hinweis von Petra habe ich sie mir zusätzlich auf ARD von der Autorin vorlesen lassen und gleich im Anschluss daran eine Rezi verfasst. Auch Sommerhaus, später befindet sich mittlerweile auf dem Postweg zu mir.