Beiträge von Kristin

    Aber es gibt ja den Ausdruck - und das Phänomen - Schwarmintelligenz. Wäre der nicht auch auf die Sprache anzuwenden? Insofern bin ich da bei Jürgens Auffassung: dass die Sprache den Geist derer enthält, die sie geschaffen haben.

    Tom, ich weiß jetzt gar nicht so richtig, warum ich immer weiter Fragen beantworten soll - zumal ich zu jedem einzelnen Punkt doch schon mehrmals etwas geschrieben habe. Oder was an meiner Meinung so haarsträubend unerträglich ist, dass sie unbedingt widerlegt gehört. Vielleicht ist der Kernpunkt der, dass ich finde, die öffentliche Entschuldigung und vor allem Distanzierung war angebracht, und du findest das nicht. Und da können wir lange hier stehen und Ja! -Nein! - Ja! - Nein! sagen. Aber bringt es das?


    Hexenjagd ist kacke. Und ich gebe dir insofern Recht, als dass hier das gesellschaftliche Diktat eine Rolle spielt, über die man diskutieren kann und sollte.

    Zur Sache selbst und inhaltlich habe ich mir dann noch gedacht, dass gute Satire doch immer irgendwie vom David-Goliath-Prinzip lebt. Und wer gibt sich hier als David? Die regelmäßig durchgetesteten Schauspieler, die (zum Glück für alle) im vergangenen Jahr größtenteils ihre Drehtage bestreiten durften, und die immerhin so unverzichtbar für die Sender sind, dass (zum Glück für alle) senderseitige Rufe nach Rollenentzug schnell verstummen?


    Diese Satire war Satire, aber sie war nicht gut. Sie war unsensibel und spaltend, und kaum jemand außer der AfD fand sie witzig. Immerhin hat sie aber eins der angestrebten Ziele erreicht, nämlich, dass darüber geredet wird, so wie wir hier das tun. Und dann kann jede/r schauen, wie das weiterwirkt, ob sich da was bewegt im eigenen Kopf (der ja, so sagt das Sprichwort, rund ist, damit das Denken die Richtung ändern kann). Wie, wenn die nächste satirische Kampagne von Künstlern mit Einfluss zum Thema hätte: Unsere ärmeren Kollegen werden finanziell hängen gelassen? Das wäre doch eine Schraube, an der sich drehen lässt, nicht die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.


    Und dies hier:

    dass sie etwas unbedingt persönlich nehmen wollen, das nicht persönlich gemeint ist.

    darf man getrost auch jedem Menschen selbst überlassen.

    Und die Wirkung, die Frau Folkerts falsch eingeschätzt hat, worin bestand die? Darin, dass viele gesagt haben: Nein, ihr habt unrecht, ihr stellt das falsch dar, das ist überzogen, zynisch, unzutreffend. Lasst uns da mal bitte drüber sprechen, gemeinsam, wir alle.

    Oder darin, dass das geschehen ist, was tatsächlich geschehen ist?

    Das, was tatsächlich geschehen ist an Shitstorm usw. und die Reaktion der Betroffenen, die sich diskreditiert fühlten und das auch sagen dürfen.


    Wollen wir es an der Stelle gut sein lassen? ich denke, wir haben doch nun beide unseren Standpunkt hinreichend klar gemacht und würden uns ab jetzt mehr oder weniger wiederholen.

    Hier würde ich widersprechen. Für mich hat Meinungsfreiheit nichts mit Austeilen zu tun, sondern damit, überall und jederzeit ruhig und in vernünftigem Ton seine Meinung sagen zu können, ohne Repressalien gleich welcher Art befürchten zu müssen. Entsprechend muss der andere auch nicht einstecken können, sondern lediglich damit klarkommen, dass nicht alle seiner Meinung sind.

    So ist es allerdings etwas zivilisierter ausgedrückt! :) Allerdings teilt Satire wirklich oft aus, das ist wohl ihre Natur.

    Leute haben etwas gemacht, haben sich an einer Aktion beteiligt, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. Man mag über die Klugheit und Wirkung dieser Aktion geteilter Meinung sein, aber sie haben ohne jeden Zweifel jedes gute Recht zu dieser Aktion gehabt. Sie haben keine Personen beleidigt und keine volksverhetzenden Inhalte verbreitet.

    Genau. Das Recht haben sie. In dem Sinn, dass sie nicht befürchten müssen, deswegen strafrechtlich verfolgt zu werden. Und das ist gut so und muss so bleiben. Über das Problem, dass Künstler, indem sie ihre Meinung äußern, inzwischen manchmal eben doch berufliche Repressalien fürchten müssen, lässt sich sehr wohl diskutieren. Aber hier geht es darum, dass Schauspieler oder andere Menschen, die ihre Meinung äußern, sei es satirisch-ironisch oder ernsthaft, eben auch mit Widerspruch rechnen müssen. Again and again: Meinungsfreiheit heißt auch so herum nicht Widerspruchsfreiheit.


    Als Reaktion auf die Aktion würde ein Aufschrei ausgelöst, die Leute wurden als AfD-nahe diskreditiert, man unterstellte ihnen Dummheit und die Absicht, Menschen zu beleidigen, zu diskreditieren, zu verletzen. Man sprach ihnen ab, ihre Meinung überhaupt sagen zu dürfen, weil sie ja "privilegiert" sind, was inzwischen ein anderes Wort dafür ist, grundsätzlich unrecht zu haben. Man löste Kampagnen aus, forderte vorzeitige Vertragsbeendigungen, Rauswürfe, man sonnte sich in Shitstorms, Hassmails, Drohungen. Sogar Todesdrohungen. Auch an die Familien.

    Es gab all das, und das ist schlimm genug. Das Schlimmste ist, dass es inzwischen die Norm darstellt. Aber es gab auch differenzierte Kritik zu der Aktion, und die gilt es ernst zu nehmen.

    Im Ergebnis haben einige dieser Leute ihre Teilnahme als Fehler "eingestanden" und sich dafür entschuldigt. Sie haben sich selbst als dumm und naiv und kurzsichtig bezeichnet, sie haben sich kleingemacht, um als diejenigen dazustehen, denen man die Fehler (noch) nachsieht, weil ihnen die Kompetenz dafür fehlte, diese Fehler rechtzeitig zu erkennen.

    Dabei haben sie nur ihre Haut retten wollen.

    Ich habe gestern Ulrike Folkerts in einer Talkshow gesehen. Sie hat sich selbst nicht als dumm, naiv oder kurzsichtig bezeichnet (so, wie ich das auch von niemand anderem gelesen habe), und sie hat sich auch nicht kleingemacht. Im Gegenteil, sie hat die Größe gehabt zu sagen: Ich und andere haben uns komplett verschätzt, was die Wirkung dieser Aktion angeht, und das Letzte, was ich wollte, war, irgendjemandes Leid zu relativieren oder mich sogar darüber lustig zu machen. Die Aktion ist fulminant in die Hose gegangen, und ich entschuldige mich bei allen, die sich davon verletzt gefühlt haben.


    Die eigene Haut retten? Natürlich. Verständlich. Aber es kam auch ehrlich rüber, und ich finde, sie hat absolut ihr Gesicht gewahrt.

    Niemand sagt heutzutage einfach nur noch: Ich bin anderer Meinung als Du, weil. Sondern man sagt: Deine Meinung ist falsch, sie ist ein Fehler, und wenn Du Dich nicht sofort entschuldigst und flugshurtig unter Deinen Stein zurückkehrst, werde ich Dich vernichten.

    Das stimmt nicht. Es gibt Menschen, die einfach sagen: ich bin anderer Meinung als du. Aber sie werden weniger. Und die anderen werden dafür immer lauter.

    Und Du sagst, mit Verlaub: Das ist leider so, aber ich finde das Ergebnis in Ordnung. Die Aktion war ein Fehler, sie haben sich entschuldigt (noch einmal die Frage: Bei wem eigentlich?), sie halten jetzt die Fresse.

    Wie bitte? ich sage: Frau Folkerts, Ulrich Tukur, Martin Brambach u.v.a. halten jetzt die Fresse, und deswegen finde ich das Ergebnis in Ordnung? Ähm ... - nein! 8)

    Und nein, damit rede ich nicht das mit Sicherheit existierende Problem klein, dass es unserer Gesellschaft zunehmend schwerfällt, Satire auszuhalten und als solche zuzulassen. Und natürlich hat es damit zu tun. Aber genau das ist Meinungsfreiheit auch: Austeilen dürfen und Widerspruch einstecken können. Hass- und Drohmails sind fürchterliche Auswüchse dieser Kultur, aber wenn ich es richtig beobachtet habe, bezog sich das Erschrecken der Schauspieler über die Reaktionen auf ihre Aktion nicht primär auf die Hassmails. Die mittlerweile leider immer dabei sind, und die ein ganz eigenes Problem sind. Sondern es bezog sich schon auf das, was sie da an Verletzungen angerichtet haben.

    Ich hasse Hassmails, und ich beobachte den Weg, den wir im gesellschaftlichen Diskurs allzu oft einschlagen, mit Sorge. Das ist ein fettes Problem, für das ich nicht den Ansatz einer Lösung habe, außer immer wieder bei Meinungsverschiedenheiten wenigstens selbst zu versuchen, mich in die andere Seite einzudenken und zu -fühlen. Auch meine ich sehr wohl zu verstehen, worauf du hinauswillst. Aber du hast eingangs wörtlich gefragt: "Wie seht ihr diese Aktion? Und vor allem die Reaktionen darauf?" Also habe ich geschrieben, wie ich es sehe. Ich finde es interessant, darüber zu reden. Aber ich (oder irgendwer hier) schreibe das doch nicht hin, damit du (oder irgendwer) mir nachweist, dass ich mit meiner Meinung unrecht habe. Was soll das denn?

    Diese Entschuldigungen sind nichts weiter als Fluchten nach vorne.

    Diese Entschuldigungen sind selbstverständlich auch Fluchten nach vorne. Wie gesagt, es sind Profis. Die wollten ihrem Unmut Luft machen, aber keinen beruflichen Massenselbstmord begehen. Wenn sie sich jetzt hingestellt und gemoppert hätten: "Ist doch wahr!", dann hätte auch ich mir ab jetzt Filme mit ihnen weniger gern angeschaut. So, wie die Dinge jetzt liegen, schaue ich mir die Filme weiterhin mit gutem Gefühl an. So ist das bei mir, und ich schreibe niemandem vor, wie das bei ihm oder ihr zu sein hat.

    Du bist mit der Entwicklung zufrieden, liebe Kristin, wenn es "für Dich jetzt gut ist". Dann ist nicht nur das Ende gut, sondern eben die ganze Entwicklung. Siehst Du das wirklich so? Ist das "anständig"?

    Ich sehe es so, wie ich es geschrieben habe, nicht, wie du es interpretierst. Wie soll ich zufrieden sein mit einer Entwicklung, in der es bei den meisten Diskussionen, die ich lese oder mitgestalte, nur noch darum geht, entweder andere per Hassmails niederzumachen oder seine/ihre Argumente um jeden Preis zu widerlegen, nur um Recht zu behalten? Und nicht darum, eine geäußerte Meinung als solche zu respektieren?


    Natürlich, Tom, entscheide ich, wie ich innerlich auf eine öffentliche Entschuldigung reagiere. Wer denn sonst? :kratz2 Jemand, der nicht ist ist, sondern z.B. Krankenpfleger/in oder Angehörige/r, mag innerlich anders reagieren. Was mir eigentlich ist fast ein bisschen zu einfach ist, um es hinzuschreiben.

    Entschuldigung WOFÜR? Bei WEM? Und Du entscheidest, wann GUT ist? Mit welchem Recht?

    Mit dem Recht, dass es für mich gut ist, die ich nicht persönlich betroffen bin. Und mit dem Recht, dass ich mir nicht anmaße, das für andere zu entscheiden. Wie ich nach dem von dir zitierten Satz bereits schrieb. Wieso muss man hier eigentlich alles mehrmals schreiben (und wahrscheinlich kommt es nicht mal dann an)?


    Es geht um Anstand. Auf beiden Seiten. Immer. Schönes, altes, sehr moralisches Wort.

    Ich habe ein paar der Videos gesehen und gedacht: Lustig ist das, ja, zum Teil gute Satire, aber - was wollen die Schauspieler damit eigentlich erreichen? Was ist das Ziel? Dass sie in Nöten, in sehr großen Nöten sind, das sehe und glaube ich wohl. Wie soll man das nicht sehen? Und: Becker, Brambach, Liefers, Folkerts: Ihnen allen glaube ich, dass sie nichts weniger sind als AfD-affin. Was ist denn passiert? Da sind ein paar Prominente, die sich weit, weit rausgehängt und vorher nicht darüber gut nachgedacht haben, wie verletzend ihre Aktion wirken kann. Mangelnde Empathie und Gedankenlosigkeit also. Ausgangspunkt für Diskussion? Ja, ist immer okay. Aber was wäre denn die Alternative zu dieser unsäglichen Lage, in der sich die Kulturschaffenden befinden? Mir fehlte da das Konstruktive.


    Das ist vielen zu Recht sauer aufgestoßen. Und dann reagieren die Leute, wie sie eben so reagieren: manche differenziert, wie z.B. Herr Lauterbach, und manche wie die anonymen Hintergeigen, die sie nun mal sind. Alles im Prinzip ganz normal und erwartbar, genauso erwartbar wie die Hassmails gegen Herrn Lauterbach oder Herrn Jauch wegen anderer und in dem Fall gegensätzlicher Aussagen. Was Hassmails nicht besser macht, aber eben auch nicht überraschender. Und weil die betroffenen Schauspieler Profis sind, haben viele von ihnen so gut reagiert, wie man in dieser Situation überhaupt reagieren kann. Sie haben sich entschuldigt bei den Menschen, die sie unbedacht vor den Kopf gestoßen haben. Wer ihnen nun ihre Bestürzung über die scharfen Reaktionen und den Beifall von rechts außen glauben will, der mag es tun, wer nicht, mag es lassen. Ich glaube ihnen.


    Ich finde nicht, dass wir da jetzt schon wieder ein Fass zu dem Thema aufmachen sollten, ob Satire "nicht mehr darf". Und es geht auch nicht darum, dass Kritiker keine Ironie verstehen. Es geht darum, was man mit den Mitteln der Ironie aussagt, und das war in dem Fall eben ein sehr unglückliches, weil nicht durchdachtes: Ich stelle meine beruflichen Nöte über das Leid sterbender Menschen oder deren Angehöriger, und ich tue das, indem ich ein paar Pointen darüber lande.


    Mit der Entschuldigung ist es für mich gut, weil ich glaube, diese Schauspieler einschätzen zu können, und weil ich glaube, abschätzen zu können, wann es jemand ehrlich meint und wann nicht. Ich habe aber niemanden an Corona verloren oder musste um ihn oder sie bangen und kenne auch keine Menschen, die im KH arbeiten. Allein deswegen kann ich mir nicht anmaßen zu entscheiden, was Satire an der Stelle darf. Meiner Meinung nach ist die Aktion daneben gegangen, und die Schauspieler, von denen ich das erwartet und denen ich es zugetraut hätte, haben es eingesehen. Mehr war da für mich nicht.

    Ganz herzliche und sehr nachträgliche Glückwünsche zu diesem schönen Erfolg, Monika, das freut mich für dich! :high

    Moin an alle und besonders an die Frauen ab 47!


    Dieses recht neue Online-Frauenmagazin der etwas anderen Art fiel mir jüngst auf, und ich verlinke es hier für euch:


    - Leuchten für Fortgeschrittene (palais-fluxx.de)


    Keine Kochrezepte, keine Schminktipps - vielleicht kann trotzdem deswegen die eine oder andere etwas damit anfangen! Mitgestalten ist jedenfalls prinzipiell erwünscht.


    In diesem Sinne: einen inspirierten Weltfrauentag! :strauss

    Mehr noch. Wenn ich als schwarze Journalistin mich dagegen verwahre, dass jemand Weißes das Gedicht einer Schwarzen übersetzt, ist nicht genau das auch wieder Rassismus, also in dem Fall Selbstdiskriminierung? Ich breche dadurch die Aussagen des Gedichts (etwa, dass die Dichterin wie viele Menschen an den Amtswechsel im Weißen Haus große Hoffnungen knüpft) auf die Tatsache herunter, dass eine Schwarze es geschrieben hat, und reduziere sie damit einmal mehr auf ihre Hautfarbe - und zwar über ihren Kopf hinweg, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich würde mich schön bedanken, wenn ich Amanda Gorman wäre, wobei ich natürlich nicht weiß, wie sie es aufgefasst hat.

    Wenn es, wie du schreibst, nur eine Elfe ist: der Elfe Herz. Der Elfen Herz, nur wenn es mehrere sind (falls du nicht gendern willst. IFalls doch: der Elf*innen Herz ;), nicht ganz ernst gemeint). Da aber nach meinem Gespür ein einziges Herz nicht wie eine Ansammlung von Tautropfen leuchtet: der Elfe Herz gleich einem Tautropf leuchtet. Wobei. Glitzern Tautropfen nicht eher?

    Inzwischen habe ich für jede Stimmung einen Text, an dem ich dann schreibe. Das kann doch nicht die Lösung sein, oder?

    Warum nicht? Unterschiedliche Texte entstehen doch nun mal in/aus unterschiedlichen Stimmungen. Gerade wenn du, wie du schreibst, noch eher in der Anfangsphase bist, kannst du erstmal alles ausprobieren, mal schauen, was kommt. Mit zunehmender Routine wirst du das immer besser steuern und planvoller schreiben können.