Beiträge von Jasmin

    Das ist nett, dass Du so ausführlich von dieser merkwürdigen Veranstaltung berichtest, aber in meinen Augen wäre ein gesonderter Thread für diesen Bericht besser gewesen.

    Ich habe auch kurz drüber nachgedacht, dachte dann aber, dass das verwirrend sein könnte, wenn zu einem Thema zwei Threads geöffnet sind. Bis zur Veranstaltung hatte ich irgendwo noch die Hoffnung, dass man die Schriftstellerin falsch zitiert haben könnte - was ich mittlerweile bezweifle. Aber ich bin auch aus Sensationsgeilheit hingegangen, das muss ich leider zugeben.

    Dann begann die Lesung von Frau Lewitscharoffs erstem Kriminalroman. 23 Seiten hat sie daraus vorgelesen. Natürlich folgten Geschichten aus ihrer schweren Jugend. Sie war 11 Jahre alt, als sich ihr Vater, ein angesehener Gynäkologe, erhängt hat. Im gleichen Jahr starb ihre fromme Großmutter.


    Mit 12 Jahren nahm Frau Lewitscharoff LSD. Sie bezeichnete die Droge zwar als „gefährlich“, sagte aber gleichzeitig, dass diese Erfahrungen ihre Fantasie beflügelten.


    Frau Böttinger schloss die Veranstaltung, in dem sie sich an das übrig gebliebene Publikum wandte: „Danke, dass SIE geblieben sind!“

    Es gab dann noch mehr abstruse Äußerungen. Frau Lewitscharoff brachte Leni Riefenstahl mit der Frauenbewegung in Verbindung – bzw. wenn ich es richtig verstanden habe, betrachtet Frau Lewitscharoff sie sogar als so eine Art Gallionsfigur. Dann hat sie noch beschrieben, dass sie sich bewusst von der Frauenbewegung abgewandt habe, weil diese immer dröger geworden sei – und die Frauen dort seien unfähig gewesen, sich mit Männern auseinander zu setzen.



    BB: „Haben Sie Angst um Ihren Ruf?“
    SL: „Nein, ich bin kein ängstlicher Mensch.“



    SL: „Aus meiner Rede würde ich nur den Passus mit den Halbwesen zurücknehmen.“


    BB: „Sie sind eine preisgekrönte Schriftstellerin. Wie kann es sein, dass Sie solche Worte benutzen ohne sich deren Wirkung bewusst zu sein?“
    (Jubel aus dem Publikum)



    SL: „Von den Grundideen meiner Rede rücke ich nicht ab. Aber wenn ich nochmal die Chance hätte, sie zu schreiben, würde ich von etwa drei oder vier Formulierungen abrücken.“


    BB: „Ein anderer Satz wurde nicht so häufig kritisiert, und zwar: "Mit Verlaub, angesichts dieser Entwicklungen kommen mir die Kopulationsheime, welche die Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden blauäugigen SS-Männern zu versorgen, fast wie harmlose Übungsspiele vor". Ich finde diesen Satz ehrlich gesagt noch heftiger als den Halbwesen-Satz.“
    SL: „Nein, das finde ich nicht.“
    (lautstarke Reaktionen aus dem Publikum)


    SL: „Homosexuellen Paaren stehen keine leiblichen Kinder zu. Es ist biologisch nicht möglich. Aber ein Kind zu adoptieren ist dann in Ordnung.“
    BB: „Landen diese Kinder dann nicht auf der Couch?“
    SL: „Das ist etwas Anderes. Bei Adoptionen geht es um Kinder, die im Elend leben.“
    BB: „Ich muss sagen: Ich verstehe den Unterschied nicht. Warum dürfen homosexuelle Paare in Ihren Augen adoptieren, aber keine leiblichen Kinder haben?“
    (Hier gab es wieder ärgerliches Gemurmel. Die ersten Leute standen auf und haben demonstrativ und mit vorwurfsvoll klappernden Absätzen auf dem Parkett die Veranstaltung verlassen.)


    SL: „Ich kenne Psychoanalytiker. Und die haben diese Kinder nun auf der Couch.“
    (Hier kippte die Stimmung im Publikum spürbar. Verärgertes Gemurmel erklang. Ein Mann rief: „BELEGE!“)
    SL: „Ich kann das nicht belegen. Ich kann nur das wiedergeben, was mir die Psychoanalytiker, die ich kenne, gesagt haben.“



    SL: „Diese Gefühle existieren. Aber klipp und klar: Ein Mensch ist ein Mensch – egal, wie er auf die Welt kam!“



    SL: „Ich habe die Rede falsch eingeschätzt. Hätte ich die Reaktionen vorhergesehen, hätte ich sie nicht gehalten.“


    SL: „Über die Kinder, die aus künstlicher Befruchtung entstanden sind, wird schon geredet. Nicht vor den Kindern und nicht mit den Müttern, aber in den Kneipen. Das wollte ich als Phänomen charakterisieren.“



    SL: „Ich wollte meine persönliche Wut und Skepsis zum Ausdruck bringen – über den medizinischen Vorgang, dieses Novum, dass wir uns als Menschen da einmischen können. Das ist ein größerer Menschensprung als es damals die Dampflok war! Dazu muss man nicht religiös argumentieren.“


    BB: „Im Fernsehen – im Morgenmagazin – haben Sie sich entschuldigt. Einen Tag vorher erschien ein Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der Sie noch bekräftigt haben, dass Sie nichts zurücknehmen.“
    SL: „Das Frankfurter Interview war zusammengeleimt. Ich hatte leider keine Gelegenheit mehr, es zu kontrollieren. Die ganze Rede möchte ich auch nicht zurücknehmen.“



    SL: „Ich möchte klipp und klar sagen: Es ist mir nicht möglich, einen Menschen – egal, wie er gezeugt wurde – abzulehnen, wenn er mir sympathisch ist!“
    BB: „Und wenn er Ihnen unsympathisch ist?“
    SL: „Ja, dann ist er mir unsympathisch.“
    (hier gab's auch ein bisschen Geschmunzel)


    BB: „Was hat Sie an der Reaktion zu Ihrer Rede überrascht?“
    SL: „Die komplette Reaktion hat mich überrascht. In Dresden gab es kein verärgertes Stimmengemurmel, keine Buh-Rufe. Die Leute haben applaudiert und Bücher gekauft.“



    BB ging noch darauf ein, dass SL gerne provoziere und übertreibe. SL wiederum meinte, dass der „Halbwesen-Satz“, auf den sich alle stürzten etwas Anderes zum Ausdruck hätte bringen sollen.
    (Was das war → das hat sie für mich nicht verständlich rüber gebracht)


    Hier mein Bericht von der lit.Cologne-Veranstaltung mit Sibylle Lewitscharoff. Ich weise darauf hin, dass dies meine subjektiven Mitschriften sind. So habe ich es mitbekommen und verstanden. Und natürlich ist es nicht vollständig (Steno kann ich nämlich trotz meines Berufsstandes nicht). Die Zitate sind nicht wortwörtlich, sondern sinngemäß. Selbstverständlich lasse ich es zu, wenn jemand der Meinung ist, dass ich etwas falsch aufgeschnappt haben soll. Gleichzeitig verweise ich aber auch darauf, dass ich als Sekretärin gewohnt bin, Ergebnisprotokolle zu verfassen.


    Zuerst kam ein Mitarbeiter der lit.Cologne (sein Name war irgendwas mit „O“) auf die Bühne. Er berichtete, dass auf die Veranstalter eingewirkt worden sei, die Veranstaltung abzusagen. Die lit.Cologne habe sich allerdings dafür entschieden, die Lesung stattfinden zu lassen und den Dialog zu suchen. Dafür gab es Applaus. Er wies daraufhin, dass die Diskussion über die Dresdner Rede ausschließlich zwischen Frau Böttinger und Frau Lewitscharoff stattfinden werde. Fragen aus dem Publikum würden lediglich zum Schluss und lediglich zu ihrem Kriminalroman zugelassen. Schon mal ein Spoiler vorweg: Das Publikum wurde gar nicht mehr gefragt, ob Fragen bestünden.


    Frau Böttinger und Frau Lewitscharoff betraten die Bühne und nahmen in aller Ruhe Platz. Erstmal herrschte Stille. Das war den Damen offensichtlich auch nicht unangenehm. Sie sortierten zunächst seelenruhig ihre Unterlagen. Dann ergriff Frau Böttinger das Wort.

    BB = Bettina Böttinger
    SL = Sibylle Lewitscharoff

    Ach ja! Noch etwas ... Vielleicht haben sich das einige schon gedacht ... Aus dem Publikum kam nicht nur verärgertes Gemurmel - manche haben demonstrativ die Veranstaltung verlassen und sich dabei auch keine Mühe gegeben, leise zu sein, damit jeder merkte: "Jawoll! Wir gehen, weil es uns nicht passt, was hier gesagt wird!"

    Also, ich war eben bei der Veranstaltung mit Frau Lewitscharoff. Ich kriege langsam einen Krampf vom Kopfschütteln.


    Ich habe während der Diskussion mitgeschrieben und einiges notiert, was sie von sich gegeben hat. Aber ich hadere noch mit mir, ob ich das hier posten soll. Die hat echten Gehirnkrampf von sich gegeben und nachher behauptet noch jemand, ich hätte mir das ausgedacht ...


    Aber so viel kann ich sagen: Einige Argumente konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Da es Frau Böttinger aber ab und zu auch so ging, liegt's wohl nicht an mir ...