Hallo Horst-Dieter,
3. Die schlimmen Dinge wurden ignoriert, verschwiegen, abgestritten, verharmlost. Auch - oder besser: gerade die, die sie nicht getan haben, dürfen darüber nicht schweigen sondern müssen auf sie zeigen und, wenn möglich, die Schuldigen benennen.
Meinst Du damit die unrühmliche Zeit des 3. Reichs oder auch Aktuelles?
zu damals: Diese Arbeit benötigt Zeit. Zudem schürt sie Hass. Ersteres könnte man m.E. besser für Selbstreparatur nutzen, letzteres bewirkt Teufel > Beelzebub, schürt also die Gewaltspirale an > kontraproduktiv.
Aktuelles: Vom Schimpfen halte ich wenig. Zur Kenntnis nehmen, bekanntmachen ja. Mit darüber hinausgehendem Mehraufwand wird man kaum wen zu Aktionen bewegen können, die er nicht ohnehin tun würde. Also glaube ich, dass auch hier ein Großteil des Aufwandes (=der Zeit) bei sich selbst nutzvoller eingesetzt ist.
Das ist noch nicht ausreichend passiert so dass befürchtet werden muss, dass sich die Dinge wiederholen. Schauen wir nach Ungarn. Der offene Ausbruch des Antisemitismus spricht eine deutliche Sprache. Wir müssen aber nicht so weit gehen, wir finden ihn auch noch in subtilerer Form in Deutschland und in Österreich.
Oder schauen wir über den Atlantik. Ich wies schon auf das hin, was
derzeit mit Bradley Manning passiert. Weshalb ist er angeklagt? Weil er
Geheimnisse verraten hat. Es sind schlimme Geheimnisse, aber das
interessiert nicht. Man verklagt ihn wegen des Verrats und wird ihn auch
wohl verurteilen deshalb. Es hat sich also nicht viel geändert.
Ja, alles schön und gut. Wiederum: Zur Kenntnis nehmen, bekanntmachen. Mit jeder Art von Gewalt erreichen wir nur wiederum Gewalt. Diese Spirale ist ja nichts Neues! Und auch Empörung oder Hass oder Repressalien gegen Gewalt sind - Gewalt! So werden wir doch aus diesem fatalen Circulus vitiosus nie herauskommen! Es geht einfach darum, den Abbau von Gewalt - und darum geht es ja letztlich - endlich einmal auf eine gänzlich andere, effiziente Weise anzugehen!
Es geht mir auch keineswegs darum, die Außenwelt zu kurieren. Das könnte ich alleine gar nicht. Ich bin nur der Meinung, es kann nicht angehen, einfach alles so hinzunehmen wie es ist. Zwischen mir als eigenständiger Persönlichkeit und Mitglied einer Gemeinschaft gibt es eine Wechselbeziehung. Mit dem Hinweis, ich muss mich erst mal selbst kurieren kann ich nicht begründen, die Augen zu zu machen und bestehendes Unrecht zu akzeptieren. Antisemitismus? . Ich kümmere mich erst mal um mich selbst - vielleicht geht er dann weg. Meint ihr das?
Außenwelt kurieren. Allein den Gedanken, jemanden anderen kurieren zu wollen/können/dürfen finde ich fragwürdig. Und wenn es alleine nicht geht, dann ...? Mit mehr Unterstützung? Polizei? Einem Heer vielleicht? Egal, ob im echten oder übertragenen Sinn: Was ist denn das anderes als wiederum Gewalt? Ich hau dich solange, bis du zugibst, dass es falsch war, gehaut zu haben und schwörst, es nie wieder zu tun? Erinnert mich irgendwie an noch dünklere Zeiten ...
Mich selbst kurieren heißt doch nicht, dass ich gleichzeitig meine Augen verschließe und derlei Unrecht zu akzeptieren schon gar nicht - wieso denn das? Ich kann doch mir falsch Erscheinendes wahrnehmen, kann andere von meiner Wahrnehmung informieren, kann meinetwegen meine Werte als Attachment ("das ist falsch!") dazuhängen und trotzdem an mir arbeiten. Es bringt doch nichts, wenn ich durch Missstände emotional so in Saft gehe, dass ich das Wichtigste - und das sind nun mal meine eigenen Mankos - aus den Augen verliere. Außer ich nutze meine lauthalse Empörung, um von mir selbst abzulenken. Das wäre dann eine fatale Ausrede ...
Und warum überhaupt bei sich selbst anfangen? Weil nun einfach, wie bereits gesagt, jede Gesellschaft die Summe des Tuns aller ihrer Mitglieder ist. Du bist eins. Ich bin eins. Jeder von uns ist eins! Das Prinzip ist doch sonnenklar. Jeder Mensch weiß, dass z.B. ein wirklicher Boykott ein Produkt vom Markt fegen kann. Warum funktioniert das in der Praxis aber leider nicht? Wiederum deshalb, weil es den meisten Einzelnen nämlich einfach Wurst ist. Es liegt halt mal einfach am Einzelnen. Und den kann ich halt nur motivieren, indem ich das mir als richtig Erscheinende vorlebe. Bei wirtschaftlichen Belangen liegt es auf der Hand, warum wird es bei unserem Thema nicht gesehen? Weil wir eine engere Affinität zur Wirtschaft haben als zu uns selbst ...? Allein das wäre ja schon ein Grund zum Nachdenken, finde ich. Und daraus folgendem Umdenken.
Hagen