Beiträge von Pookerman

    @Hugo Es gibt einen kleinen, aber für die Praxis des Kommentierens entscheidenden Unterschied: Ich muss heute einfach nur einen Account haben und kann überall im Internet meinen Senf in Form eines belanglosen, beleidigenden oder einfach nur inkompetenten Beitrag veröffentlichen. Keine mehrfachen Versuche, per Telefon vielleicht durchgestellt zu werden; kein Schreiben eines Briefes, den ich eintüten, frankieren und zum Briefkasten bringen muss. Ich habe eine Flatrate, wie viele andere Menschen. Ich bin aus beruflichen Gründen 14-18 Stunden online. Ich lese deinen Beitrag und verfasse nur Minuten später eine Antwort. Weil ich ein Quasselkasper bin. Das "Mitmach-Web" generiert in seiner Einfachheit eben solche Phänomene. Die kann man hinnehmen, man kann die sogar begrüßen, man darf aber auch mal die Klappe aufmachen und sie kritisch hinterfragen.


    Die Kommentar-Groupies gibt es zu jedem Magazin. Im Web, im Print, in anderen Medien. Man kann die Vollpfosten ignorieren und in auf die Suche nach relevanten Diskussionsbeiträgen gehen. Wenn man meint, selbst noch etwas relevantes mitteilen zu können, ist die Diskussion als Ganzes oft schon auf Kindergarten-Niveau. Mit Qualität haben diese freien Diskussionen also nichts mehr zu tun. Gefährlich wird diese Entwicklung aber durch die zunehmende Überzeugung der "mündigen" Generation Web, moderierte Blogs, Magazine oder Portale, die Kommentare freischalten, würden eine unzeitgemäße Zensur betreiben.


    Ich glaube, dass die Nutzer des Mediums Web ein verändertes Verhalten bezüglich Daten, Wissen und Meinungen zeigen. Und es ist ein Generationen-Phänomen. Wenn ich auf Konferenzen oder Tagungen bin, pflege ich auf die Frage, warum ich mein Mobiltelefon nicht anhabe zu sagen "Nur Dienstboten und Leibeigene müssen immer erreichbar sein". Ich kann mich so lange mit einem 25-jährigen Entwickler oder Designer unterhalten, solange nicht sein Handy klingelt oder eine SMS eingeht. An diesen Kommunikations-Absolutismus kann und will ich mich nicht gewöhnen.

    Schöner Beitrag. Und leider wahr. Ich musste Amazon dreimal zur Löschung unsachlicher Kommentare von so genannten Rezensenten auffordern, die mein Fachbuch nachweislich nicht mal gelesen haben konnten. Der Aufwand für diese Aktionen (Belege, Mails, etc.) war derart hoch, dass ich mir MRRs literarisches Quartett zurückwünschte, da gab es zumindest intelligente Shitstorms mit Niveau.


    Je nun, wer glaubt, solche Verhaltensweisen seien nicht web-typisch und deshalb überzeugt ist, diese scheinbaren Ausrutscher würden nicht für die Webworker selbst gelten, die in großem Maße die Funktionen, Inhalte und Möglichkeiten des Webs mitbestimmen, der irrt. Ich habe mich vor zwei Jahren in einer Kolumne über die Kommentar-Unsitten der Web-Tätigen ähnlich ausgekotzt.

    MichelK: Du hast ja recht.
    Schöner Gesprächsfaden, vor etwa 13 Jahren fast so erlebt im weitläufigen Familienkreis.
    "Was machst du beruflich?"
    "Ich bin Gemäldekopist. Ich male Bilder. Für Sammler, Luxushotels und Privatkunden."
    "Aha." (Pause) "Muss es ja auch geben."


    O-Ton.

    Tom: Danke, und ja, Kiel ist schön.


    Hamburg ist zu teuer, Lübeck zu weit weg. Aufgewachsen bin ich übrigens in Laboe, einem kleinen Ostseebad in der Nähe. Da gibt's ein U-Boot und ein früher bei Selbstmördern beliebtes Ehrenmal (seit ein paar Jahren gesichert) und im Sommer nach dem Einfall der Nordrhein-Vandalen mehr Badegäste als Eingeborene.


    @UIlli: Obstbäume. Gemüse kommt noch. Sauerkirschen sind jetzt reif (uärgs), nächste Woche Flaschenveredelung mit Korn und Rum, dann ist der Winter gerettet. Ansonsten noch Pflaumen und Äpfel (gewürzter Pflaumenmus, Apfelmus und dieses Jahr erster Versuch für Apfelgelee).

    Horst-Dieter Hier kannst' ja auch nix anderes machen außer Schnaps trinken oder schreiben oder verzweifeln oder in der Reihenfolge alles zusammen. Für alle jenseits von Hamburg gehören wir hier sowieso zu Südskandinavien.

    Cordula: Nein, gerade deshalb glückliche Katze. Kater interessiert nur der Rang in der Hierarchie, Revierverteidigung ist zweitrangig. Kämpfe finden nur mit anderen Katern statt, nicht mit Katzen. Bei den Mädels ist es umgekehrt. Unsere ist alleinige Hüterin des Reviers. Und da sie keine Rangordnung verteidigen muss, läuft das bestens.


    Kurz gesagt: Hauskater untereinander sind eher sozial, bei den Hauskatzen fliegen oft die Fetzen ums Revier. Und nein, ich erspare mir jetzt nahe liegende Analogien und Vergleiche...

    Es ist für mich übrigens immer wieder erstaunlich, dass die Exotik meiner früheren Kopistentätigkeit für alle interessant ist, während meine über zehnjährige Tätigkeit als Webdesigner keine Sau interessiert. Das läuft so in der gleichen Rubrik wie Leichenwäscher oder Müllman: "Naja, muss es ja auch geben". OK, kann ich auch verstehen.


    Das digitale Schlachtfeld ist zuweilen ebenfalls sehr exotisch. 2009 bis 2010 hatte ich eine monatliche Kolumne bei "create or die", einem Online-Magazin für Kreative. Jedenfalls, solange die für die Artikel auch bezahlten.


    Wen es interessiert, hier mal eine kleine Auswahl allgemeinverständlicher Texte. Passt ja noch zu Vorstellung und Veröffentlichung, auch, wenn es keine Literatur ist:


    Wissen, Werte, Wertschätzung (2009)
    Die Google-Knute (2010)
    Master or Servant? (2010)
    Content is King? Willkommen im Glücksbärchiland! (2009)


    Grüße
    Nils

    Unqualifizierter Gedanke in dem Bestreben, Andrea Martini doch noch eine Quelle für den nächsten Krimi zu verschaffen: Würde dieser Zerstörungsprozess auch einsetzen, wenn man mit frischen Mumien arbeitete?

    Ja, die Ägypter haben Asphalt verwendet. Wie alt der ist, wäre unerheblich. Aber man kann auch ohne Asphalt ein Mordopfer mumifizieren lassen. Wikipedia:

    Zitat

    In trockener, heißer Gegend ergibt sich bei salzhaltigem Boden eine natürliche Mumifizierung (Mumifikation). Dort entstand auch der Brauch des Mumifizierens. Natürliche Mumien werden erzeugt
    [*]durch Lagerung in Höhlungen innerhalb saugfähigen Gesteins, z. B. Tuff (wie etwa in der Kapuzinergruft von Palermo),[*]durch Trockenheit des Bodens am Begräbnisort, z. B. in der Sahara (weiße Mumien), in der peruanischen Wüste oder dem Altai-Gebirge,[*]wenn der Leichnam an einem sehr kalten Ort (z. B. Gletscher oder Taiga) begraben ist und gleichsam „eingefroren“ wird,[*]durch einen kalten austrocknenden Luftzug, wie im Bleikeller des Doms zu Bremen oder auf dem Großen St. Bernhard,[*]durch mineralische Bestandteile des Bodens (z. B. Alaungehalt),[*]durch chemische Bedingungen (z. B. Gerbsäure in Mooren)


    Das Opfer anschließend im Mörser pulverisieren, in die Farbe mischen und daraus einen Bilderzyklus mit 12 Portraits anfertigen, die Ausstellung dann passend zum großen Medienrummel um den "vermissten" Ehemann in allen Flughäfen zeigen und damit auch noch in diese Sendung "Vermisst" (oder so) kommen. Aber der meldet sich nicht mehr. Die Gemälde werden meistbietend versteigert, ein berühmter Gemälderestaurator ist unter den Glücklichen, der stellt das Bild zu Testzwecken einer Gruppe Chemiestudenten in seinem Museum zur Verfügung, die entdecken was komisches, Restaurator will Künstlerin erpressen, dann verschwindet er spurlos, usw.


    Ich sollte einfach nur Plots aus der Hüfte schießen. :)

    Kiel ist schön, stimmt. Wir haben sechs Jahre in einer Neubau-Reihenhaussiedlung in Preetz gewohnt. Weissebescheid. Dann haben wir überlegt: Stadtmitte? Ging nicht mit Katern, Katze und Hund. Haus mit großem Garten? Nur außerhalb bezahlbar. Deshalb Dorf, 15 Minuten bis in die Kieler Innenstadt.

    Karen: Am Teich 3. Hier in diesem altsächsischen Dorf ist ja alles irgendwie am Teich, beziehungsweise um den mit der alten Schule bebauten Anger herum gebaut, auch der Ponyhof.
    Eine Dorfgeschichte, das wär's überhaupt. "Novemberpferde". Trist, schwer, deprimierend, da fahren doch alle voll drauf ab beim Bachmannpreis.

    @JochenAlexander wenn du eine Frage hast, kannst du mir auch gern eine E-Mail schreiben.


    @Alle: danke für die netten Worte zu meinem Schulmeister-Klugschwätzer-Text :)


    Karen: ich wohne mit Frau, 5 Katern, einer Katze und einem Hund in Kiel-Rönne. Ein 1970 eingemeindetes Dorf, wahrscheinlich gab es damals erbitterten Widerstand (Eingaben bei der Stadtverwaltung, bzw. Teeren und Federn der ersten Abordnung). Wir haben hier mehr Linienbusse als PKWs und – nach Sichtschätzung – mehr Pferde als Menschen. Vor einer Woche spazierte nachts in fünf Meter Entfernung ein Fuchs an mir vorbei. Nein, kein Schaum vor dem Mund. In den vergangenen zwei kalten Wintern kamen die Rehe von den Feldern bis in den Garten, um Futter zu suchen. Sie haben auch was gefunden, die teuren Rosen machen hier ein jährliches Survival-Training mit. Vielleicht mache ich doch noch mal einen Jagdschein.

    @ JochenAlexander: Otto Dix hat nicht altmeisterlich gemalt. Er hat nur eine von Dörner fälschlicherweise als altmeisterliche klassifizierte Technik angewendet. Das wissen aber nur die wenigsten. Ein Beispiel dafür, dass ein eingeschlagener Weg mit erwünschtem Ziel zwar die Bestätigung einer Hypothese bedeuten kann, aber noch lange nicht der Wahrheit entsprechen muss ;-)


    Von den Niederländern bis zu Rembrandt hat kein Maler diese Technik verwendet.


    Interessiert das jemanden?



    Öl ist zäh und selbst mit feinsten Haarpinsel gibt es keine Möglichkeit, feinste Linien zu ziehen. Das wiederum geht zwar mit Wasserfarbe, aber Wasser und Öl verbinden sich bekanntlich nicht. Maltechniker und Künstler haben sich immer gefragt, auf welche Weise Dürer & Co. die feinsten Haare in den Ölbildern geschaffen haben. Dieses Wissen ging durch den Zusammenbruch der Zünfte und den dort nur an die Gesellen weitergegebenen, gut gehüteten Techniken verloren. Auch der Maltechniker Max Dörner experimentierte mit verschiedenen Bindemitteln, Zusätzen und Rezepten. Bekannt war, dass die Künstler vor dem Siegeszug der Ölfarbe ihre Bilder mit Eitempera malten. Das Farbpulver wurde mit Ei vermischt und mit Wasser verdünnt, die Farbschicht trocknete wasserunlöslich auf. Man nennt diese Farbe Eitempera. Eine Tradition, die bis in die ersten nachchristlichen Jahrhunderte zurückreichte, noch heute praktizieren das die orthodoxen Ikonenmaler in der Nachfolge Ostbyzanz.
    Bekannt war schon immer, dass mit einem Ei Wasser und Öl zusammengebracht werden kann, das kennen wir alle von der Herstellung einer Mayonaise oder vom Kuchen backen. Grund ist hier ein so genannter Emulgator im Ei (Lecithin). Dörner zog nun in den 1920er Jahren einen intelligenten Rückschluss: Eitempera mit Wasser verdünnen und damit direkt in die Ölfarbe malen. Das Wasser wird durch den Eianteil nur leicht vom Öl zusammengezogen, dass die mit einem Rotmarderhaarpinsel gezogenen feinsten Linien rekonstruiert werden konnten. Die Ergebnisse schienen ihm Recht zu geben. Otto Dix suchte genau diese altmeisterliche Wirkung und verwendete diese von Dörner "wiederentdeckte" Technik.


    Dörners raffinierte und elegante Lösung hatte aber mit der tatsächlichen Praxis oder einem Geheimwissen der alten Meister nichts zu tun. Die Lösung war viel profaner, ohne geheime Rezeptur, ohne wasserlösliche Eitempera und ohne unbekannte Zutaten: Die alten Meister zogen einfach eine kleine Feder durch die noch frische Ölfarbe. :)


    Im 19. Jahrhundert dachte man übrigens, dass Ölfarbe den damals hippen braun-speckigen Galerieton am besten mit Mumie erreicht. Genau, dooode Ägypter, die man im Mörser verkleinerte und in die Ölfarbe gibt. Es gab tatsächlich den gewünschten Galerieton in den Salons. Leider bestanden die Reste der nahöstlichen Jungens und Mädels nur noch aus Asphalt, das sich innerhalb weniger Jahrzehnte durch alle Schichten der Ölfarbe frisst und langsam zerstört, ohne Möglichkeit, diesen Prozess aufzuhalten. Der Maler Hans von Marées hat reichlich Gebrauch von Mumie gemacht, auf sein Konto gehen vermutlich ganze Familien inklusive diverser Schwippschwager aus Kairo. Die Bilder sind nicht nur unrestaurierbar (achja, ich habe Restaurierung gelernt, Mumiensarkophage bis moderne Kunst), sie sind nur noch Ruinen. In hundert Jahren ist nichts mehr auf den Bildern zusehen zu sehen, nur noch eine braune Asphaltschicht. Die Mumie verdeckt sozusagen am Ende jedes Motiv. Das weiß aber keiner ("Guckma, Schatz, diese interessanten Rissbildungen"). Wahrscheinlich hat Oscar Wilde die Bilder des Herrn von Marées gesehen, als er die Idee zu Dorian Gray hatte. Ende der 70er Jahre konnte man in einem Pariser Farbenhändler noch letzte Gläser mit Mumie kaufen. Ich kam zu spät, wäre eine 1A-Deko fürs Atelier geworden.




    Grüße
    Nils

    Vielen Dank an alle für den tollen Empfang :)


    @Saskia: es gibt meine uralte Webseite mit Beispielen von 1993-2000.


    Ulli: nette Seite und ideal zum Weiterleiten (Mahnstufe 2). Besonders schön das Bannerbild: Demnach ist nicht nur bei Ratten PST als Todesursache verbreitet (plötzlicher Schaufeltod).


    Karen: klasse, eine Kielerin! :)


    @JochenAlexander: stimmt, die Branche wäre weitaus interessanter gewesen. Gestorben wird ja immer.

    Hallo 42er,


    jetzt möchte ich mich auch vorstellen. Ursprünglich habe ich mit Kopien und Gemälden als Auftragskünstler mein Geld verdient. Danach bin ich nicht in die Politik gegangen, ich lebe und arbeite stattdessen als freier Webdesigner in Kiel. Außer einem - literarisch natürlich belanglosen - Fachbuch und Fachartikeln habe ich noch nichts veröffentlicht, was hier der Rede wert wäre. Nach den ersten Versuchen eines Romans (Werner Höfer moderierte damals eine Polit-Soap) sitze ich seit 4 Wochen an einer endgültigen Fassung, in der ich nun meine Erlebnisse aus dem graumelierten Kunstbereich verwursten kann. Best case der Fertigstellung wäre ein Jahr, worst case zur Abdankung von Frank Elstner aus dem Fernsehen (2039).


    Ich lese artig und begeistert mit und freue mich auf einen regen Gedankenaustausch.


    Herzliche Grüße
    Nils