Beiträge von Tom

    Martina Brandl ist eine komische Frau. Wer sie beim "Sonntagsbrandl" im Berliner Kookaburra-Club oder einem ihrer sonstigen Liveauftritte erlebt hat, weiß das. Sie ist selbstironisch, sprachbegabt, musikalisch, spitzfindig, charmant und außerordentlich talentiert. Zu den Programmen gehören auch immer kurze, eigene Texte. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung funktionieren die auch gut.


    Hier leider nicht.


    "Halbnackte Bauarbeiter" erzählt von der Layouterin Ute, 38, die mit einer etwas nervigen Frau eine Art WG betreibt. Ute sieht ganz gut aus, hat aber - wie die meisten Frauen dieses Alters? - Cellulitis und ein etwas ausladendes Gesäß. Auf dem Weg zum Dönerstand begegnet sie einem Johnny-Depp-Double, das sie energisch anmacht und ambulanten Sex anbietet, und obwohl der schöne Mann Utes Idealen entspricht, entzieht sie sich. Fortan ärgert sie sich über diese Entscheidung, flüchtet sich in eine fade Beziehung mit dem lahmen, aber herzigen, viel zu jungen Koch Michael, und sucht parallel nach dem mysteriösen Dönermann. Zwischendrin erlebt sie dies und das, aber leider nichts Bemerkenswertes. Und auch die Wiederbegegnung mit Johnny Depp versandet eher. Wie das meiste in diesem Roman. Vor allem, leider, die Figurenzeichnung.


    Susanne Fröhlich trifft Sven Regener, und das schlechteste beider Welten findet sich in diesem Buch. Anfangs gibt es einige lesenswertende Selbstbetrachtungen, aber dieses "So sehen sich Frauen also selbst, wenn sie zu Ironie in der Lage sind" hat es schon oft gegeben, zu oft, und meistens in besserer Form. Die Handlungsstränge sind eher Fetzen, zwischendrin, etwa bei der Betrachtung eines Schokoladenhasen, hat man das starke Gefühl, Teile aus Texten zu lesen, die zu anderen Anlässen verfaßt wurden, und gegen Ende des zweiten Teils wird es verstörend larmoyant und ziemlich langweilig. In den Danksagungen schreibt Brandl, daß sie sich Schriftsteller als barttragende Eremiten vorgestellt hat, die im Kämmerlein hocken und der Welt entsagen. Sie schließt mit den Worten, "am Bart noch zu arbeiten", aber das stimmt nicht, denn "Halbnackte Bauarbeiter" hat einen. Sogar einen ziemlich langen. Alles schon dagewesen, und dieses Buch ist leider nicht originell genug, um die Vorgänger auszustechen. Ganz im Gegenteil.


    Aber das Cover ist schön.


    ASIN/ISBN: 3502110190

    Na ja. Ich konzentriere mich ohnehin auf den Textbereich und glaube kaum, daß mich Menüs und Buttonleisten ablenken (das macht das Radiodisplay auch nicht, während ich autofahre). Aber wer nichts zu tun hat (z.B. schreiben), der mag sich auch mit solchen "Lösungen" auseinandersetzen. 8)

    Hallo, Bernd.


    Es ist schwer, Idealist zu werden, zu sein und zu bleiben. Genaugenommen ist es unmöglich. Deshalb gibt es eine persönliche Grenzziehung, und die ist in meinem Fall bei Filmen wie "300" oder auch "Starship Troopers" überschritten (bei "Herr der Ringe" allerdings noch nicht). Das hängt vom Kontext, der persönlichen Einordnung und der dem Kunstwerk innewohnenden Relativierung (so sie denn stattfindet) ab. Natürlich müßte man auch die HdR-DVDs shreddern, und selbstverständlich dürfte man als selbsternannter Moralist auch nicht "Need for Speed" spielen. Aber ich bin ja überhaupt kein selbsternannter Moralist. Ich habe nur für mich entschieden, was Kunst, die ich konsumiere, darf, und was nicht. Wenn ein stark vereinfachende und überkommende Feindbilder transporierendes Menschen- und Weltbild kolportiert wird, muß ich das nicht haben. "300" tut aber noch weit mehr als das. Und da es offenbar nicht einmal ein Augenzwinkern zu geben scheint, frage ich mich an dieser Stelle dann auch: Wozu? Bei "Need for Speed", als Spieler, bin ich das relativierende Element, und ich muß ja nicht die Fußgänger umnieten. Wo ist es bei "300"?

    Zitat

    Hat "Herr der Ringe auch"


    Möglich, aber erstens nicht in dieser Form und zweitens vor einem anderen zeitgeschichtlichen Hintergrund. Wie gesagt, ich hab's ja nicht gesehen, aber die Filmbesprechungen, die ich gelesen habe, ließen in dieser Hinsicht nur wenige Fragen offen.

    Zitat

    Ja, ein Jungsfilm.


    Ich habe ihn nicht gesehen und werde ihn mir auch nicht ansehen, ich fand schon die vorige Miller-Verfilmung "Sin City" widerwärtig. Aber ich habe inzwischen mehrfach gelesen, daß "300" deutliche faschistoide Tendenzen hat, und über die verfügen nicht alle "Jungs", meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach.

    Als sein Schreibpate stirbt, und ihm als Vermächtnis eine (fremde) Geschichte hinterläßt, die man (selbstverständlich, wir lesen schließlich Moers) ohne Übertreibung als den "besten aller je geschriebenen Texte" bezeichnen kann, macht sich der noch am Anfang seiner Karriere stehende Lindwurm und Schriftsteller in spe Hildegunst von Mythenmetz auf den Weg nach Buchhaim, der "Stadt der träumenden Bücher", um den Autor zu finden. Die Suche an jenem Ort, an dem sich alles um Bücher dreht, wird beschwerlicher, als sich unser literaturbegeisterter Freund das vorgestellt hat, und Mirnichtsdirnichts befindet er sich mitten in einer Verschwörung, hinter der nicht weniger als der Versuch, die Herrschaft über Zamonien übernehmen zu wollen, steht.


    Walter Moers ist so einer, dem man gerne mal bei der Arbeit über die Schulter schauen würde. Kichert der Mann die ganze Zeit grenzdebil vor sich hin? Oder ist er einer jener energischen, hochkonzentrierten Köpfe, die schreiendkomische Texte fabrizieren können, ohne dabei auch nur die Mundwinkel hochzuziehen? Jedenfalls ist er definitiv vom Orm durchströmt, jener geheimnisvollen, inspirierenden Kraft, ohne die kein Schriftsteller je Genialität erreichen kann. Mythenmetz zweifelt an, daß diese Muse überhaupt existiert, aber da wir die Fortsetzung seiner Karriere bereits kennen, wissen wir es besser.


    In den Katakomben unter der Stadt begegnet der junge Dinosaurier sagenhaften Gestalten, von den kleinen, aber gefürchteten "Buchlingen", die jeweils die Arbeit eines Autor auswendig kennen und sich dessen Namen gegeben haben, bis hin zu den "Bücherjägern", die gnadenlos und sehr gewalttätig auf der Suche nach antiquarischen Schätzen sind. Er sieht und lernt eine unfaßbare Menge über Bücher, Papier, Stilarten und Schreibtrends, lernt "gefährliche Bücher" kennen und sogar lebende, und in Schloß Schattenhall trifft er auch endlich auf jenen bewundernswerten Verfasser des idealen Textes. Am Ende der über vierhundert Seiten wird er den Siegeszug des Orms über das Mittelmaß einläuten.


    Meine Hochachtung. Jeder fantastischen und atemberaubenden Idee läßt Moers eine noch fantastischere und atemberaubendere folgen. Und es ist kaum zu fassen, wie variations- und ideenreich das Thema "Bücher" bearbeitet werden kann. Zudem bekommen so gut wie alle Vertreter des Literaturbetriebs ihr Fett weg. Eine amüsante, zwar nicht immer spannende, aber ergreifend schöne, liebevolle und augenzwinkernde Geschichte, die nicht nur Menschen Spaß bereiten dürfte, die energische Vielleser oder –schreiber sind.


    ASIN/ISBN: 3492246885

    Evers' Karriere ist eng mit einer der bekanntesten deutschen Lesebühnen verbunden: "Dr. Seltsams Frühschoppen". Gemeinsam mit einer zwar wechselnden, im Kern aber beständigen Besetzung haben sich dort einige Autoren einen Namen als Vorleser gemacht, was allerdings ein Euphemismus ist. Die Darbietungen verfügen über einen gehörigen Entertainment-Charakter, und zumindest das unterscheidet sie von den allermeisten normalen Lesungen. Die unverkrampfte und auf mittelbaren Publikumserfolg abzielende Veranstaltung war und ist zugleich eine Bühne für all jene, die selbstironisch und ohne permanenten Seitenblick auf Verkaufszahlen mit selbstgeschaffener Literatur umzugehen in der Lage sind und waren.


    "Die Welt ist nicht immer Freitag" faßt auf knapp hundertfünfzig Seiten die besten Texte Evers' aus den Seltsam-Shows zusammen. Dabei ist eine thematische und inhaltliche Gruppierung weder erwünscht, noch beabsichtigt gewesen, aber eine Art von Dramaturgie gibt es durchaus.


    Das Problem der Sammlung besteht allerdings darin, daß Evers nicht vor einem steht und die Geschichten vorträgt. Sich wiederholende Elemente oder stark von der Figur des Vorlesenden getragene Aspekte fallen im stillen Kämmerlein umso mehr auf, oder eben nicht. Dabei wirkt manches lapidar, fast belanglos, anderes ein wenig aufgesetzt oder zu pointenzentriert, und die leicht apathische, fettleibige, bei Frauen erfolglose und insgesamt ziemlich tolpatische Figur Horst, Ich-Erzähler des Büchleins, kommt etwas weniger gut weg als "live". Trotzdem ist das eine amüsante, über weite Strecken ziemlich erfrischende Anthologie, die sprachlich wie inhaltlich deutlich mehr zu bieten hat als nihilistische Brachialpopliteratur á la "Vollidiot".


    ASIN/ISBN: 3499242516

    Mills betreibt Reduktion bis zur Schmerzgrenze. In diesem Roman, der keiner ist, findet sich nichts, das nicht zwingend für dessen Funktionieren notwendig wäre. Die Frage, die sich stellt, lautet folgerichtig: Funktioniert er?


    Der namenlose Held ist Fahrer eines UniVans, jenes Transportwagens, der aus rasch austauschbaren, im Baukastensystem gefertigten Einzelteilen besteht. Über das Land verteilt befindet sich ein Netz von Depots, und zwischen diesen sind die Lieferwagenfahrer unterwegs, hunderte, tausende von ihnen. Sie tun nichts anderes als Ersatzteile für den UniVan von Depot zu Depot zu liefern. Das und nur das. Dieses System funktioniert seit dreißig Jahren. Die Mitarbeiter werden exzellent bezahlt, einige Aufseher sind kulant und gönnen vorzeitige Feierabende. Das wiederum wird von einigen nicht sehr gerne gesehen. Der Konflikt zwischen den Freunden des vorzeitigen Schlusses der sinnleeren Arbeit und den "Pauschaltagvertretern" spitzt sich zu.


    Die Frage, die hinter all dem steht, lautet: Was ist Arbeit und was ist "nur" Beschäftigung? Wenn sich der Mensch über seine Arbeit definiert, ist dann eine Tätigkeit, die keinen Zweck hat, außer Menschen betriebsam zu halten, immer noch geeignet, dieser Definition gerecht zu werden? Die Frage wird zwar weder entschieden, noch (direkt) beantwortet, aber am Ende des spröden, auf jeden Schnörkel verzichtenden Buches sollte der geneigte Leser zumindest eine Idee davon haben. Und die Frage läßt sich natürlich ausdehnen. Das Extrembeispiel der sich selbst befruchtenden und für "Außenstehende" nutzfreien Branche steht für viele Arten von Produkten und Dienstleistungen, begonnen bei "Busspurbetreuern", die es in den Achtzigern mal gab, bis hin zu Steuerberatern, die es immer noch gibt, und deren Rechnungen zumindest bis vor kurzer Zeit ausgerechnet von der Steuer absetzbar waren.


    Während Mills in seinen ersten beiden Büchern "Die Herren der Zäune" und "Indien kann warten" Charakterzeichnungen wenigstens andeutete, verzichtet er in "Ganze Arbeit" auf derlei völlig; der Protagonist ist sogar noch unentschiedener und teilnahmsloser als die vielen, zuweilen schwer auseinanderzuhaltenden anderen Mitarbeiter des PLANS, wie das Arbeitsmodell heißt. Wie angedeutet, wirkt das Buch deshalb spröde, emotionslos und nicht gerade spannend. Die Idee mit all ihren Implikationen ist es aber durchaus, und als Satire über verschiedene Gesellschaftsmodelle funktioniert "Ganze Arbeit" auch. Nur eben nicht als Unterhaltungsroman. Das soll es aber, vermute ich mal, auch nicht sein.


    ASIN/ISBN: 3518417541

    Zitat

    solange dieser Hang dazu gepflegt und bedient wird...gibbet Kriech und zuviele haben Spaß dran...


    Kriech ist geil! Ich spiele gerade Version 3.0 mit dem Islamisten-Plugin. Voll abgefahren! BTW, kann es sein, daß Du "lametta_online" auf dem palästinensischen Kriech-Server bist?

    Kennt jemand einen guten Therapeuten?


    Ich liebe es, mit "Need for Speed" durch virtuelle Städte zu rasen, andere Fahrzeuge zu rammen, gelegentlich ein paar Fußgänger umzumähen und blockweise Fassaden einzureißen, vorzugsweise mit dem gewaltigen (aber leider auch virtuellen) Feuerwehrwagen. Da dürfte kaum ein Unterschied zu einem Ballerspieler bestehen, oder?

    Huhu, Kaelo.


    Für die Betroffenen ist es (ein) Unglück. Natürlich sehr euphemistisch gesagt. BTW, das Wort "Massaker" empfinde ich persönlich auch als eher unangebracht. Der Begriff steht in erster Linie für (besonders) grausame Massenexekutionen zum Beispiel nach einer Kapitulation. Oder für vergleichbare Hinrichtungen an politischen Feinden.

    Für mich fällt ein häufig eingesetztes Stilmittel ebenfalls weitgehend in diese Kategorie - das auf der Toilette belauschte Gespräch. Zum Beispiel in "Trading Places" (Die Glücksritter), einem der erfolgreichsten Achtziger-Filme. Aber das wird gerne und oft gemacht, um den Protagonisten mit einer Information zu versorgen, an die er sonst nicht gekommen wäre. Offenbar neigen Filmfiguren dazu, auf dem Klo alle Geheimnisse auszuplappern.

    Bernd: Falls Du Dich auf mich beziehen solltest - ich habe keinen Zusammenhang mit der hohen Anzahl verfügbarer Feuerwaffen und diesem oder einem anderen "Amoklauf" herzustellen versucht. Mir ging es eher um den Terror-"Sicherheits"-Wahnsinn angesichts einer grundsoliden Ausstattung (0,8 Waffen pro Bürger) mit Kanonen. Amokläufe dieser Art hat es auch in Deutschland (Erfurt) schon gegeben, und bei uns ist es wirklich schwer, an Knarren zu kommen, wenn man nicht in bestimmten Kreisen verkehrt.

    Ergänzung: Ich habe "Liebling" bei der Nennung von Blumenbar nicht ironisch in Anführungszeichen gesetzt. Ich halte den Verlag für einen der besten unter den kleinen/Initiativverlagen.

    Schreckliches Unglück. Zweifelsohne.


    Zitat

    und dazu kann man in den USA viel zu leicht Waffen und Munition kaufen


    Das beschäftigt mich tatsächlich viel mehr. Da gab es einen Anschlag, vor sechs Jahren, eine fürchterliche, katastrophale Sache, fraglos, und im Ergebnis müssen Flugreisende vier Stunden vor dem Abheben der Maschine am Airport sein, sich und ihr Gepäck fünfmal durchsuchen lassen, bis auf die Unterwäsche, Getränke abgeben, auf Nagelfeilen und Zahnbürsten verzichten, ihre Fingerabdrücke abliefern, sich fotographieren lassen. Telefon und Internet werden belauscht. Kaum ein elektronisches Gerät verkauft sich besser als die Überwachungskamera. Rechte werden beschnitten, zurückgedrängt, konterkariert. Datenbanken entstehen, die Wasweißich enthalten. Terror.


    Aber trotzdem gibt es in Amerika 200 Millionen Handfeuerwaffen, und jedes Jahr 80.000 Menschen, die erschossen werden.

    Hallo, Jessiter.


    Zitat

    Oder die schnell "initiierten" technischen Black-Boxen am Ende vieler Episoden.


    LaForge: "Wir könnten eine statische Warpschale um das bedrohliche Feld legen."
    Picard (blinzelt): "Ja, gute Idee. Machen Sie das."


    Zitat

    Weißt du was aus Action-Filmen?


    Gerade Action-Filme scheinen mir mit simplen, aber stringenten Plots zu arbeiten.


    Es ist vielleicht nicht "Deus Ex Machina", aber bei Fernsehkrimis wird ja häufig damit gearbeitet, schließlich denjenigen zum Täter zu machen, bei dem man am allerwenigsten damit gerechnet hat, und in einer wunderbar begreifenden Erklärung der Kommissare wird dann der Zusammenhang ausgeführt. Das stößt mir, der ich ganz gerne "Tatort" schaue, zuweilen ziemlich unangenehm auf.