Beiträge von Tom

    <hüstel> Mit der inzwischen vierten Auflage (November) und fast 20.000 verkauften Exemplaren - allerdings über drei Jahre hinweg - darf ich meinen "Idiotentest" eigentlich schon "Bestseller" nennen. Manchmal, wenn wir alleine sind, tue ich das jedenfalls. ;)

    Die Achtziger: Anti-Reagan-Demos, Pershing-Nachrüstung, WGs, Popper, Hausbesetzer, Bombastrock, Punk und fade Schlager wie "Ein bisschen Frieden". Und zwischen all dem: Quinn Kuul, gerade volljährig geworden, Absacker in einem Kölner Rußwerk, kein Freund großer Worte, eigentlich Abiturient, der sich aber sauwohl dabei fühlt, Ruß in Säcke abzufüllen und vor der Wohnung von Fräulein Sylvie, der Stüsgen-Kassiererin, von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Wenn er nicht gerade im "Pipapo" sitzt, mit Karlderkellner parliert oder dem seltsamen Andreas zuhört.
    Dann tritt Kruddewich auf den Plan. Der zauselige Späthippie mit den überraschend schnellen Reaktionen engagiert Kuul für etwas, das man als "Spionagedienste" bezeichnen könnte. Quinn soll Leute beobachten, schließlich als V-Mann Mitglied einer Gruppe werden, die sich "Die Flaker" nennt und in Wickie-Kostümen tagt. Und dann spielen auch noch ein getöteter FDP-Politiker, ein Schlagersänger namens "Der schreckliche Sven" und viele andere Figuren ihre Rollen. Manchmal ziemlich obskure, vorsichtig ausgedrückt.
    Der sechshundert Seiten starke "Schelmenroman" hat zwei Hauptfiguren, nämlich einerseits Quinn Kuul und andererseits Bernd Imgrund, den Autor. Die vielen - oft sehr amüsanten und fein beobachteten, manchmal aber auch etwas langweiligen - inneren Monologe kommentieren Geschehen und Zeitgeschichte, widmen sich der Musik, der Politik, sozialen Aspekten und vielem mehr. Nicht alles davon nimmt man dem Protagonisten ab, weil der Autor in den Vordergrund drängt, und umgekehrt verliert sich die anfangs überzeugende Hauptfigur mehr und mehr im Dickicht, das längst nicht nur aus diesen Kommentaren besteht. Die Handlung, die etwa ab der Mitte kaum mehr nachzuvollziehen ist, schlägt Purzelbäume, generiert einen wachsenden Erkenntnisnotstand, wird schließlich zur Nebensache, gar zum Ärgernis. Als Schatzkarten, Wiedervereinigungsphantasien, konspirative Treffen und inszenierte Scheintötungen die Geschichte bestimmen, wird aus der zunächst bemerkenswerten Milieu- und Figurenstudie ein gnadenloses Kuddelmuddel, das vielleicht noch der Autor verstanden hat. Möglich, dass Kenntnisse über die Geschichte des Namenspaten Quirinus Kuhlmann geholfen hätten, aber wer zur Hölle will sich schon vor der Lektüre eines Gegenwartsromans mit der Lebensgeschichte eines Mystikers aus dem siebzehnten Jahrhundert herumschlagen?
    Schade ist das vor allem deshalb, weil Imgrund nicht selten zeigt, wozu er fähig wäre und ist. Vieles ist irre komisch, manches fast schon brillant, die meisten Figuren sind sehr liebevoll und detailreich gezeichnet, Zeit- und Lokalkolorit werden fast greifbar. Hätte er sich nur nicht dafür entschieden, so eine hanebüchene Verschwörungsgeschichte zu erzählen. Der gute Ansatz versinkt im Chaos, in das der Rest leider mitgerissen wird. Empfehlung: Nur die ersten 300 Seiten lesen.


    Hinweis: Das Buch ist bei Haffmanns/zweitausendeins erschienen und nur im Versand bei zweitausendeins erhältlich.


    ASIN/ISBN: 3861505843

    Ich bin ein großer Fan der SF-Romane, die Michael Marshall noch unter Verwendung des Nachnamenszusatzes "Smith" geschrieben hat, und die leider mit wirklich unseligen deutschen Titeln veröffentlicht wurden. Weil die Umbenennung irgendwie an mir vorbeiging, wusste ich lange nicht, dass der Autor inzwischen auf Thriller umgesattelt hat. Deshalb fiel mir "Der zweite Schöpfer" erst jetzt in die Hände.
    Das ist, dies sei vorbemerkt, kein Thriller der herkömmlichen Art. Die Effekthascherei hält sich bei aller Brutalität in Grenzen, tatsächlich widmet sich Marshall atmosphärischen Schilderungen oder denjenigen der Befindlichkeiten seiner Figuren weit intensiver als solchen, bei denen es um die eigentlichen Taten geht. Aber - eins nach dem anderen.
    Ich-Erzähler Ward Hopkins sucht das Haus seiner Eltern auf, die kürzlich bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Dort findet er eine Nachricht, die auch nur er hätte finden können: "Wir sind nicht tot" steht auf einer gut versteckten Notiz. Hopkins sucht weiter und entdeckt ein verwirrendes Videoband, das auf den ersten Blick der Zusammenschnitt mehrerer alter Super-8-Filme zu sein scheint, die in keinem Zusammenhang stehen und auch keine Hinweise enthalten. In der letzten Sequenz allerdings sieht Hopkins, wie ein kleiner Junge von seinen Eltern ausgesetzt wird, und dieser Junge hat große Ähnlichkeit mit Ward. Nur war er es definitiv nicht selbst.
    In einer von zwei weiteren Parallelhandlungen wird die Entführung eines jungen Mädchens geschildert - auf sehr eindringliche Weise. Schließlich erlebt der Leser noch, wie zwei FBI-Beamte nach einem Serienmörder suchen, der als "Der Botenjunge" bezeichnet wird, weil er den Eltern der Opfer Pullover schickt, auf die die Namen der Kinder gestickt sind - mit den Haaren eines früheren Opfers, dem Kind eines der beiden FBI-Ermittler.
    Die drei Handlungsstränge verbinden sich schließlich, und es geht offenbar um nicht weniger als eine weltweite Verschwörung. Die "Straw Men" scheinen hinter allem zu stecken, und diese Gruppe, die mit äußerster Brutalität und Rigorosität vorgeht, will die Welt von jenen Menschen befreien, die mit dem "Virus", der da "soziales Gewissen" heißt, verseucht sind. Je näher die Ermittler dieser Gruppe kommen, umso gefährlicher wird die Suche.
    Wer Thrillerkost der üblichen Art erwartet, wird von "Der zweite Schöpfer" sicher enttäuscht, denn die Taten und ihre vorläufige Aufdeckung stellen nur einen Randaspekt dar. Marshall beschäftigt sich intensiv mit sozialen Strukturen, vermittelt Gesellschaftskritik und wirft keine seiner Figuren einfach so in die Geschichte. Sie sind, wie auch die Handlung, niemals linear, ganz im Gegenteil vielschichtig, ziemlich ruppig, mit sich selbst beschäftigt, unsicher und dann wieder unerwartet, aber nicht unerklärlich tapfer. Die Atmosphäre ist oft düster und nicht selten depressiv. Die Entwicklung hat verwirrende Aspekte, die auch am Ende dieses ersten Teils einer Trilogie nicht aufgeklärt werden. "Der zweite Schöpfer" ist kein vordergründiger Roman, keine von diesen Schema-F-Geschichten, in denen die Figuren der Handlung untergeordnet sind, bei der es nur darum geht, Spannung auf die Spitze zu treiben.
    Der Showdown, der keinen Schlusspunkt darstellt, hinterlässt einen Leser, der nicht entscheiden kann, ob er verstimmt oder erwartungsvoll sein soll. Er hat ein bemerkenswertes, unkonventionelles Buch gelesen, das am Ende keinen Ausweg aus der düsteren Rätselhaftigkeit gewiesen hat, die aufgebaut wurde. Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall: Das Unheil, das in letzter Minute abgewendet wurde, scheint lediglich die Ouvertüre zu einem weitaus größeren gewesen zu sein. Bleibt nur die Entscheidung, sich gleich dem Folgeband zuzuwenden: "Engel des Todes". Der dritte Teil, "Blutsbruder", erscheint im November.


    ASIN/ISBN: 3426196360

    So schmierig-halbseiden, wie sich Clooney in diesem Film zeigt, ist er sogar erträglich. Und, um nicht falsch verstanden zu werden: "Burn After Reading" ist durchaus unterhaltsam! Er hinterlässt nur dieses seltsame "Und was war das jetzt?"-Gefühl. ;)

    Von "Blood Simple" über die genialen Streifen "Fargo" und "The Big Lebowski" bis hin zum oscarprämierten "No Country for Old Men" reicht die Vita der Coen-Brüder. Seit ein paar Tagen läuft der neueste Streich im Kino, mit einer Besetzungsliste, die ihresgleichen sucht.


    Ich habe den Film gestern gesehen und weiß, ehrlich gesagt, nicht so recht, was ich davon halten soll. Die Verstrickungen der Handlung erinnern an "Fargo", wo ja auch alles ganz anders läuft, als sich die Figuren das erhofft haben, wobei "Burn After Reading" deutlich gewaltloser daherkommt. Und, leider, sehr viel konzeptloser.


    Ein CIA-Mitarbeiter (John Malkovich) wird gefeuert, gleichzeitig plant dessen Frau, die längst ein Verhältnis mit einem anderen (George Clooney) hat, der aber seinerseits viele weitere Bettgeschichten pflegt, die Scheidung. Um auf Nummer sicher zu gehen, kopiert sie für ihren Anwalt einige Daten vom Computer des Noch-Ehemanns, aber die CD verliert eine Kanzleimitarbeiterin im Fitnesstudio, wo sie von einem depperten Trainer (wirklich großartig: Brad Pitt) und einer langsam in die Jahre kommenden Kollegin (Frances McDormand) gefunden wird, die ihrerseits von einer umfassenden Schönheitsoperation träumt ("Ich will mich neu erfinden!"). Die beiden kommen auf die Idee, den ehemaligen CIA-Mann zu erpressen, was den allerdings nicht interessiert, also wenden sich die Erpresser an die Russen, die verblüffenderweise noch weniger Interesse zeigen. Die CIA beobachtet das ganze Geschehen und lässt auch die drei oder vier Leichen verschwinden, die sich zwischenzeitlich ansammeln. Am Ende hat sich wenig getan, ein paar Leute sind tot, das isses.


    Es gibt einiges an Situations- und Wortwitz, und die versammelten Stars zeigen lässige Selbstironie - allen voran John Malkovich. Der Film ist handwerklich perfekt, was aber nicht davon ablenken kann, dass eine Handlung im eigentlichen Sinn kaum existiert. Klar, da sind die diversen Scheidungs- und Bettgeschichten, der im Mittelpunkt stehende Erpressungsversuch und das Chaos um die vermeintlich geheimen, aber eigentlich völlig belanglosen Computerdaten, aber genaugenommen ist "Burn After Reading" eine Satire ohne Gegenstand. McDormand und Pitt als Hobby-Spione machen Spaß, Clooney als sexsüchtiger Joggingspinner auch irgendwie, aber das rettet den Streifen nicht. Eine aufgesetzt-originelle Starparade mit ein paar Lachern und fadem Abgang. Ohne diese Besetzung und die Coen-Brüder als Regisseure wäre dieser Film nie in die Kinos gekommen.

    "Mount Misery" ist noch ganz okay, "Doctor Fine" auch, "Orvilles Heimkehr" ist absoluter Schrott. Die beiden erstgenannten wären recht gute Romane, gäbe es "House of God" nicht. Sie fallen also vor allem im Vergleich ziemlich ab, weil sie weit weniger ironisch und sarkastisch sind.

    Ich habe dieses Buch vor Jahren gelesen - auf eine Empfehlung von Iris hin, wenn ich mich recht erinnere. Inzwischen gilt es als die Bibel der debütierenden Ärzte, aber es ist auch für Nichtmediziner eine sehr empfehlenswerte, bitterböse und herrlich geschriebene Lektüre, sehr viel besser als alle Nachfolger von Shem übrigens (die ich alle gelesen habe). Und der Begriff "Gomer" hat sich in meiner Alltagssprache festgesetzt.

    Fünfundfünfzig Öcken für einen "Sturzwecker", der diesen Sturz aber nur überlebt, wenn die Sturzhöhe von einem Meter nicht überschritten wird. Fragt sich, ob Bewegungs- und Berührungssensoren eingebaut sind - oder ob man das zersplitterte Wasserglas vom Nachttisch oder die verletzte Katze als Kollateralschaden hinnehmen muss. Das zusammengestoppelte Flash-Video (in dem sich der Wecker überhaupt nicht bewegt) liefert über derlei keine Auskunft. Es gibt eine sehr viel einfachere und billigere Alternative: Einfach den Tisch mit dem Wecker drei Meter vom Bett entfernt aufstellen.

    Ich nicht.


    Ich halte es aber für ungefährlich, den einen Satz zu zitieren, der die Vita des Käufers betrifft:


    Der 64-jährige Koch, zu dessen Projekten ein Kreativkaufhaus und ein Drei-Generationen-Haus in Berlin zählen, wird den Verlag zum 1. November 2008 übernehmen.

    Ich habe von Tellkamp bisher nur "Der Eisvogel" gelesen, und er könnte den Ehrenpreis des Galaktischen Rats für Kultur im bewohnten Universum bekommen - ich werde definitiv kein Buch mehr von ihm in die Hände nehmen.

    @Luka: Vermutlich wird Aufbau in der kommenden Woche verkünden (PK am Eröffnungstag der Buchmesse), wer den Zuschlag erhalten hat. Im Gespräch sind derzeit noch drei Bieter.

    @Hurtiger Datensucher: Iris schrub ja auch nicht, dass die Rezi in der Onlinepräsenz zu finden wäre. Das machen die wenigsten Tageszeitungen, Artikel aus der aktuellen Tagesausgabe online zu stellen. Meistens dauert es drei, vier Tage, andere bieten die Archivrecherche nur gegen Geld an (z.B. die Badische Zeitung).