Lou A. Probsthayn - der Benutzer

  • ASIN/ISBN: 3935269323


    Der Autor Lou A. Probsthayn gehört zu einem der Mitbegründer des Hamburger Dogmas, das sich unter anderem auf die Fahnen geschrieben hat adjektiv- und klischeefrei zu schreiben. In diesem Roman zeigt der Autor, was man aus dieser vermeintlich einfachen Forderung zaubern kann.


    Timo Beil ist ein Internet-Junkie, genauer gesagt: ein geradezu höriger Anhänger der Auktionsseite „Limit“. Sein höchstes Ziel ist es, möglichst viele Kronen für positive Bewertungen anzuhäufen, um später in die Superklasse der „Hammer Litmitisten“ aufzusteigen. Dazu muss er viel verkaufen – und seine Käufer zufrieden stellen.
    Unter dem Pseudonym LittleHertie versteigert er italienische Schuhe, was das Zeug hält. Mit der wachsenden Anzahl positiver Bewertung übernimmt seine Identität als LittleHertie die des in der realen Welt existierenden Timo Beils.
    Als ein Nutzer sich über die gekauften Schuhe beklagt und damit LittleHerties Bewertungsdurchschnitt marginal unter die 100% drückt, ergreift LittleHertie Gegenmaßnahmen. Er sucht den Nutzer, dessen Adresse er aus dem Versand der Schuhe kennt, zu Hause auf und bedroht ihn. Zufrieden mit sich geht er wieder nach Hause. Der Nutzer nimmt seine Bewertung zurück. Bis dato ein Unding auf der Auktionsseite.
    Bei der nächsten negativen Bewertung greift LittleHertie zum Baseballschläger und streckt den Käufer nieder. Der erholt sich. Den Zeitungsbericht über den Überfall pinnt sich LittleHertie wie eine Trophäe an die Wand.
    LittleHerties Bewertungsdurchschnitt kriecht wieder auf die 100%-Marke zu, trotzdem bleibt diese fortan unerreichbar. Da trudeln weitere drei schlechte Bewertungen ein. LittleHertie verliert sogar seinen Status als Superverkäufer. Dieses Mal macht LittleHertie ganze Sache und schlägt einen der Käufer, stellvertretend für alle drei, tot. Das blutbespritzte Hemd bietet er als Original-Mörderhemd zum Verkauf an. Wie erwartet, löscht daraufhin Limit sämtliche Hinweise und Dateien auf LittleHertie.
    Er legt sich ein neues Bankkonto zu und beginnt mit einer neuen Identität und hat schon bald 100% positiven Bewertungen.


    Ein düsteres Thema – Realitätsverlust, Internetsucht – auf geradezu hinterhältig leichte Art vermittelt. Der Autor überzeugt vor allem durch seinen Sprachwitz. So ziemlich jedes Klischee, jede Redewindung wird auf den Kopf gestellt, umgestülpt, sinnverdreht, um die groteske, aber auch böse Welt, des Timo Beils alias LittleHertie zu beschreiben.
    Hochgradig geeignet, "die Zeit umzulegen", wie der Autor sagen würde.