Ich durfte den Schreibprozess direkt miterleben und damit auch sämtliche Flüche der Autorin. Hat sich aber gelohnt. Ist ein geiles Buch geworden! Ick sach mal so: Det wirdn Longsella.
Beiträge von Alexander R.
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Das ist für mich (zum Glück) relativ einfach beantwortet. Es geht gar nicht darum, ob jede/r Einzelne von uns einen Ausschluss aus diesem oder jenen Verlag befürwortet oder ablehnt. Ich kann für mich zwar sagen, dass ich die Beendigung der Zusammenarbeit im Falle Vance klar befürworte, während ich bei Butler froh bin, nicht bei Suhrkamp in einem potentiellen bzw. fiktiven Entscheidungsgremium zu sitzen - deswegen "zum Glück", s.o. Der springende Punkt ist jedoch der, dass ich klar befürworte, dass Verlage im einen wie im anderen Fall die Entscheidungshohheit innehaben und behalten. Möglicherweise kann oder könnte ich als Leserin und Beobachterin die eine Entscheidung ein Ideechen besser tolerieren als die andere, aber das ist ja wie gesagt nicht die Frage.
Komisch. Wieder stimme ich einem Betrag (in seinen Voraussetzungen) zu und gelange zu anderen Schlüssen. Nein, es geht nicht darum, was jeder Einzelne hier befürwortet oder ablehnt. Niemand bestreitet, dass ein Verlag eine unternehmerische Freiheit hat und sich entscheiden kann, mit wem er einen Vertrag eingeht oder verlängert. Das brauche ich nicht einmal zu befürworten. Das geht auf die Berufsfreiheit zurück und ist geltendes Recht und geltende Verfassung. Und das finde ich alles ganz prima.
Für mich ist der springende Punkt, dass ich meine Ansichten nicht nach Beliebigkeit ändern möchte. Flapsig gesagt: Mal so, mal so. So'n kleines büschn Konsistenz ist mir wichtig. Ich für mich halte einen Kompass für wichtig. Daher überzeugt mich nicht die Begründung: "Letzten Endes geht es gegen Trump." Es geht um Bücher. Von denen gibt es sehr viele.
Ich will aber auch gar nicht so tun, als ob ich immer nur Widerspruchsfreiheit für mich zum Ziel habe. In der Salzburger Landesregierung sitzt gerade auch die FPÖ. Als die ÖVP beschloss, mit ihr eine Koalition einzugehen, war ich auf einer leider ziemlich kleinen Demonstration dagegen, die zudem noch von Antifa-Kreischern dominiert wurde. Ich habe mich nach einer Orientierung zu den "Omas gegen Rechts" gestellt. Mit den meisten anderen Gruppen wollte ich nicht zu tun haben. Abgesehen davon, dass die Demo für mich eine Enttäuschung war, verstieß sie auch gegen ein paar Überzeugungen meiner Wenigkeit: Nämlich, das Ergebnis einer demokratischen Wahl hinzunehmen und die Regierungsbildung in einer mittelbaren Demokratie zu akzeptieren. So'n büschn Konsistenz konnte ich mir nur zubilligen, weil ich mir sagte: Dasselbe würde ich tun, wenn die KPÖ in die Landesregierung käme. Die sitzen inzwischen im Salzburger Stadtrat. Klasse. Da gab's keine Demo, und ich habe mich da auch nicht allein vor den Magistrat gestellt. Inkonsequenz kenne ich also auch von mir. Trotzdem meine ich, einen Kompass zu haben.
Und mit meiner Frage nach Suhrkamp und Judith Butler wollte ich auf so einen Kompass hinaus.
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Er hat mir persönlich gesagt, dass er verblüfft war, was die Schüler in seinem Text alles erkannt haben, an das er selbst nie gedacht hat.
Dazu gibt es doch das Schlagwort: "Der Text ist klüger als der Autor." QED
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Anja und ich unterhalten uns bisweilen darüber, ob die Intention von Autoren für die spätere Interpretation eines Werks von Bedeutung ist. Anja meint aus ihrer überlegenen literaturwissenschaftlichen Sicht: Ja. Ich meine unbelehrbar: Nein. Ein Autor setzt eine Menge Buchstaben zusammen, und wenn er sein Werk auf die Welt loslässt, mag es jeder interpretieren, wie er will. Vorausgesetzt, es bleibt vereinbar mit Wortlaut, Systematik ... dem Text also.
Kafkas Werk ist schon unter vielen großen Betrachtungsweisen interpretiert worden, an die der Meister nicht einmal gedacht haben dürfte. Die Leser haben sich vielleicht mit der Zeit verändert, aber da steht immer noch jeder Buchstabe in derselben Reihenfolge wie ursprünglich. Der Text bleibt. Was sich ändern kann, ist die Wahrnehmung.
Ich möchte auch noch eine Frage stellen, ähnlich wie Friecko: In Beitrag #22 habe ich als Beispiel Judith Butler gewählt. Wer von denen, die Ullsteins Entscheidung befürworten, ist dafür, dass Suhrkamp seine Zusammenarbeit mit Butler einstellt? Um es mit Kristin zu sagen: Mutig vor!
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Aber jeder und jede hat das Recht auf eine eigene Meinung, du und ich und alle anderen, die sich hier geäußert haben. Und Ullstein.
Das hat gottlob niemand in diesem Faden in Abrede gestellt.
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Ich teile Deine Einschätzung, Ingrid. Nur ziehe ich einen anderen Schluss daraus. Sofia Nelson schreibt in der New York Times, was in Deinem ersten Absatz steht. Sie hat ja ihre Korrespondenz mit Vance der Times übermittelt, und darin äußert sich Vance fundamental anders als heute. Was also, wenn es - überspitzt gesagt - die Person Vance gar nicht gibt? Wenn er nur ein Chamäleon ist, ein Karrierist, der schreibt und sagt, was seiner Macht dient? Dann bleibt nur das Werk.
Ich stimme auch mit Deinem zweiten Absatz überein. Trotzdem beurteile ich Ullsteins Entscheidung anders als Du. So etwas kann vorkommen.
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Habe gerade Deine Hompage besucht. Das muss ich haben. Ich Dödel habe nur vergessen anzukreuzen, ob ich gebunden oder Taschenbuch möchte. Das Hardcover, bitte.
Und ich freue mich sehr für Dich. Ich erinnere mich noch gern an die Lesung, die ich mit Dir erleben durfte. Bravo!
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Das war zu erwarten, vermutlich sogar ohne diese letztliche Entscheidung von Ullstein. Umso konsequenter, ja sogar integrer finde ich es vom Verlag, auf so ein Ding bewusst zu verzichten.
Ich nehme an, dass auch die Nominierung zum Kandidat für die Vizepräsidentschaft zum wachsenden Interesse am Buch beigetragen hat. Aber diese Dimension ist erstaunlich. Oliver Kuhn vom "Yes"-Verlag meint, so etwas zuletzt bei "Harry Potter" gesehen zu haben: Seine Ausgabe von "Hillbilly-Elegie" ist auf Platz 1 bei Amazon, die englischsprachige Version ist auf Platz 4.
Mir scheint, wenn ein Fall Berührung zu Trump hat, gelten andere Maßstäbe als sonst. Nehmen wir an, ich beurteile Ullsteins Entscheidung wohlwollend. Dann würde ich mich fragen: Welche Autoren wären denn sonst noch betroffen? Die Antisemiten der Romantik? Oder abseits von Literatur: Wie steht es um die Bayreuther Festspiele?
Kleine Anekdote aus meiner Schulzeit: Eine Mitschülerin kehrte aus München zurück und hatte in einem Café in der Nähe von Konstantin Wecker gesessen. Uns berichtete sie: "Der ist ein blöder Macho." Und ab da wurde er von einigen meiner Mitschüler durch diese Brille gesehen. Mich hat es noch nie interessiert, "was für ein Mensch so ein Künstler eigentlich ist". Ich mag Weckers Lieder.
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Der neue Lizenznehmer "Yes" teilt mit, die Neuauflage von "Hillbilly-Elegie" sei schon vor dem Erscheinen ein Verkaufshit. Man habe 20.000 Exemplare gedruckt und gehe davon aus, dass man sie alle sofort verkaufen wird. Die ersten Bücher würden bereits am 30. Juli, also heute, an- und umgehend ausgeliefert. Man wolle die gewaltige Nachfrage so schnell wie möglich decken. Es scheint, dass die Aufregung um Ullsteins Entscheidung enorm verkaufsfördernd gewirkt hat. Das Phänomen ist ja auch aus anderen Feldern bekannt.
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Gibt es hier auch Argumente, denen eigene Denkprozesse vorausgehen? Mutige vor! Im Ernst, das nervt.
Na fein. Reden wir über unsere Befindlichkeiten bei diesem Gespräch. Ich finde es - erstaunlich zu sagen: Wer Trump ablehnt, sollte Ullsteins Entscheidung befürworten.
Trump hebt nicht die Schwerkraft auf. Die allgemeinen Regeln gelten weiter. Diese sind zum einen: Ein Verlag hat das Recht, einen ausgelaufenen Vertrag nicht zu verlängern. Zum anderen: Ein Werk ist ein Werk ist ein Werk.
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Ich weiß also mal wieder nicht, wie mir zwei vor die Füße geworfene Zitate (oder irgendwelche Links oder Interviews) die objektive Richtigkeit einer bestimmten Meinung beweisen sollen. Gibt es hier auch Argumente, denen eigene Denkprozesse vorausgehen? Mutige vor! Im Ernst, das nervt.
LIebe Kristin,
ich danke Dir für Deine aufmunternden Worte. In meinem ersten Statement dieses Fadens steht:
ZitatEs geht ja nicht um Mr. Vance, der sich gewandelt hat, sondern um seine Autobiographie als Werk, die sich nicht gewandelt hat. Eine Parallele: "Hunger" von Knut Hamsun (1890) ist ein großes Werk, auch wenn der Autor sich später zum Nationalsozialismus bekannt hat.
Ich neige dazu, Ulsteins Entscheidung als wohlweil zu beurteilen.
Das ist Beitrag #9. Ich halte die Unterscheidung von Werk und Autor in der Tat für selbstverständlich. (Und "wohlweil" war übrigens ein Tippfehler statt "wohlfeil".) Der Schwerpunkt in meinem letzten Beitrag lag darauf, dass derselbe Rezensent der taz dasselbe Werk unterschiedlich beurteilt, seit Vance Running Mate von Trump wurde.
Ich wünsche Dir einen schönen Abend.
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Ein Nachtrag: Deniz Yücel sagt im Interview mit WELT-TV, man lerne im Grundkurs Germanistik oder schon im Deutsch-Leistungkurs eine elementare Trennung: nämlich die zwischen Autor und Werk. https://www.welt.de/kultur/vid…erdiges-Verstaendnis.html
In diesem Zusammenhang ist eine Besprechung in der taz von heute interessant, die bei Wiki wie folgt wiedergegeben wird: "Klaus Bittermann lobte das Buch 2017 in der taz als eines der besten Sachbücher des Jahres und verglich es mit Rückkehr nach Reims von Didier Eribon.[12] 2024, nachdem Vance von Trump nominiert wurde, revidierte er sein Urteil und schrieb, der Bucherfolg beruhe auf einer Sozialromantik, die sich mit Vance’ reaktionären Positionen als Trump-Vize in Einklang bringen lasse." https://de.wikipedia.org/wiki/Hillbilly-Elegie#Rezeption
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Danke für die Vorstellung. Das werde ich mir kaufen.
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Ich finde es interessant, dass hinter der Befürchtung, seine Meinung nicht frei äußern zu können, der Gedanke an gesellschaftliche Ächtung steckt - dass der Staat aber umgekehrt die Meinungsfreiheit garantiert und für sie eintritt. Schließlich wurden Grundrechte einmal gegen den Staat erkämpft. Dreht sich das Verhältnis um?
Auf der Seite bundesregierung.de ist ein Interview wiedergegeben, das der Bundeskanzler Ende Juli 2023 der Süddeutschen gegeben hat. Zu diesem Zeitpunkt war Vance schon "Trumpist", nur noch nicht der Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Auszüge:
"Einige Autoren, die Sie häufiger zitieren, sind alles andere als Sozialdemokraten: Vargas Llosa ist ein Liberaler der rechten Mitte, J.D. Vance, Autor von Hillbilly Elegy, wurde auf dem Trump-Ticket Senator und Didier Eribon, der die „Rückkehr nach Reims“ schrieb, zählt sich zur radikalen Linken. Schauen Sie bei der Lektüre nach der politischen Ausrichtung der Verfasser?
Scholz: Nein, im Gegenteil, mich reizt das Neue, Unbekannte. Wenn ich nur lese, was meiner Meinung entspricht, würde ich mich um das eigentliche Abenteuer des Lesens bringen. Und im Prinzip ist genau das der Fluch der Sozialen Medien: dass wir es uns gemütlich in unseren Blasen einrichten können, wo wir nur Dinge vorgeschlagen bekommen, die zu dem passen, was wir schon immer richtig fanden. Das Besondere ist aber das Neue, Unbekannte. (...) Was die genannten Autoren betrifft, lassen sich politische und intellektuelle Wandlungen schön beobachten: Vargas Llosa hat als junger Kommunist begonnen, wurde dann ein Neoliberaler und das prägt sein ganzes Werk. Aber was ich an ihm schätze, ist die Humanität, die da durchscheint, die große Menschenliebe, von der sein Werk geprägt ist. J.D. Vance indes begann als Anti-Trumpist und hat sich dann hin zum Trumpisten entwickelt, was ein bisschen tragisch ist.
Es heißt, Hillbilly Elegy habe Sie sehr gerührt, sogar zu Tränen. Stimmt das?
Scholz: Ja, es ist eine ganz berührende persönliche Geschichte, wie sich ein junger Mann mit schlechten Startbedingungen durchschlägt. Leider kann man darüber heute mit dem Autor wohl nicht mehr diskutieren, fürchte ich. Darin besteht die Tragik: Von einem selbsterklärten konservativen Gegner Donald Trumps, der messerscharf die Ungerechtigkeiten der amerikanischen Gesellschaft analysiert und für sich nur mit Glück und seiner Militärlaufbahn einen Ausweg findet, scheint sich Vance nun zu einem feurigen Befürworter dieses Rechtspopulisten gewandelt zu haben, um dessen Unterstützung zu erhalten – und selbst Senator zu werden. (...)
Hat das Vance-Buch Ihnen dabei geholfen, die Ursachen des Trumpismus zu verstehen?
Scholz: Ja. Und es hat mir auch geholfen, mein eigenes Verständnis für das zu schärfen, was für eine moderne, fortschrittliche, ich würde sagen sozialdemokratische Politik im 21. Jahrhundert wichtig ist: All die vielen, die arbeiten, sich anstrengen und den Laden am Laufen halten, müssen relevant bleiben. (...)"
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Die US-Philosophin Judith Butler wird in Deutschland bei Suhrkamp verlegt. Laut Wiki äußerte sie sich jüngst wie folgt: "Im März 2024 bezeichnete sie den Terrorangriff der Hamas als „Akt des politischen Widerstands“, „einen Aufstand aus einer Position der Unterdrückung heraus gegen einen gewalttätigen Staatsapparat“. Das Massaker sei „kein terroristischer Angriff, und es ist keine antisemitische Attacke.“ Trotz zahlreicher Aussagen von Betroffenen und Berichten über systematische sexuelle Gewalt durch die Hamas forderte Butler hierfür Beweise ein."
Worauf ich hinaus will: Butler ist eine linke Autorin. Suhrkamp scheint weiter zu ihr zu stehen. Und ich lese des Öfteren die Kritik, dass gegenüber Linken andere Maßstäbe gälten als gegenüber Rechten/Konservativen. Das kann ich nachvollziehen. Dieses ganze "Cancel Culture" kann sich ganz geschwind umdrehen. Dann fände auf einmal Ulrike Hermann (taz) vielleicht keinen Verlag oder keine Bühne mehr, weil sie eine Abkehr vom Kapitalismus nach dem Vorbild einer Kriegswirtschaft propagiert. Das wäre auch nicht schön, finde ich. Es geht um unser aller Rechte.
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Meinungsfreiheit ist wie jedes Grundrecht ein Schutz des Bürgers vor dem Staat. Innerhalb der Gesellschaft geht es um Debatten- oder Meinungskultur.
Im Börsenblatt des Buchhandels lese ich, laut Ullstein vertrete Vance eine aggressiv-demagogische, ausgrenzende Politik. Grenzt Ullstein mit seiner Entscheidung nicht selbst aus?
Vance dürfte es egal sein, wer sein Buch in Deutschland verlegt, ja sogar, ob es überhaupt in Deutschland verlegt wird. Doch wie mag Ullstein zu seiner Entscheidung gelangt sein? Eine Möglichkeit: Im Verlag ist man beseelt von den inhaltlichen Gründen. Kann sein, aber ich bin skeptisch.
Die wirtschaftliche Lage ist derzeit mau bei den Publikumsverlagen. Ullstein hat sich von einem Titel getrennt, der seit Vances Kandidatur noch lukrativer als vorher sein dürfte. Ich vermute, dass der Verlag abgewogen hat und den Schaden für größer hält, wenn er die Memoiren weiterhin verlegt. Und das bei einem Buch, das nichts mit Vorhalten gegenüber J. D. Vance von heute zu tun hat.
Was befürchtet Ullstein? Shitstorms? Die gehen vorbei. Boykott-Aufrufe? Das wäre bedauerlich, meine ich. Es geht nämlich nicht um Meinungsfreiheit, sondern um Debattenkultur.
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Es geht ja nicht um Mr. Vance, der sich gewandelt hat, sondern um seine Autobiographie als Werk, die sich nicht gewandelt hat. Eine Parallele: "Hunger" von Knut Hamsun (1890) ist ein großes Werk, auch wenn der Autor sich später zum Nationalsozialismus bekannt hat.
Ich neige dazu, Ulsteins Entscheidung als wohlweil zu beurteilen.
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Das Positive zuerst: Herr Natt och Dag hat für mich mit "1793" einen Ausnahme-Roman geschrieben, etwas ganz Besonderes.
Dieser historische Krimi ist so detailliert beschrieben, dass ich enormen Respekt habe vor dem Ausmaß an Recherche, die der Autor betrieben haben muss. Er spricht alle Sinne an, so dass man meinen könnte: Es stinkt!, wenn man der Handlung folgt. Es ekelt einen.
Und damit zu den Gründen, warum ich ausgestiegen bin. Das war nicht wegen der Grausamkeit, obwohl die Grausamkeit in diesem Roman eine Dimension erreicht, die mir bislang unbekannt war. Das Opfer wird über Wochen und Monate systematisch verstümmelt und gefoltert, und auch der übrig bleibende Torso mit Kopf wird noch weiter gequält ... und auch danach ist die Marter noch lange nicht zu Ende.
Mir fehlte eine Geschichte, eine Klammer, die alles zusammenhält. Wie ich von Anja erfuhr, fügte sich am Ende alles zusammen, aber für meinen Geschmack war die Handlung zu zerfasert, um so lange zu warten. Mir herrschte zu viel Düsternis vor. Ich hätte gern zwischendurch etwas verschnauft und etwas Nettes gelesen, eine Abwechslung zu: Alles ist düster und böse.
Das liegt aber an mir. "1793" war/ist ein internationaler Bestseller, und der Autor hat's voll drauf. Er kann eindrücklich erzählen und die Emotionen der Leser erwecken.
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Mir glaubt wegen Befangenheit sowieso keiner, wenn ich schreibe: Ist ein geiles Buch! (Ich durfte es noch auf dem PC lesen.) Aber der Grafiker (!) hat Anja eine Mail geschrieben - er habe sich so festgelesen bei den "Weibsbildern", dass er lange vergessen habe, das Layout zu erstellen. Mega-Wow!