Beiträge von Marvin

    Wen interessiert da noch, ob das "echt" oder doch nur gut permutiert ist?

    Schon klar. Und wenn ich mein eigenes Beispiel kritisch hinterfrage - Es mag zwar einen Skandal um die "Milli Vanilli" - Geschichte gegeben haben, aber die Lieder hören die Leute trotzdem heute noch. Vielleicht sogar noch mehr. Es gab da ja sogar einen Film zu, glaube ich.


    Aber die ganze Diskussion um AI wirft natürlich auch Fragen zur eigenen Motivation beim Schreiben auf. Ich gäbe nach wie vor viel dafür, von einem Publikumsverlag unter Vertrag genommen zu werden, oder überhaupt Leser zu finden. Aber es wäre einfach kompletter Unsinn, das jetzt mit Hilfe von AI zu versuchen. Ich schreibe schließlich aus dem gleichen Grund, aus dem andere Leute töpfern oder Seidentücher bemalen - die wollen bestimmt gern damit Geld verdienen und berühmt werden, aber es wäre Humbug, sich dann Maschinen zu kaufen, die das besser hinkriegen als sie selbst. Einen normalen Job habe ich schon.

    Ich weiß nicht so recht. Stimmt schon, dass eine Menge Gebrauchskunst am Fließband von wenig motivierten Arbeitsknechten produziert wird. Aber als Konsumenten wollen wir doch glauben, dass da jemand zu uns spricht, oder?


    Erinnerst du dich an Milli Vanilli? Die Leute waren echt schockiert, als die Illusion damals geplatzt ist, obwohl die Musik wirklich auch von einer AI hätte stammen können. Aber irgendwie scheinen sich alle vorgesetellt zu haben, Fab Morvan hätte "Girl you know its true" persönlich extra für sie gesungen.

    Und sich ständig fragen, ob wir selbst nicht möglicherweise auch so simpel gestrickt sind - und nur zufällig (also quasi im Fehlerfall) was Kluges, Einzigartiges, Nochniedagewesenes ausspucken.

    Das stimmt. Und das macht auch für mich einen Großteil der Faszination dieser Sachen aus. Aber es geht ja erst im zweiten Schritt darum, ob Texte intelligent formuliert sind, oder etwas Verrücktes darstellen. Es geht erstmal darum, dass ich dir etwas erzähle. Und wenn da kein Ich ist, dann erzählt niemand niemandem etwas. Was will ich mit so einem Text?


    Und ja, du hast recht, die Leute werden natürlich doch anfangen, das Zeug zu benutzen. Wie blöd, wahrscheinlich, weil es verspricht, mit wenig Aufwand sehr lange und sehr kunstvolle Sachen zu erstellen (besser - erstellen zu lassen). Und die Welt wird in diesem Mist so lange untergehen, bis irgendjemand so findig ist, die Interpretation solcher Texte auch wieder der Maschine zu überlassen.


    Es gibt in dem von mir verlinkten Essay einige zitierwürdige Sätze, aber den hier möchte ich noch einmal herausgreifen:


    Zitat

    It is very easy to get ChatGPT to emit a series of words such as “I am happy to see you.” There are many things we don’t understand about how large language models work, but one thing we can be sure of is that ChatGPT is not happy to see you.


    Meine Faszination für A.I. ist Ernüchterung gewichen. Texte, die eine Maschine aus ein paar hingeworfenen Sätzen aufbläht, wobei sie ohne zu fragen auf die Leistungen von Menschen zurückgreift, braucht echt keiner.


    Die Welt wird zu einem schlechteren Ort, wenn es für Texte (welcher Art auch immer) immer weniger Hirnschmalz braucht. Weil das keineswegs dazu führen wird, dass wir alle im Durchschnitt weniger Arbeit haben. Es ist irgendwie faszinierend das Ganze in Aktion zu sehen und die Illusion, da spräche jemand, ist wirklich zum Teil verblüffend. Aber da spricht niemand. Das Zeug ist nichts weiter als Autocomplete mit Turbo.


    Im Vereinsbereich habe ich ja schon einen Link zu einem Artikel gepostet, der mich da auf verschiedenen Ebenen überzeugt. Ted Chiang untersucht darin einen Großteil der Argumente, der von Befürwortern von KI-Anwendungen (zu denen ich mich lange gezählt habe, die Argumente sind zum Teil meine eigenen) immer wieder ins Feld geführt werden. Und jetzt muss man dazu sagen, dass Ted Chiang als Science Fiction Autor mit Informatikhintergrund echt einer von den Leuten ist, von denen ich gedacht hätte, sie könnten sich für solch eine technische Vision begeistern. Hier der Link.


    Why A.I. Isn’t Going to Make Art

    diese ganz besondere Stimmung, in die sich eine Gruppe (ab zwei Personen) selbst bringen kann, diese immer unterschiedliche Mischung aus Kreativität, Wahnsinn, Genie, Bedröhntsein, vertrauter Zuneigung und noch ein paar anderen (wechselnden) Zutaten

    Solche Situationen sind tatsächlich besonders und ich bin etwas beruhigt (um noch einmal den Bogen zu schlagen), dass KI das immer noch nicht hinkriegt. Bisher kann ich also noch in der Illusion schwelgen, dass bei dem, was Schriftsteller tun, etwas Magisches im Spiel ist, das keiner erklären kann.


    Mein aktueller Versuch, ChapGPT zum Erzählen eines Witzes zu bewegen, verlief weiterhin recht enttäuschend ("Warum ist der Regenbogen traurig? Weil ihm eine Farbe fehlt.")


    Aber irgendwie ist das natürlich in seiner Hilflosigkeit auch wieder komisch.

    Mitunter notiere ich solche Sachen und schaue sie mir in einem halben Jahr noch einmal an, am besten wenn ich den Kontext vergessen habe. Manche Sachen bleiben lustig manche überhaupt nicht.

    Ja, das meinte ich. Das ist in der Situation toll und lustig, und wenn man es später wieder rausholt, klingt es einfach nur blöd. Ich glaube, damit Sachen witzig sind, müssen sie gerade gut in die Stimmung passen.

    Kennt jemand diese Momente, wenn man an einem echt gelungenen Tag mit Freunden zusammen sitzt, und einer macht einen richtig guten Scherz und dann setzt ein anderer noch einen drauf - und man kann förmlich sehen, wie sich alle Mühe geben, den Witz weiterzudenken und noch witziger zu sein? Sowas ist in Büchern oder auf der Bühne einfach nicht zu erreichen, glaube ich. Wenn ich selbst versuche, lustige Texte zu schreiben, dann versuche ich in so eine Stimmung zu kommen. Einfach meine eigenen Witze zu betrachten, als wären sie von jemand anderem, und dann noch einen draufzusetzen. Und noch einen und noch einen. Aber wie das jetzt funktioniert, das weiß ich leider auch nicht. Ich habe eine Zeit lang versucht, die gängigen Konzepte dazu zu recherchieren, aber zufriedenstellend ist das alles nicht. Siegmund Freud ist im Hinblick auf Humor doch etwas hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben.


    Manche Sachen von Monty Python finde ich nach wie vor wirklich gut, aber über "A Fish called Wanda" (den ich, als er rauskam, fast mitsprechen konnte, weil ich ihn so oft angeschaut habe), konnte ich mit etwas Abstand nur noch deutlich weniger lachen. Ich weiß, dass ich bei "Sleeper" von Woody Allen vor Lachen fast erstickt wäre, weil ich diese eher feinsinnigen Scherze aus späteren Filmen erwartet hatte, und es dann aber ein ziemlich brutaler Slapstik war. Das hängt aber alles sehr von der Tagesform ab.


    Ist KI in Sachen Humor eigentlich inzwischen besser geworden? Als ich das bei ChatGPT vor zwei oder drei Jahre zuletzt versucht habe, kam in etwa soetwas dabei raus - ich habe gefragt "Erzähle einen Witz über das Wetter"

    Und von ChatGPT kam:

    "Warum soll man auch bei gutem Wetter einen Regenschirm mitnehmen? - Weil das Wetter umschlagen kann."


    Ich fand es nicht komisch. Aber vielleicht habe ich auch einfach nur den Punkt nicht verstanden.

    Vielleicht kann die KI schon oder bald bessere Romane schreiben als ich. Das finde psychologisch bzw. motivationsmäßig ganz schön hart.

    Ich auch.

    KI ist ja in den Medien schon eine ganze Weile ein großes Thema. So richtig erreicht hatte mich das bisher nicht. Aber jetzt gab es kurz sogar hier im Forum den Verdacht, dass verschiedene Beiträge von einer KI geschrieben worden seien. Ganz davon ab, ob das gestimmt hat - alleine die Tatsache, dass man sich aktuell bei keiner Art von Information mehr sicher sein kann, ob das von einem Menschen stammt, das macht eine Menge kaputt.

    Das klingt vielleicht etwas überzogen aber - letztendlich killt das das gesamte Internet. Ob Musik, Fotos oder Texte. Das kann alles von Maschinen sein, man weiß es einfach nicht mehr.


    Der persönliche Kontakt, ein Konzert oder eine Lesung werden dadurch aber wieder aufgewertet.

    Oder es ist dramaturgisch notwendig und das Getriebe der Erzählung.

    Jetzt, wo du es sagst - stimmt. Und es ist ohne Schmeichelei in dem Buch wirklich total gelungen.


    Ich habe da nochmal drüber nachgedacht und der Vergleich mit der Musik ist auch missglückt. Vielleicht wäre es so besser:


    Wenn die Frage wäre "Stehst du auf abrupte Tempowechsel in Musikstücken?", dann wäre die Antwort auch "Es kommt drauf an". Eher erstmal nicht, aber es kann auch der ganze Punkt sein. Oder ein guter Effekt. Oder wasweisich. Es kommt drauf an. Und man muss wissen, was man tut.

    Ich kannte mal ein paar Leute, die so Kurzfilme gedreht haben und da gab es ein geflügeltes Wort, das offenbar alle Amateurregiesseure allen Amateurschauspielern immer wieder gesagt haben:


    "Kannst du vielleicht etwas weniger machen?"


    Was bedeuten soll, dass die Leute vor der Kamera ruhig auch mal still halten dürfen und einfach nur ihren Text sprechen. Man benötigt nicht dauernd besonders gekonnte, ausdrucksstarke Gesten, Weinen vor der Kamera oder Trommeln mit den Fäusten.


    So ist das auch beim kreativen Schreiben. Es gibt da eine Menge toller Kunstgriffe - Rückblenden, Bilder, Cliffhanger, Gedanktenstrom, was weiß ich. Und eben auch die verschiedenen Erzählperspektiven. Eine einzelne Begebenheit aus verschiedenen personalen Erzählperspektiven zu schildern (oder von Ich-Erzählern), ist halt auch sowas. Das kann cool wirken. Aber es ist halt ein Effekt, wenn man dauernd so Feuerwerk macht, dann kann man irgendwann der Geschichte nicht mehr folgen. Was auch egal sein kann, manchmal ist das Feuerwerk alleine schon toll, da braucht es dann gar keine Geschichte mehr. Kommt immer drauf an. Aber so im Prinzip, wenn man vorhat, traditionell zu erzählen und möglichst viele Leser anzusprechen - lieber erst mal nicht machen.


    Oder noch ein Vergleich (den ich gern und oft ziehe) - Musik.

    Es stehen einfach nicht so viele Leute auf Bebop. Und wenn, dann sind das meistens Musiker, die fasziniert und begeistert von der Artistik anderer Musiker sind. Das ist Musik für Musiker. Nicht für die Massen. Und schon gar nicht für Leute, die gerade mal ein Jahr Trompete spielen, das funktioniert einfach nicht.

    Erst mal Longtones. Immer wieder Longtones...;)

    Hallo Luffytarosama,

    unter "erste Schritte" oben in der Auswahlzeile ist das so erklärt:


    Zitat

    Besondere Benutzergruppen:


    Besonderen Schutz genießen die Besprechungs- und Analysegruppen. Die entsprechenden Foren sind ausschließlich Mitgliedern der jeweiligen Gruppe zugänglich. Als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in diesen Gruppen muß die Anonymität der Teilnehmer gegenüber dem Vorstand des 42erAutoren e.V. als Betreiber dieses Forums aufgehoben sein. Dazu muss der vollständige Name und Anschrift in einer PN (Persönlichen Nachricht) oder per mail (administrator@42erautoren.de) dem Administrator des Forums mitgeteilt werden. Wenn diese Daten verifiziert sind, wird dem Antrag auf Teilnahme an den Aktivitäten an dieser Gruppe stattgegeben. Diese Maßnahme ist nötig, um den Schutz des Urheberrechts der jeweiligen Autoren an den zu besprechenden Texten zu sichern!


    Wer mehrere Monate nicht mehr im Forum anwesend war, kann ohne weitere Rückfrage aus den vorgenannten Benutzergruppen gestrichen werden.


    Das kann einem im ersten Augenblick vielleicht etwas umständlich vorkommen. Außerdem ist es für viele doch eine Hürde, dass man da zumindest gegenüber dem Vorstand seinen Klarnamen angeben muss.


    Aber dafür ist es echt eine produktive und intensive Runde, an der sich immer mehrere Leute eine ganze Woche mit einem Text beschäftigen, zum Teil sehr detailliert. Manchmal eher allgemein. Es sind Leute dabei, die einiges an Erfahrung mitbringen und andere, die da eher unbeleckt wie ein potenzielles Publikum drangehen. Ich mag diese Runde sehr, auch wenn ich mich immer mal für Monate oder sogar noch länger ausklinken muss.


    Aber doch ein Wort zur Warnung - die Kritik zu den Texten kann auch ganz schön hart sein. Und wenn man in seiner Beisterung mit seinen ersten Texten daherkommt und man so eine Breitseite verdauen muss, dann kann das auch schonmal weh tun. Daher ist es oft eine gute Idee, sich freischalten zu lassen, und dann erst einmal ein paar Wochen bei Texten anderer Leute zu lesen und zu kommentieren. Auch ein bisschen Stöbern in den Archiven kann nicht schaden.


    Um in das betreffende Unterforum zu kommen, musst du also eine PN oder eine mail an den Vorstand oder Administrator schreiben und eine Weile abwarten. Dann wirst du irgendwann freigeschaltet.


    Sobald du hinter diesem Link: Besprechungstexte, etwas findest, bist du freigeschaltet.


    Gruß und bis bald bei den Besprechungstexten:thumbup:

    Ich schreibe ja phasenweise ganz gerne Kurzgedichte.

    Das wusste ich nicht und hätte ich auch irgendwie gar nicht gedacht - das sind drei schöne Szenen aus der Großstadt!


    Auch die Seite "Haiku-heute" kannte ich nicht. Werde ich jetzt öfter mal reinschauen. Hast du noch mehr mit Japan zu tun?

    Nur, um das mal klarzustellen. Du bist kein Prophet, Marvin, sondern ein Hellseher oder Wahrsager.

    Ok. Wenn ich es mir recht überlege, hast du wohl recht. Vermutlich ist genau diese Art sprachlicher Ungenauigkeit die Ursache dafür, dass ich doch nicht der nächste William Gibson bin. Oder zumindest Douglas Adams.


    Ich hoffe trotzdem, dass alle wissen, was gemeint ist. Ich wollte sagen, dass ich in 2020 Geschichten geschrieben habe, in denen Sachen vorkamen, die jetzt in den Nachrichten sind. Zum Beispiel ein Modetrend, der darin besteht, dass junge Männer goldene Schuhe tragen. (Und ok das ist noch kein Modetrend, sondern Donald Trump hätte das nur gerne. Nicht kleinlich sein.)


    Kann man das mit etwas gutem Willen nicht doch vielleicht als "prophetisch" bezeichnen? Ich mag nämlich jetzt nicht den Threadtitel ändern. Der klingt so gut.

    Die Frage ist eher, hast du eine technische Entwicklung vorweg genommen oder nur irgendwelche skurrile Alltagsdinge?

    Skurrile. Alltagsdinge.

    Ich meine das auch nicht so ganz ernst, für den Fall, dass das nicht deutlich geworden ist. Ich finde es nur auffällig. Und auch ein bisschen schade.

    Denn der Gag ist jetzt verbrannt. Kein Mensch wird noch von der Idee "ein goldene Schuhe Hype" überrascht sein. Jeder wird nur an den doofen Trump denken.


    Oder da hab ich zum Beispiel noch eine Story von einer KI, die an der falschen Stelle schlechte Witze macht. Das war so 2020, als ich das geschrieben habe, da gab es noch kein ChatGPT. Die Story findet heute, noch keine 4 Jahre später, vermutlich keiner mehr komisch.

    Das denke ich schon auch, dass das mit der eigenen Wahrnehmung zu tun hat. Ich habe jetzt nicht wirklich geglaubt, ein republikanischer Trendscout hätte sich in die Scheunenlesung gesetzt und die Idee meiner holprigen Story einem konservativen Thinktank gesteckt.


    Auch wenn das cool klingt. 8)