Wenn ein Roman mit vielen Preisen ausgezeichnet wird und sich die Kritiker mit Lob überschlagen, bin ich von Natur aus sehr skeptisch. Hier allerdings war es vollkommen unbegründet, weil Barbara Kingsolver einen am Anfang mitreißt und später komplett umhaut. Zumindest erging es mir so. Hauptperson des Romans ist die Titelfigur Demon Copperhead. Zu Beginn der Geschichte ist es ein kleiner Junge, der in einem Trailerpark in Virginia aufwächst und von einem Übel ins nächste gerät. Sein Vater ist bereits tot, seine drogensüchtige Mutter stirbt ausgerechnet an seinem elften Geburtstag. Demon wird in die Obhut eines mittellosen Bauern gegeben und muss auf den Feldern von dessen Tabakfarm schuften. Später kommt er zu geizigen Pflegeeltern, wo er im Hundezimmer schläft und nebenbei auf der Müllhalde arbeitet. Als die geizigen Pflegeeltern ihn bestehlen, haut er ab, wird an einer Raststätte überfallen, macht sich auf die Suche nach seiner Großmutter. Schließlich kommt er bei einem Highschool-Football-Trainer und dessen Tochter unter, doch auch dort ist nicht alles rosig. Am Anfang des Buches ist Demon noch voller Kleiner-Jungs-Träume, wie Carol Danvers zu heiraten oder ein Avenger zu werden. Mit jedem Schicksalsschlag verdüstert sich sein Weltbild und er driftet immer weiter auf die schiefe Bahn ab. Die ganze Zeit über hofft man, dass es für Demon und all die Leute in seinem Umfeld, die einem alles ebenfalls rasch ans Herz wachsen, gut ausgeht. Neben der einfühlsamen Story sind es die vielen Verflechtungen in Demons Leben, die immer wieder Bezug auf zurückliegende Ereignisse nehmen, und so die Handlung angenehm komplex machen. Stellenweise gibt es im Roman recht derbe männliche Jugendsprache. Umso erstaunlicher ist es, dass das Buch von einer älteren weißen Frau stammt. Sie taucht mit ihrer Erzählung dermaßen tief in die Geschichte ab, dass man ihr bereitwillig überallhin folgt. Da vergibt man gleich kleine Längen im zweiten Drittel gerne.