Beiträge von Michael Höfler

    Nachdem ich das Buch mal gelesen hatte, war ich doch etwas enttäuscht. Wahrscheinlich hatte ich bei dem Titel etwas anderes erwartet als, vor allem einen irgendwie neuen Gedanken. Den konnte ich leider nicht finden. Liegt sicher an mir.

    Wo ich aber zustimmen muss: Wenn man den Grundgedanken erstmal verstanden hat, kommen nicht mehr viele grundlegend neue Gedanken mehr, stattdessen Beispiele und Anwednungen.

    Es gibt ja ohnehin eine Tendenz zur Rückentwicklung, auch in anderen Bereichen…


    Meine erste Assoziation zu „toxische Weiblichkeit“ war eine ganz andere.

    (Ich hatte da eine übergriffige-mütterliche Energie vor Augen)

    Der Begrif der Mutter hat ein eigenes Kapitel im Buch: Frauen bemutterten selbstverleugnend ihren Partner, Merkel wurde nur mit dem Etikett "Mutti" als Kanzlerin akzeptiert, weil das das einzige sei, das auch konservative Männer akzeptierten. (Diese Zuschreibung soll auf den Politiker Michael Glos zurückgehen.)

    Buch ist gekauft, obwohl ich in der Leseprobe auf der ersten Seite des Prologes bereits in Stolpern komme.

    Wie man aus opportunem Verhalten Selbstbewusstsein generieren kann, bleibt mir ein Rätsel, aber das Buch hat ja noch ein paar Seiten - vielleicht gibt es eine Aufklärung?

    Zudem ist es mir ein weiteres Rätsel, wie im Jahr 2024 ein Buch mit so einem Thema zum Spiegelbestseller werden kann. Zu dem Zeitpunkt, als ich mich, als männlicher Erdenbürger für Frauen, als Frauen an sich, zu interessieren begann, ist Mitte der 1970er zu verorten. Schon damals hätten mich Frauen, wie sich die Autorin selbst darstellt, nur eines - mächtig gelangweilt und ich habe bis heute noch nie Interesse ans solcherart anpassungsfähigen, opportunen Frauen gehabt. Für mich ist das eher ein Thema aus dern 1960ern. Ich habe eine Vorahnung, wo der Kipppunkt für diese Rückentwicklung liegt. Aber vielleicht erklärt das Buch doch alles noch ganz anders.

    Wir sind sicher alle so aufgeklärt, dass der Eindruck leicht entsteht, der Inhalt sei aus der Zeit gefallen. Das scheint sich nicht nur durch die Bildungsblase zu erklären, in der wir leben, denn auch die sehr gebildeten Frauen, die sich mit Feminismus auseinandersetzen, beschreiben dauernd, dass die Gesellschaft den Sexismus bei weitem weitem noch nicht überwunden hat. Als Mann tue ich am besten, Frauen, die das Objekt dessen sind, ihre Wahrnehmung zu glauben. Oder all die widerlichen Rape-Geschichten, die erstaunlicherweise erst jetzt public werden.


    Konkret: Diese Frauen erzählen von Dating-Situationen, in denen der Mann sich verhält, als könne er über die Frau verfügen. Frauen weisen den Mann nicht direkt ab, weil sie dazu erzogen wurden, immer lieb und selbstlos zu sein; annehmen, dass das Selbstbild des Mannes Zurückweisung nicht aushält. Sie hätten es verinnerlicht, solche Situationen sozial für den Mann mit zu lösen, ihn zu bemuttern. Das ist im Buch aber viel besser erklärt.

    Besser als über Inhalt und Argumente des Buchs zu spekulieren, ist in der Tat, es zu lesen. Diesem Podcast lässt sich aber schon viel über die Motivation der Autorin entnehmen. "Toxischer Feminismus" war Sophia Fritz im Podcast zufolge ein Begriff, der ohnehin im Begriff war, besetzt zu werden. Fritz wollte zu einem Begriffsinhalt beitragen, der sich gleichermaßen an Frauen und Männer wendet; beide ermutigt, sich mehr zu hinterfragen, denn beide könnten etwas ändern.

    Sophia Fritz

    Toxische Weiblichkeit

    Hanser Berlin

    ISBN 978-3-446-27915-5



    Nein, das ist kein "Frauen aber auch"-Buch, jedenfalls nicht so vordergründig, wie der Titel verstanden werden kann (was sicher dem Verkauf dient). Es geht um weibliche Antizipation männlicher Erwartungen, die verinnerlicht werden, als wären es die eigenen Bedürfnisse. Für Sophia Fritz bedeutet „toxische Weiblichkeit“, sich entsprechend dieser männlichen Erwartungen zu verhalten, um in einer auf männliche Bedürfnisse zugeschnittenen Welt klarzukommen. Damit schade sich eine Frau selbst oder anderen Frauen. Solche unauthentischen, "performten" Verhaltensmuster dienten beispielsweise der Aufrechterhaltung des männlichen Selbstwerts, denn, so die Annahme, männlicher Selbstwert halte keine offene Zurückweisung aus. Frauen verschwendeten viel Zeit darauf, Männer-Exegese zu betreiben, sich einander in vergifteten Beziehungen Halt zu geben, statt sich einfach zu trennen. Andere Frauen würden in Falschem bestärkt oder sogar (in Worten oder Gedanken) dafür angegiftet, dass sie der Männerwelt nicht gerecht würden. Offensichtliches Beispiel für selbstschädigende Weiblichkeit seien all die Frauen, die krankhaft hungern oder wenigstens mit ihrem Äußeren hadern (für die Autorin praktisch alle). Dabei schaden Fritz zufolge die patriarchalen Strukturen auch Männern, weil die sich durch falsche Rücksichtnahme ihr Leben lang kaum selbst erkennen könnten.

    In "toxische Weiblichkeit" geht es freilich nicht nur um Frauen versus Männer, sondern um Eigenschaften, die jeder Mensch in sich entdecken kann, wenn er es zulässt. Das Buch lebt davon, wie klar und schonungslos Sophia Fritz sich selbst reflektiert. Für mich ist es auch ein wichtiges Buch über Ehrlichkeit.

    Ich lese "Pudels Kern" gerade, war nachgerade geflasht vom Prolog und habe bemerkenswertes Vergnügen mit dem Korpus. Warum da allerdings "Roman" draufsteht, ist rätselhaft.

    Weil auf jeder Belletristik "Roman" draufstehen muss, da man annimmt, dass es sonst nicht verkäuflich ist?

    "Die schreckliche deutsche Sprache" ist, und das genügt auch, nur 44 Seiten lang und lässt sich dementsprechend kurz besprechen. Mark Twain rechnet äußert liebevoll mit der deutschen Sprache ab. Dabei mokiert er sich genüsslich und mit Beispielen über Nominalkomposita, auseinandergezogene, am Satzende stehende Verben, über Deklinationen und die vielen Ausnahmen, deren wegen sich das Deutsche so schwer erlernen lässt. Die Sprache in der englischen Übersetzung ist, wie es sich bei Sprachkritiken gehört, vorzüglich, weshalb ich annehme, dass dies auch auf das amerikanische Original zutrifft. Dies zeigt, wie schön sich in deutscher Sprache schreiben lässt, wie schwer jedoch der Weg dahin für Nicht-Muttersprachler ist. Es zeigt außerdem, wie viel Gespür und Mühe auch deutsche Muttersprachler benötigen, um einen gänzlich unschrecklichen Text zustande zu bringen.

    Man kann versuchen, das Weltgeschehen mit Gerhard Polts Kredo zu bewältigen, einfach faszinierend zu finden, wozu Menschen in der Lage sind. Das funktioniert naturgemäß auf der positiven Seite der Skala viel besser, und Salman Rushdie gibt da mit "Knife", der autobiographischen Bewältigung des erst 2022 passierten Attentats auf ihn, ein beeindruckendes Beispiel. Ich wusste vorher wenig über Rushdie, geschweige denn sein Werk, außer dass er bekanntermaßen nur wegen eines Romans, einer bloßen Geschichte, jahrzehntelang auf der Flucht vor fanatischen Religiösen war. Das Buch ist eine erstaunlich ausgereifte Selbstreflektion, mit der Rushdie auch noch in Jahrzehnten zufrieden sein könnte. Kunst und Sprache gegen die Gewalt von fünfzehn Messerstichen auf einen 75-Jährigen. Daneben enthält es eine sehr berührende Liebesgeschichte. Was man dagegen nicht liest, ist das Geheimnis hinter Rushdies Überlebenswillen und seiner offenbaren geistig-moralischen Unversehrtheit. Doch derlei ist naturgemäß aus sich selbst gemacht. Manches scheint etwas lang geraten, aber in den Reflektionen zeigt sich ein sehr belesener Romancier angloamerikanischer Erzählkunst. Besonders erwähnenswert ist eine lange, imaginäre Zwiesprache mit dem Täter; ein Ringen um Verständnis und Argumente, die von Hass weg gewischt werden, was teils den Prozess (es wird zwei Prozesse geben) vorwegnimmt.

    Dieses das Leben umarmende Buch mag man, was in Rushdies Sinne sein könnte (er sagt das in Bezug auf den nach dem Attentat erschienenen Roman "Victory City"), kritisch besprechen. Man mag aber auch einfach ob der Größe dieser Reaktion ein wenig sprachlos sein.

    Ich bin fasziniert von wahren Lebensgeschichten, die keine eitle Überhöhung benötigen, weil sie so weit aus dem Rahmen fallen. Ich erinnere mich noch sehr gern u.a. an:


    Oscar Maria Graf Gelächter von außen. Aus meinem Leben 1918–1933.

    Lemmy Kilmister - Whine Line Fever

    karl Valentin - Die Jugendstreiche des Knaben Karl


    Das Buch ordne ich dem Genre Künstlerbiografie, die unbedingt erzählt werden muss, zu. Das war, als das aufkam interessant, trägt aber mittlerweile einen #MeToo-Charakter. Irgendwann hat sich das Genre toterzählt.



    Warum hat sich MeToo toterzählt? Das setzte für mich voraus, dass alle Facetten dahinter so genau beleuchtet sind, dass das Problem und alles, was dazu gehört, bewältigt ist. Da fehlt, glaube ich, noch viel.

    Und steile These: Die Nonfiktion von "Pudels Kern" hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Fiktion eines Tom Liehr.

    Möglicherweise ist das Knallhart-Autofiktionale sein Metier. ;)

    Ich werde mit "Pudels Kern" dann mal auf die Leseliste nehmen.

    Steile These, die Du dann gerne verwerfen kannst: Die Nonfiktion von "Pudels Kern" hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Fiktion eines Tom Liehr.

    Ich habe vorher nichts von Schamoni gelesen, auch keine Rezensionen wie deine alte hier, deswegen kann ich das gar nicht einordnen. Strunk kommt in "Pudels Kern" vor - auf gar nicht erwartbare und nachdenklich machende Art. Wenn Schamoni mal lapidar war, scheint er das, vielleicht diese Attitüde, hinter sich gelassen zu haben.

    Der Reiz des Autobiographischen liegt darin, dass andere viel mehr erlebt haben als man selbst, dass die Geschichten wahr sind und im besten Fall von Personen, Orten und Themen handeln, die man selbst nur gestreift hat. Pudels Kern von Rocko Schamoni nimmt einen mit in ein Musikerleben, in die Welt von Fun-Punk, Nachtleben, Kunst und Humor der 1980er und -90er und ist schon wegen all der Begebenheiten und Begegnungen lesenswert. Noch bemerkenswerter sind aber Schamonis Reflektionen über Aufbegehren, Exzess, Selbstzerstörung und die verzweifelte Suche nach deren Ursache. Das Sinnieren über die Selbstzweifel des individuellen Künstlers, der nirgendwo so richtig dazu gehört und wenig Resonanz und sogar Spott erfährt. Die Tiefe darin erstaunt und berührt. Rocko Schamoni gelingt das Kunststück, so ehrlich zu sein, dass es fast wehtut, dabei aber Pathos, bemühte Lässigkeit und Kalenderweisheiten weit zu umschiffen. Diese ursouveräne Art, ein derart wechselvolles Leben zu erzählen, wirkt noch lange nach.

    Ich setze mich auch praktisch damit auseinander - durch Ausprobieren wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. Jetzt gibt es ja neuerdings KI-Videos, und die Herausforderung ist, aus den starken Limitationen das Beste herauszuholen, am besten was mit Humor. Gestern war ich krank zuhause und habe mir damit die Zeit vertrieben. Dieses und dieses sind aus der Kategorie Witz, den die KI unbeabsichtigt macht.

    Dieses Eitelkeitsformat und Geschäftsmodell kenne ich aus der Wissenschaft schon lange. Immer gut, seine Impulse zu hinterfragen, wenn man auf irgendetwas klickt.

    Das hier gibt es leider nur gebraucht bzw. antiquarisch, was ich sehr schade finde. Ralf Bönt habe ich über den PEN Berlin kennengelernt und bislang ein-, zweimal getroffen. Der promovierte Physiker und ambitionierte Hobbyphilosoph hat irgendwann die Wissenschaft für die Literatur aufgegeben, vor fünfzehn Jahren war er Preisträger in Klagenfurt. Da hatte er diesen Roman quasi schon im Gepäck, der 2009 erschien. Er erzählt die Lebensgeschichte von Michael Faraday, auf den u.a. der Faradaysche Käfig zurückgeht, der aber vor allem die Grundlagen für die Elektromechanik gelegt hat. Bönts feinsinnig, klug und wissensreich erzählte Romanbiografie zeichnet nicht nur Faradays Leben nach, sondern auch ein Bild der Wissenschaftlercliquen jener Zeit, zu denen von Humbolt, Ampere, Volta und viele, viele andere heute noch bekannte Namen zählten. Im Kern geht es aber vor allem um den Impuls, der viele Forscher antreibt, um die Lust am Rätselhaften und den Wegen zur Lösung. Und, natürlich, um eine Epoche, in der es noch jede Menge zu entdecken gab und entdeckt wurde, in der die Religionen viele Erstschläge abbekamen. Viel klüger und detallierter und nachvollziehbarer als Kehlmanns "Die Vermessung der Welt", aber leider nicht so spannend, weshalb Bönt nun auch nur noch antiquarisch zu kriegen ist. Ich meine, du bist mit Ralf auch per Facebook verbandelt, Michael.


    ASIN/ISBN: 3832195173

    Danke, Tom. Das lese ich vielleicht. Solche Forschergeschichten interessieren mich, bin ja auch in dieser Branche.

    Danke, Horst-Dieter, das Russland-Buch habe ich mir gespüeichert. Dzu hattest auch letztes jahr ein Buch vorgeschlagen, das Physikalisches erklärt. Da bin ich leider nicht weit gekommen, habe es aber verschenkt.