Sophia Fritz
Toxische Weiblichkeit
Hanser Berlin
ISBN 978-3-446-27915-5
Nein, das ist kein "Frauen aber auch"-Buch, jedenfalls nicht so vordergründig, wie der Titel verstanden werden kann (was sicher dem Verkauf dient). Es geht um weibliche Antizipation männlicher Erwartungen, die verinnerlicht werden, als wären es die eigenen Bedürfnisse. Für Sophia Fritz bedeutet „toxische Weiblichkeit“, sich entsprechend dieser männlichen Erwartungen zu verhalten, um in einer auf männliche Bedürfnisse zugeschnittenen Welt klarzukommen. Damit schade sich eine Frau selbst oder anderen Frauen. Solche unauthentischen, "performten" Verhaltensmuster dienten beispielsweise der Aufrechterhaltung des männlichen Selbstwerts, denn, so die Annahme, männlicher Selbstwert halte keine offene Zurückweisung aus. Frauen verschwendeten viel Zeit darauf, Männer-Exegese zu betreiben, sich einander in vergifteten Beziehungen Halt zu geben, statt sich einfach zu trennen. Andere Frauen würden in Falschem bestärkt oder sogar (in Worten oder Gedanken) dafür angegiftet, dass sie der Männerwelt nicht gerecht würden. Offensichtliches Beispiel für selbstschädigende Weiblichkeit seien all die Frauen, die krankhaft hungern oder wenigstens mit ihrem Äußeren hadern (für die Autorin praktisch alle). Dabei schaden Fritz zufolge die patriarchalen Strukturen auch Männern, weil die sich durch falsche Rücksichtnahme ihr Leben lang kaum selbst erkennen könnten.
In "toxische Weiblichkeit" geht es freilich nicht nur um Frauen versus Männer, sondern um Eigenschaften, die jeder Mensch in sich entdecken kann, wenn er es zulässt. Das Buch lebt davon, wie klar und schonungslos Sophia Fritz sich selbst reflektiert. Für mich ist es auch ein wichtiges Buch über Ehrlichkeit.