Siebzehn Short Stories sind es, die der Band vereint. Allen gemeinsam ist ein Verlust, oder, wie es eine der Figuren formuliert: „dass ständig was da ist, was weg ist.“
Häufig ist es ein geliebter Mensch, der verloren gegangen ist: ein Kind, eine Schwester, ein Bruder, ein Vertrauter - meist durch den Tod, manchmal durch Krankheit oder einfach die Umstände.
Dieser Verlust enthüllt sich in den Geschichten peu à peu, in alltäglichen Verrichtungen, Gedanken und Reden, aus denen Trauer, Schuld, Gewalt und Verzweiflung spricht. In der ersten Short Story „Der vierte Stuhl“ ist es die Geschichte einer Familie, die am Tod der ertrunkenen Tochter zerbricht. Die Mutter und den übrig gebliebenen Bruder zieht es zum Rhein, Stimmen locken aus dem Wasser, der Vater prügelt die Mutter oder verbringt die Abende im Wirtshaus. Allmählich wird klar, dass er für den Tod der Tochter verantwortlich ist.
Überhaupt das Wasser: Es bildet einen weiteren roten Faden, der sich durch die Geschichten zieht. Maier bedient sich souverän und unaufdringlich des traditionellen Motivs: Das Wasser lockt, es bringt Tod, aber auch Befreiung, und wenn eine Stadt mal keinen Fluss hat, dann hat sie auch keinen Platz für die Toten, die Erinnerung und die Trauer.
Und das titelgebende Glück? Manchmal stellt es sich ein. Wenn es dem Kind mit dem „Gewitter im Kopf“ nicht schlechter geht, wenn das „Sonnenkatzenmädchen“ sich erinnert, wenn zwei sich im „Ort am Ende“ finden.
Gemocht habe ich beim Lesen das Verrätselte, die Geschehnisse erschließen sich Schritt für Schritt. Gemocht habe ich ebenso die Sprache, die durchgeformt, bildreich und präzise ist, manchmal auch ironisch. Zudem hat mir gefallen, dass Ulrike Sabine Maiers Short Stories fest im Gegenwärtigen verankert sind. Es geht um häusliche Gewalt, um innere und äußere Verwahrlosung alter Menschen, um die Underperformer, die nicht dem Schneller- weiter- (scheinbar) besser-Anspruch der Gegenwart genügen können, um mitteleuropäische Saturiertheit, der zu Westafrika nur Robert Redford und Meryl Streep einfällt oder um die Parolen, mit denen ein türkischstämmiger Junge in eine Mutprobe mit tödlichem Ausgang getrieben wird.
Das alles kommt fein und in Andeutungen daher – großartige Texte.