Hallo,
zunächst ein paar Anmerkungen zu einigen hier bereits erwähnten Autoren und Werken:
- J. R. R. Tolkien: Der Herr der Ringe habe ich zweimal gelesen, beide Male mit großer Begeisterung. Wie bei Horst-Dieter hat mich in diesem Fall auch die Weitschweifigkeit nicht gestört, auch, weil sie maßgeblich dazu beitrug, möglichst lange in diesem Universum verweilen zu dürfen und währenddessen das diesseitige Universum für einige Zeit völlig ausblenden zu können, etwas, das ansonsten nur wenige Bücher geschafft haben. Allerdings stimme ich Manuela in einem Punkt zu. Die Rückkehr und die Befreiung des Auenlandes sind viel zu lang geraten und äußerst zäh zu lesen, nachdem die Geschichte im Wesentlichen doch erzählt ist.
Und beim Silmarillion sowie den Nachrichten aus Mittelerde bin ich ungefähr in der Mitte ausgestiegen.
- Umberto Eco: Der Name der Rose ging runter wie Öl. Aber bei Das Foucaultsche Pendel habe ich bereits nach wenigen Seiten das Handtuch geworfen, obwohl ich in der Regel jedem Roman mindestens fünfzig bis siebzig Seiten „gebe“, um mich von den Vorzügen des Weiterlesens überzeugen zu lassen.
- Die Wahlverwandschaften: Von denen mag Marcel Reich-Ranicki natürlich halten, was er will. Ich habe während der gesamten Lektüre allerdings nur gepflegte Langweile empfunden (ja, ich habe bis zum Schluss durchgehalten). Aber die Lektüre liegt auch schon ein paar Jahrzehnte zurück.
Die Zahl meiner Kapitulationen kommt mir schier endlos vor und ich könnte vermutlich ein bis zwei Umzugskartons mit nicht zu Ende gelesenen Büchern füllen und noch dazu einen halben Karton mit gekauften Büchern, deren Lektüre ich zum Teil bereits seit mehreren Jahren vor mir herschiebe.
Hin und wieder habe ich mich als Erwachsener auch noch mal an den während der Schulzeit gelesenen „alten Meistern“ versucht – Kafka, Thomas Mann, Böll, Frisch, Grass etc. - bis auf Dürrenmatt und teilweise auch Böll leider sämtlich mit dem gleichen ernüchternden Ergebnis wie damals.
Anderer Autoren, die ich in meiner Jugend und als junger Erwachsener verehrt habe, bin ich im Laufe der Zeit überdrüssig geworden. Den Siddhartha habe ich als Achtzehnjähriger in einer Silvesternacht verschlungen, aber mittlerweile finde ich zu Hermann Hesse keinen Zugang mehr. Ein anderes Beispiel ist Ernest Hemingway. Den habe ich damals vergöttert, aber irgendwann ist meine Bewunderung ins Gegenteil gekippt.
Ja, ich bin mir der Tatsache bewusst, ein Banause zu sein.
Überwiegend erfolgen meine „Kapitulationen“ schleichend. An einem bestimmten Punkt bemerke ich erste Ermüdungserscheinungen, lese aber noch eine Zeitlang weiter, bis ich mich irgendwann zum Weiterlesen regelrecht zwingen muss und ich daraufhin entscheide, eine Lesepause einzulegen, die aber in der Mehrzahl der Fälle von Dauer ist.
Und die Romane jüngerer Autorinnen und Autoren sind mir häufig zu selbstreferenziell. Dieses ständige Kreisen der Protagonisten um die eigene Befindlichkeit (oder die des Autors oder der Autorin?) ist mir zu wenig, um mein Interesse zu wecken.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Die finde ich aber seltsamerweise und mit großer Beständigkeit vorzugsweise im nicht deutschsprachigen Ausland, insbesondere unter den großen angelsächsischen Erzählerinnen und Erzählern wie John Updike, Ann Tyler, John Steinbeck, Marilynne Robinson, John Irving (die frühen Romane), John Banville, Anne Enright, um nur einige zu nennen.
Anyway. Danke für den Thread, Manuela, obwohl er mich ein wenig ratlos macht. Mit einiger Resignation stelle ich fest, dass meine Begeisterung und Neugier früherer Jahre nach und nach verschwunden ist und bei vielen Büchern kommt es mir heute so vor, als hätte ich das alles doch schon ein paar Mal gelesen, obwohl ich weiß, dass das nicht stimmt. Oder ist das nur eine zwangsläufige Alterserscheinung?
Herzliche Grüße,
Jürgen