Tatsächlich aber scheint es mir so zu sein, dass ohne eine gewisse Eigenleistung nichts mehr geht.
Gerade von der Midlist wird aber noch deutlich mehr erwartet, und es geht hier - auch bei großen Verlagen - immer mehr in die Richtung "Wir machen halt Bücher und warten ab, was passiert". Dieses Abwarten müssen dann die Autoren nach Kräften positiv beeinflussen.
Eine Autorin hat sich mir gegenüber diesbezüglich mit sehr ähnlichen Worten geäußert. Wenn es sich so verhält, wie ihr sagt, bedeutet das aber dann nicht auch, dass sich der klassische Weg über eine Verlagsveröffentlichung einerseits und der über das Selfpublishing andererseits immer stärker angleichen werden, nicht sofort natürlich und auch nicht in der gesamten Breite, dass es aber zu immer weiter fortschreitenden Überschneidungen kommt? Und dass das Selfpublishing im Verlauf dieser Entwicklung für eine wachsende Zahl von Autorinnen und Autoren attraktiv wird?
Ich habe für mich im Selfpublishing bislang keine realistische Alternative gesehen. Zwar gibt es mittlerweile exzellente Dienstleister für alles, nur nicht für den letzten und entscheidenden Schritt: den der Vermarktung und der damit verbundenen Frage nach der Präsenz im stationären Buchhandel, die für mich die Voraussetzung dafür wäre, mich mit der Idee des Selfpublishings eingehender auseinanderzusetzen.
Denn wie bereits Cordula schrieb:
Ich will schreiben und nicht die Zeit damit verbringen, mich bestmöglichst zu vermarkten.
Aber die Dinge sind im Fluss, und wenn sich die benannten negativen Tendenzen im Verlagswesen zu Lasten der Mehrheit der Autorinnen und Autoren noch weiter verstärken, kann es durchaus passieren, dass sich das Selfpublishing schneller zu einer ernstzunehmenden Alternative entwickelt, als wir uns das derzeit vorzustellen vermögen. Aber vielleicht speist sich meine Hoffnung lediglich aus meiner Naivität.
Ich würde behaupten, dass ein „gesunder“ Kulturbetrieb auch immer eines Kanons bedarf, der es den Kulturteilnehmern erlaubt, über ihn zu sprechen, einen Diskurs zu installieren, in dem man sich über moralische und natürlich künstlerisch-ästhetische Normen austauscht. Ohne eine gewisse Form von Normativität gibt es m.E. keine Kultur (sonst zerläuft alles im Beliebigen).
Teile dessen, was du in deinem Beitrag schreibst, machen mir eine Gänsehaut und das nicht in einem positiven Sinne. Über das, was du zur Notwendigkeit eines Kanons sagst, will ich erst noch einmal nachdenken, bevor ich dazu meine Gedanken teile. Nur soviel schon jetzt dazu:
- Dass jeder Hörer oder Leser oder Zuschauer seine eigene kleine Nische finden würde, bezweifle ich. Ich glaube, die Mehrheit würde sie nicht einmal finden wollen. Und in der Regel trennt sich die Spreu sehr schnell vom Weizen und die meisten Nischen trocknen sehr schnell wieder von allein aus, während eine Minderheit im Hinauswachsen aus der Nische selbst Normen schafft. Die Beatles bedienten ganz zu Anfang auch nur eine kleine Nische, bevor sie in atemberaubender Geschwindigkeit zum Maßstab wurden. Das hat meiner Meinung nach mehr mit Angebot und Nachfrage sowie einem passenden Timing zu tun.
- Mit dem Begriff der Normativität kann ich mich durchaus anfreunden, hier allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass Normen so wie Meinungen als etwas Instabiles, als etwas sich Wandelndes verstanden werden. Ansonsten werden sehr schnell Dogmen daraus.
- Entscheidend ist für mich auch, wer jenen Kanon definiert, von dem du sprichst, und welchen Interessen er dient, dienen soll. Solange das die Kultur Schaffenden selbst gemeinsam mit ihren Hörern, Lesern und Zuschauern unter sich ausmachen, will ich mich mit der Frage nach der Notwendigkeit gerne auseinandersetzen. Wenn sich allerdings herausstellt, dass dieser Kanon hauptsächlich profitorientierten Partikularinteressen dient und infolgedessen (auch) dazu, die Kultur Schaffenden zu einer Art Pizzalieferdienst zu degradieren, die auf Zuruf mal die, mal jene Pizza liefern sollen, dann: nein.